Reformbedarf bei den Öffentlich-Rechtlichen - „Die Akzeptanz nimmt ab, weil die Einseitigkeit zunimmt“

Zu groß, zu teuer, zu links: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht immer wieder in der Kritik. Manuel Hagel, CDU-Fraktionsvorsitzender in Baden-Württemberg, plädiert im Interview für ein Beitrags-Moratorium, einen Stellenabbau und weitreichende Reformen.

Funkhaus des SWR / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Manuel Hagel ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. 

Herr Hagel, im April haben die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Finanzbedarf angemeldet. Klar ist: ARD, ZDF und Deutschlandradio fordern mehr Geld, unter anderem für Investitionen in Digitalisierungsvorhaben. Wie stehen Sie grundsätzlich zu einer erneuten Erhöhung des Rundfunkbeitrags? 

Wir stehen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk – aber er braucht ein Update! Deshalb will ich nicht schon wieder nur eine ausgelutschte Diskussion über die Erhöhung der Gebühren führen, sondern eine ehrliche Debatte darüber, was eigentlich mit den Gebühren bisher geschieht und – für einen Schwaben ist das ja immer ein wichtiges Thema – wo auch konsequenter und wirkungsvoller gespart werden kann. Die Aufgabe der Verantwortlichen im öffentlichen Rundfunk ist es jetzt, mit den vorhandenen Mitteln auszukommen und Reformen anzuschieben. Auch das ist die Aufgabe von Führungskräften.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekommt jährlich rund 8,5 Milliarden Euro an Rundfunkgebühren, plus Umsätze für Werbung, Sponsoring und sonstige Erträge. 

Zehn Milliarden Euro – diese riesige Summe steht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt zur Verfügung. Da immer mehr Geld reinzugeben, ist doch wirklich niemandem mehr vermittelbar. Deshalb braucht es jetzt ein Beitrags-Moratorium – zunächst mal auf zwei Jahre. Zu Recht fragen sich immer mehr Menschen, was mit diesem Geld eigentlich gemacht wird. Wir wollen seriöse und ausgewogene Berichterstattung. Unverhältnismäßig üppige Intendantengehälter und luxuriöse Büro-Ausstattungen jedenfalls müssen der Vergangenheit angehören. Das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schwindet leider massiv – auch aufgrund zumindest schon mal zweifelhafter Berichterstattung. Wenn man dann den Menschen in Zeiten von Inflation und multipler Krisen noch kommt und sagt, wir wollen mehr Geld, fehlt mir da ehrlich gesagt jegliches Verständnis. Das kann eine verantwortliche Politik nicht gutheißen. Das darf keine Mehrheit finden. Dazu haben wir im Übrigen auch als Union insgesamt eine klare Position, die wir auf der Fraktionsvorsitzendenkonferenz Ende Juni in Rostock in einer Resolution zur Reform des ÖRR auch deutlich gemacht haben.

Derzeit liegt der Rundfunkbeitrag bei 18,36 Euro im Monat. Stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung? 

Wir sehen besonders bei der ARD einen massiven Reformstau. Da geht der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Professor Kai Gniffke auch ran. Die Zeiten von Lippenbekenntnissen und Absichtserklärungen sind vorbei – da braucht es jetzt handfeste Ergebnisse. Ein über Jahrzehnte aufgeblähtes und ineffizientes System zu verschlanken, ist eine riesige Aufgabe. Gleichzeitig stehen wir zur Aussage, dass wir einen starken, finanziell unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit hochwertigen Formaten brauchen. Genau das lehrt der Blick in die Vereinigten Staaten mit einem völlig überhitzten Mediensystem. Dazu gehört für mich ganz entscheidend die föderale und regionale Vielfalt. Deshalb ist der Rundfunk aus guten Gründen in Länderhoheit. Genau das muss er auch bleiben – der Föderalismus ist hier einmal mehr Trumpf. Aber die Frage muss schon erlaubt sein: Braucht es tatsächlich in jedem „dritten“ Programm mehrere unterschiedliche Kochshows? Eine viel stärkere Zusammenarbeit von ARD, ZDF und Deutschlandfunk hat riesiges Potential – im linearen Programm, aber vor allem auch im Online-Auftritt. 

