Politisierung der Bildung - Die Schule als Biotop des Linken

Aufklärung ist das Urziel aller schulischen Bildung. In den Gesellschaftswissenschaften spielt vor allem die auszubildende Urteilskraft, also die Mündigkeit, die entscheidende Rolle. Der politisierte Lehrer, wie er heute an deutschen Schulen zuhause ist, hält es stattdessen für selbstverständlich, ja geradezu für notwendig, seine Schüler mit der eigenen Weltsicht zu indoktrinieren. Dabei gilt: Was links ist, ist gut.

Beschmutztes Denkmal: Die politisierte Schule übernimmt die Leitung des Verstandes, die für Immanuel Kant den Zustand der (voraufklärerischen) Unmündigkeit kennzeichnete. / dpa
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Autoreninfo

Sebastian Nötzel ist 17 Jahre alt, Schüler der Oberstufe des Lloyd Gymnasiums Bremerhaven und Leistungssportler. Seit 2021 ist er zudem aktives Mitglied der Jungen Union.

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Ich war in der achten Klasse, als ich das erste Mal einem Linken begegnete. Zumindest wusste ich dann erstmals, ihn als solchen zu identifizieren. Es war mein Lehrer. Ich wusste schon damals, dass er nur einer von vielen war, die ihren Unterricht politisierten. In den darauffolgenden Jahren musste ich zu der Einsicht kommen, dass dieses Phänomen strukturell ist. Ich lernte bei verschiedenen Lehrern, dass die FDP eine „Reichenpartei“ sei, wir kurz vor dem ökologischen Untergang stünden – was jede erdenkliche radikale Maßnahme legitimiere – und dass Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme aufgrund unseres historischen Bezugs zum Kolonialismus eine nur allzu faire Wiedergutmachung sei.

Ich sollte verstehen, dass die Linkspartei für wahre soziale Gerechtigkeit stünde, Populismus der Rhetorik Goebbels’ gleichzusetzen sei und dass es im 21. Jahrhundert nicht sein könne, dass die schwer arbeitende Putzfrau noch immer weniger verdiene, als der Manager, der für seine Tätigkeit nicht ansatzweise so hohe körperliche Anstrengungen aufbringen müsse.

All meine Lehrer, von denen ich sowas hörte, waren keine Fachlehrer für Politik. Falls doch, hatten sie das Fach nicht explizit studiert. Ich bin mir aber sicher, dass sie dafür allesamt das Golden Premium Jahresabo der taz hatten.

Auswendig gelernte Floskeln ohne Substanz

Die meisten der ausgeteilten Arbeitsblätter sind gegendert, das Tafelbild sowieso und manche können nicht mal beim Sprechen damit aufhören. Mein Leistungskurslehrer erzählte mir, dass es vom Schulamt Vorgaben für das Gendern gäbe. Von mir selbst wurde aber noch nie wirklich verlangt, zu gendern. Ich weiß aber auch, dass es nicht jedem so geht. Allein aus meinem Freundeskreis sind mir mehrere solche – leider wohl unbelegt – als fortschrittlich empfundene Erziehungsmaßnahmen bekannt. In Klausuren wird ständig das generische Maskulinum angestrichen werden, bei Wiederholung zieht man Punkte ab.

Vor einiger Zeit kam eine Gender-Debatte bei mir im Unterricht auf. Ein paar meiner Klassenkameraden diskutierten mit unserer damaligen Deutschlehrerin. Ihrer Ansicht nach sorge das Gendern endlich für Inklusion, mache die Sprache gerecht und würde patriarchale Strukturen der Vergangenheit brechen. Was würden Linke nur ohne ihre auswendig gelernten Floskeln aus dem linksideologischen Setzkasten anfangen? Ein guter Freund von mir hatte die Idee, ihr einen „Gendern? Nein, danke!“-Sticker auf die Heckscheibe zu kleben. Der Mut fehlte.