Kritik an den Inhalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es immer wieder. In einem Funk-Beitrag auf Instagram hieß es kürzlich: „Björn Höcke, Alice Weidel, Friedrich Merz und Markus Söder haben was gemeinsam: Sie sind rechts.“ Wie bewerten Sie diese Aussage? 

Jeder von uns spürt doch, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung abnimmt – weil die Einseitigkeit zunimmt. Genau diese Dinge geben doch dem Vorwurf Auftrieb, dass dort tendenziös gearbeitet wird und bisweilen eine eigene politische Agenda vorherrscht. Die Grenze zwischen Bericht und Kommentar verwischt zu oft. Das belastet das Vertrauen in die Medien, das stellt gestandene Demokraten vollkommen zu Unrecht in die rechtsextreme Ecke und lässt uns als Union in einem vollkommen falschen Licht dastehen. Die Bemühungen von so vielen, unsere Demokratie zu sichern und für eine liberale Bürgergesellschaft zu arbeiten, werden von einigen Wenigen durch unausgewogene Darstellungen im ÖRR einfach wegplaniert.
 

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Bei der Entgleisung von Funk bleibt es ja nicht. Etwa das erst unlängst verkürzt wiedergegebene Zitat des WDR von Friedrich Merz zu den Grünen („Hauptgegner“; Anm. d. Red.). Da rückt die Gesamtaussage in ein vollkommen falsches Licht. So etwas ist unprofessionell und nicht seriös. Ich habe bei dieser Pressekonferenz neben Friedrich Merz gesessen und die Szene deshalb noch sehr genau in Erinnerung. Der Bericht des WDR hat denkbar wenig mit dem zu tun, was dort gesagt wurde. Da ist den Redakteuren offensichtlich nicht klar, wer eigentlich ihr Gehalt bezahlt. Das sind die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und es ist denjenigen offenbar auch ziemlich egal, wofür sie ihr Gehalt erhalten; für den Anspruch darauf, dass die Arbeit des aus Pflichtbeiträgen finanzierten Rundfunksystems ausgewogen und neutral ist. Das wird bei solchen Aktionen absichtlich mit Füßen getreten.

ARD-Chef Kai Gniffke hat sich dafür bereits bei den Unions-Fraktionsvorsitzenden entschuldigt, sprach von einem „schweren Fehler“. Ist die Sache damit für Sie erledigt? 

An Zufälle glaube ich nicht – so ein Beitrag muss ja vorbereitet, abgedreht und geschnitten werden. So eine Entgleisung muss dann auch mal personelle Konsequenzen haben. In jedem guten Unternehmen sind Compliance-Verstöße ein Kündigungsgrund. Warum nicht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Eine Manipulation von Aussagen durch Weglassen wie zuletzt bei Friedrich Merz muss arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Sonst passiert nie etwas, und die Entschuldigung von Herrn Gniffke bleibt eine Worthülse. Diese Einstellung nach dem Motto: „Ups, da ist uns was verrutscht. Sorry!“ können wir nicht weiter akzeptieren. Hier geht es ja nicht nur um die Union. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Medien. Mit solchen Aktionen leistet der ÖRR dem zunehmend sinkenden Vertrauen in die Demokratie einen Bärendienst. Es braucht neben mehr Transparenz und Compliance auch mehr Repräsentanz dessen, was Menschen in großer Mehrheit empfinden in den Medien. Dazu gehört für mich auch ganz klar, auf das Gendern zu verzichten.

Wie bewerten Sie die Reaktion Kai Gniffkes im Speziellen? 