Entweder erhofft man sich durch den Umbau des herkömmlichen Sprachgebrauchs, geschlechtsbezogene Ungerechtigkeiten zu überwinden, oder er dient schlichtweg dem politischen Eigennutz. Ersteres wäre ein infantiler Irrglaube, letzteres Indoktrination. Ungerechtigkeiten lassen sich nicht qua Sprache brechen. Sie lassen sich nur durch Handlung überwinden, auch wenn sie mit der Sprache korreliert.

Weltsicht- statt Wertevermittlung

Darüber hinaus haben wir paternalistische Strukturen der Vergangenheit nicht durch das Sprachdiktat einer höheren Schicht überwunden. Letztlich befeuert Gendern nur das Streben nach Gleichheit und stillt das schlechte Gewissen des Einzelnen. Den Opfern von wahrem Sexismus hilft es herzlich wenig. Und damit ist Gendern keine Wertvermittlung. Es ist ein Politikum, das zudem unter Linken als Erkennungsmerkmal fungiert. Beim Gebrauch des Lehrers von Gendersprache muss es sich also um eine unterschwellige Einflussnahme auf das freie Denken zu linksideologischen Zwecken handeln.

Oft ist es so, dass schulisch geförderte Veranstaltungen und Projekte ebenso wie das Gendern auch immer eine bestimmte Weltsicht implizieren. Manchmal durch die Hintertür, manchmal mit dem gewaltsamen Eintreten der Vordertür. Gendersprache lässt sich in Kategorie eins einsortieren. Zur zweiten Kategorie gehört beispielsweise der Umgang der Schule mit „Fridays for Future“ und anderen Klimabewegungen.

Erst vor wenigen Wochen war meine Schule mit Werbeplakaten und Stickern zugekleistert. Lehrer forderten uns im Unterricht auf, kommenden Freitag die Schule zu schwänzen, um „gegen die Strukturen des Kapitalismus und für mehr Maßnahmen gegen den Klimatod zu kämpfen“ - dazu wurden wir über das schulische Lernportal aufgefordert. Dem Pennäler Pfeiffer aus der Feuerzangenbowle wäre das wohl nie passiert. „Je mehr von euch demonstrieren, desto stärker ist das Signal an die Politik“, hieß es weiter. Die Schulleitung erlaubte offiziell die Teilnahme als „Lernen an einem anderen Ort“ und es wurde eine Fahrradtour vom Schulhof zum Treffpunkt der Demonstration organisiert.

Moralisierung macht erpressbar

Auf Linie politisierte Lehrer versuchen, Kompetenz durch die vermeintlich richtige Haltung zu ersetzen. Wahrscheinlich erkennen sie aber darin auch keinen Unterschied mehr, sehen gerade in der Vermittlung der eigenen Agenda den aufklärerischen Auftrag. Sie fühlen sich zu einer höheren Aufgabe berufen und im selben Zug überspielen sie ihre unzureichende, aber ohnehin scheinbar nicht nötige fachliche Kompetenz. Dem Durchschnittslehrer scheint das gar nicht mehr aufzufallen. Das Gefühl der Überlegenheit und der höheren Bestimmung lässt sich logisch nur durch die Dynamik der Moralvorstellung erklären.

Die Differenz zwischen der moralischen und emotionalen Meinung ist oft nur gering. Emotionalisierung verleitet den Einzelnen vielmehr dazu, die eigene Meinung dem Anderen als faktisch zu vermitteln – mehr noch: sie ihm so aufzuzwingen, wie es die rein rationale Meinung wohl nie könnte. Hinzu kommt, dass Moralität kein Faktum, sondern ein Zusammenspiel aus Meinung, Erfahrung und Interpretation ist. Oftmals hat sie einen kulturellen, familiären oder religiösen Ursprung. Und deshalb kann man in der konkreten Frage keine moralische Allgemeingültigkeit finden und sie schon gar nicht künstlich schaffen.