Das war eine ehrliche Reaktion auf diesen unterirdischen Vorfall. Aber die Ereignisse zeigen doch das Problem auf dem Präsentierteller. Am Dienstag noch war Herr Gniffke mit uns Fraktionsvorsitzenden im Austausch. Da bekundet er glaubhaft, dass der ÖRR seinen Auftrag ernst nimmt und umsetzt. Ihm persönlich nehme ich das absolut ab. Einen Tag später kommt dieser unsägliche Instagram-Post von Funk. Ich nehme Herrn Gniffke dafür nicht persönlich in Haftung. Es nötigt mir auch Respekt ab, wie er jetzt auch in die Diskussion mit seinen Kritikern geht. Aber im System scheint da doch was grundlegend falsch zu laufen, wenn Merz und Söder mit der AfD in einen Topf geworfen werden. Und nur wenig später macht Funk dann einen Beitrag zu der Frage „Was ist links?“. Hier wird dann verharmlost und beschönigt. Das Fatale ist ja: Die Botschaft ist raus. Das holen Sie nicht mehr zurück. 

Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Bundestag, ist auch ziemlich sauer. Er sagte der Bild-Zeitung: „Die sich ständig wiederholenden Entgleisungen des ARD/ZDF-Angebots Funk müssen endlich Konsequenzen nach sich ziehen. Da keine Besserung der journalistischen Standards in Sicht ist, muss Funk eingestellt werden!“ Hat Müller Recht? 

Das wäre denkbar. Das Problem liegt nach meiner Überzeugung in der Grundhaltung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eigene politische Agenda von ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht sauber trennen. Genau das beweisen doch diese Vorfälle. Das entsteht ja nicht durch Zufall oder KI. Jeder darf sich politisch engagieren, wo und wie er will. Davon lebt unsere Demokratie. Dazu möchte ich jeden ausdrücklich ermuntern. Aber diese Orte des Engagements sind Parteien, Vereine, Verbände und so viele mehr – aber eben nicht in der Redaktionsstube. Es ist hochgradig unprofessionell, dass Berichte und Kommentare oftmals nicht mehr sauber getrennt werden. Hier muss man ansetzen. Wenn immer von mehr Vielfalt gesprochen wird, brauchen wir dort auch eine liberal-konservative Stimme, die auch mal ein Gegengewicht darstellt. Es kommt eben nicht auf eine Diskurshoheit aus der Redaktionsblase heraus an, sondern um eine Abbildung der Pluralität und Meinungsvielfalt in der Gesellschaft an.

CDU-Politiker Hagel / dpa

Der Kernvorwurf an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkt lautet immer wieder: zu groß, zu teuer, zu links. Wo sehen Sie den drängendsten Reformbedarf? 

Es wäre zu einfach, den Finger zu heben und zu sagen, es muss mal wirklich alles auf links oder rechts gedreht werden. Genau das wäre ja dann diese politische Einflussnahme, die ich kritisiere. In unserer Resolution haben wir einige konkrete Vorschläge gemacht. Wenn der ÖRR sich hier einiges zu Herzen nimmt, hätten wir schon viel erreicht. Uns geht es nicht darum, nur zu meckern. Uns geht es darum, endlich zu machen. Als Beispiel: Den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist es unter den Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Kurt Beck gelungen, SDR und SWF zum SWR zusammenzuführen. Das war eine riesige politische und organisatorische Leistung. Das war im Jahr 1998. Das ist 25 Jahre her. Dieses Beispiel hat leider Gottes nur wenig Nachahmer gefunden. Es war eben zu bequem im Status quo. Wer braucht in Deutschland etwa 63 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme, die sehr viel Ähnliches anbieten, aber eben dafür auch 63 Mal kosten? 

Das heißt?

Generell müssen gerade die Eigenproduktionen auf den Prüfstand. Die sind in der Regel teurer als Auftragsproduktionen. Der beste Beleg ist der Hessische Rundfunk, der als einzige ARD-Anstalt nahezu alles in Eigenproduktion erstellt. Die Finanzprobleme des HR sind bekannt. Ein eigenproduzierter Tatort des HR ist ca. eine Million teurer als ein in Auftragsproduktion erstellter Tatort der anderen ARD-Sender. Deshalb muss sich die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die Kostenstrukturen von Eigen- und Auftragsproduktionen in einem Sondergutachten vergleichend anschauen und Reformvorschläge unterbreiten.

Müssen Fußballrechte, Quizshows und Schlagerveranstaltungen weg? 