Auch Maximen und Kants kategorischer Imperativ als Leitsätze ethischen Handelns können das nicht leisten. Jene Prinzipien drücken zwar eine allgemeine und flexibel anwendbare Regel aus, lassen aber hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einen großen Interpretationsspielraum. Dass Moral ein Streitthema und ihrem eigentlichen Wesen nach unpolitisch ist, lässt der so politisierte Lehrer außer Acht. Er meint sogar, genau deshalb eine Allgemeingültigkeit schaffen zu müssen. Zwar ist er sich der komplexen Verschiedenheit von Moralvorstellungen bewusst, spricht aber nur der seinen eine Existenzberechtigung zu. Denn natürlich hält man sich selbst ja für dermaßen intellektuell weiterentwickelt als den Skeptiker, den Schüler – und als den politischen Gegner sowieso.

Die Utopie einer Idealgesellschaft nach seinen eigenen moralischen Maßstäben und seinem eigenen Gerechtigkeitsverständnis treibt den politischen Lehrer voran. In ihr erkennt er nicht nur das Recht, sondern sogar die Notwendigkeit, seine Weltanschauung dem Schüler einzutrichtern. Dabei wird Politisches moralisiert, um das Gegenüber erpressbar zu machen, die eigene Weltsicht glaubwürdiger erscheinen zu lassen und so gleichzeitig die eigene Naivität zu offenbaren.

Unhinterfragte Autorität

Lehrer als Autoritätspersonen bündeln in ihrem Dasein verschiedene Attribute, die maßgeblich zur Meinungsbildung der Schülerschaft beitragen. So pflegen sie in ihrem Lehrauftrag das Vertrauensverhältnis zum Schüler. Dieser hinterfragt die Lehrinhalte oder Meinungen seines Lehrers nicht. Andere Quellen jenseits der Schule werden nicht herangezogen. Warum auch? Der Lehrer wird schon Recht haben. Die übernommene Meinung wird meist gar nicht als solche wahrgenommen. Sie wird eben als unbestrittenes Faktum gesehen oder gleich als eigene Meinung eingeordnet. Aber selbst wenn man selbst anderer Meinung als der Lehrer ist, hat man keine Macht, diese durchzusetzen.

Als Autoritätsperson bestimmt die Lehrkraft über Zensuren. Man hat sich dem Lehrer und seiner als Lehrinhalt vermittelten Weltanschauung zu beugen. Das geht natürlich nicht, wenn man ihr grundlegend widerspricht und damit das Fundament des ganz persönlichen Lehrplans dieses Pädagogen in Frage stellt, zumal der politische Lehrer seine Weltsicht innerhalb einer Philosophie der Alternativlosigkeit betrachtet. Nur seine Weltsicht ist anschlussfähig; Gegenmeinungen sind unwahr und in ihrer Logik direkt auf charakterliche Unvollkommenheiten zurückzuführen.

Zwar beruht ein hierarchisches Verhältnis wie hier auf beidseitigem Vertrauen, also Harmonie, dennoch hat die Autoritätsperson Macht, den Unterstellten im eigenen Sinne zu lenken und zu beeinflussen.

Die Schule gibt sich auf

Aufklärung ist das Urziel aller schulischen Bildung. Dabei spielt im Fachbereich der Gesellschaftswissenschaften vor allem die auszubildende Urteilskraft, also die Mündigkeit, eine entscheidende Rolle. Wie aber soll dies gefördert und erreicht werden, wenn Lehrer aus dem ranzigen Handbuch linker Weltanschauungen predigen? Zwar hofft man auf gesellschaftliche Fortschritte wie die Überwindung von Ausgrenzung und Intoleranz. Nebenbei: Lange nicht alles, was Linken als erstrebenswert erscheint, ist es rein tatsächlich auch. Dazu zählt die sozialistische Gleichheit der Menschen oder das Überwinden von Geschlechterrollen.

Aber durch klammheimliche Indoktrination kann ohnehin keinerlei Fortschritt initiiert werden. Nicht politische Erziehung, sondern Aufklärung und Autonomie sind das Fundament aller Progressivität. Denklogisch geht hiermit auch immer ein gewisses Maß der Vernunft und Moral einher. Meint man aber, dem Schüler nicht die Werkzeuge der Meinungsbildung in die Hand zu geben, sondern ihn vielmehr in eine erwünschte Richtung des Denkens zu stoßen, dann ist es nicht nur propagandistisch, es kann daraus auch nur der Erzfeind einer jeden modernen Gesellschaft wachsen: die Unmündigkeit. Paradoxerweise endet also der krampfhafte Versuch der Schule, die Jugend zu mehr Progressivität zu führen, in der zutiefst rückschrittlichen und zukunftsunfähigen Unmündigkeit.

Immanuel Kant schreibt in seinem Aufsatz „Was ist Aufklärung?“: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Die politisierte Schule tritt bewusst in die Rolle besagter Leitung, erweitert damit ihren Aufgabenbereich und garantiert mithin das Verweilen der Schülerschaft in der Unmündigkeit. Damit lässt sich der politische Lehrer als größter Feind der Aufklärung erkennen.

Aufklärungsaversion

Aber nach welchen Bewertungskriterien kann dann noch die schulische Leistung gemessen werden? Es würde nicht mehr der geistige Gehalt und die Schlüssigkeit einer These geprüft werden, sondern ausschließlich die Vereinbarkeit mit dem linken Milieu. Der Schüler lernt nicht das Interpretieren der Sachlage und damit einhergehend die Meinungsbildung, sondern allein die individuell präferierten Wertvorstellungen seines Lehrers. Denn wo Aufklärungsaversion herrscht, bestimmt Ideologie die Bildung.

Aber wenn sich Aufklärung zur Erreichung eigennütziger Ziele auslegen und ideologisch vereinnahmen lässt, indem eine Autorität Macht hat, einseitig aufzuklären, umfassende Erörterungen komplexer Fragen abzulehnen, sachliche Gegenmeinungen als falsch zu deklarieren und ihnen die Daseinsberechtigung abzusprechen - und wenn sich der wahrhaftige aufklärerische Zweck neu definieren lässt, nämlich vom ursprünglich eigenständigen Denken zur Indoktrination einer politischen Agenda und Moralvorstellung, dann müssen wir feststellen, dass Aufklärung relativ ist.

Wir sind nicht links

Trotzdem lässt sich eine Tendenz erkennen, die Hoffnung gibt und mit der beschriebenen Schulproblematik kausal verwoben ist: Die Jugend lenkt zunehmend in Richtung des Konservatismus beziehungsweise Liberalismus. Nicht ohne Grund stellt die Junge Union die mit Abstand größte Parteijugend Deutschlands und die FDP bei der Bundestagswahl 2021 die stärkste Kraft unter den Erstwählern.

Das lässt sich wie folgt erklären:

1. Das Rebellieren ist ein tiefes Bedürfnis und fester Bestandteil der Jugend. Das war schon bei den alten Griechen so und wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern. Gaukelt mir ein Erwachsener, der zudem noch im Denken und Auftreten links der wahrgenommenen Gesellschaftsnorm steht, mit erhobenem moralischen Zeigefinger seine aus der Tagesschau aufgeschnappten Floskeln vor, so ist alles, aber niemals Zustimmung vorprogrammiert. Tritt an Stelle des Erwachsenen die ohnehin von Jugendlichen ungeliebte und gern verhöhnte Lehrkraft, verstärkt sich jenes Bedürfnis zur Rebellion nur noch mehr.

2. Der linken Weltsicht wird die Selbstaufklärung und damit die individuelle Meinungsbildung zum Verhängnis. Kant: „Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende [...] finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden.“

Oder hat man einfach bei mir versagt?

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