Alles hängt mit allem zusammen – deshalb möchte ich keine künstlich verkürzten Antworten geben. Meine Überlegung beginnt damit, wie wir ein schlüssiges und akzeptables Gesamtkonzept bekommen. Dann kann man an die Details. Für mich ist klar, dass der ÖRR mehr auf Inhalt und weniger auf Show setzen sollte. Gleichzeitig gilt, dass viele Menschen einfach gerne Fußball schauen, bei Quizshows miträtseln oder auch mal klassische Musik hören. Das gehört dazu. Da ist ja auch die Einschaltquote besonders hoch. 

Für Reformen in den Landesrundfunkanstalten sind die Länder verantwortlich. Wie sehen denn Ihre Reformideen konkret für den SWR aus? 

Das große Pfund der Landesanstalten und damit auch des SWR ist die Regionalität. Das Wir-Gefühl für Baden-Württemberg und seine Menschen muss noch stärker in den Fokus. Wenn ich bei kleinen Fernsehteams von privaten regionalen TV-Sendern sehe, was die mit ihren begrenzten Ressourcen auf die Beine stellen, dann frage ich mich schon, ob es diesen riesigen Personalbedarf beim SWR wirklich braucht. Das sind ja auch die größten Kostenblöcke. Hier sehe ich mit dem demographischen Wandel und der zunehmenden Digitalisierung ein enormes Potential.

Ein vernünftiger Personalrückbau muss also möglich sein. Das ZDF hat unter Intendant Bellut 500 Stellen abgebaut. Hat das jemand in der Qualität gemerkt? Die Einkommensstrukturen der Intendanten und Direktoren ist aus meiner Sicht an die Ministerbesoldung anzugleichen. Der ÖRR legt das Pensions- und Beihilfesystem des öffentlichen Dienstes ganz selbstverständlich zu Grunde, nicht jedoch das Besoldungssystem. Diese Diskrepanz ist für mich nicht verständlich. Der RBB hat hier unter dem Druck des Skandals den richtigen Weg beschritten.

Streit gibt es auch zwischen privaten Medien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit Digitalangeboten wie tagesschau.de, so eine Kritik der Privaten, stoßen ARD, ZDF und Deutschlandradio ins Hoheitsgebiet der privaten Presse vor. Auch in den sozialen Medien – von YouTube bis TikTok – machen die Öffentlich-Rechtlichen den Privaten Konkurrenz. Allerdings bekommen die einen jedes Jahr rund 8,5 Milliarden Euro geschenkt, während die anderen jeden Cent erwirtschaften müssen. Fair ist das nicht, oder? 

Ich finde schon, dass wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen. Das muss uns auch was wert sein. Qualität kostet Geld. Nur: Dann dürfen solche groben Schnitzer, solche harten Foulspiele, wie in den letzten Wochen einfach nicht passieren. Denn dann kommen genau diese Fragen auf. Die Daseinsberechtigung wird in Frage gestellt. Das ist gefährlich. Denn ich bin der vollen Überzeugung: Eine starke Demokratie braucht einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der ein Gegenstück zum privaten Fernsehen darstellt. Wir sehen ja in den USA, was es bedeuten kann, wenn die Meinungshoheit ein paar Milliardären überlassen wird. So stelle ich mir das in Deutschland nicht vor.

Vorschlag: Das ZDF wird zum reinen nationalen Nachrichtensender umgebaut und die ARD konzentriert sich ausschließlich auf regionale Berichterstattung aus den Sendegebieten der Landesrundfunkanstalten. Gehen Sie mit? 

Das ist ein Ansatz, den man nicht einfach vom Tisch fegen sollte. Nicht jeder Sender muss das Rad jedes Mal für sich neu erfinden und zwingend überall präsent sein. Die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen, heißt auch, sich als ÖRR gemeinsam auf eine verlässliche und qualitativ hochwertige Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Beratung und Kultur zu besinnen. Diese kann auch mit weniger linearen Fernseh-Programmen, weniger Hörfunksendern, weniger Mediatheken, weniger Websites und weniger Social-Media-Kanälen als bisher gewährleistet werden.

Die Fragen stellte Ben Krischke.

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