Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Peter Sloterdijk wird heute 70 Jahre alt / picture alliance

Peter Sloterdijk - „Das kann nicht gut gehen“

Peter Sloterdijk, der philosophische Meisterlehrer, wird 70 Jahre alt. Im Februar 2016 haben wir uns mit ihm über Angela Merkel, Migration und das Regiment der Furcht unterhalten. Das Interview machte Furore, zu seinem Geburtstag veröffentlichen wir es hier noch einmal

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

So erreichen Sie Alexander Kissler:

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Herr Sloterdijk, in Ihrem Buch über „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ steht der Satz, Macht sei „das Vermögen, die Tatsachen in die Flucht zu schlagen“. Ist es falsch, bei dieser Definition an die Kanzlerin zu denken und ihre Flüchtlingspolitik?
Peter Sloterdijk: Derzeit melden sich die Tatsachen energisch zurück. Die Macht scheint auf der Flucht vor ihnen. Die Tatsachen sind die Jäger und die Mächtigen die Gejagten. Auf der Flucht waren in der Silvesternacht in Köln Frauen. Sie wurden, wie es die Polizei formuliert, von „nordafrikanischen Straftätern“ belästigt, die ihrerseits Flüchtlinge und Asylbewerber waren. Ich hielt die Vorkommnisse zunächst für einen interkulturellen Silvesterscherz. Es ist nicht unüblich, an Silvester wildfremde Menschen zu umarmen und zu küssen. Einige Ausländer wollten davon profitieren – dachte ich zuerst. Silvester ist ein Tag, an dem man bei uns mit Freundlichkeiten gegen Unbekannte unsortiert umgeht. Wer nicht hier zuhause ist, könnte glauben, Europäerinnen seien niedrigschwellig zugänglich.

Es kam zu Vergewaltigungen.
Die Dynamik der Kölner Szene kam mir, wie den meisten, erst nachträglich vor Augen. Sie ist objektiv noch immer nicht ganz geklärt. Zuerst lag die Zahl der Anzeigen in der Größenordnung von einigen Dutzend, aufgrund von abscheulichen Szenen, ohne Zweifel. Die ersten Opfer haben die Vorfälle kurzfristig zur Anzeige gebracht. Der Schock reichte so tief, weil emanzipierte Frauen in die Situation von Freiwild zurückversetzt wurden, wie nach einem verlorenen Krieg. Freunde aus Osteuropa, die mit Bandenüberfällen Erfahrungen gemacht haben, schilderten mir, wie grauenvoll es ist, wenn man von Kriminellen eingekreist wird. Verabredete Bedränger aus Nordafrika haben unzweifelhaft die gleiche schockierende Wirkung. Einige Dutzend Frauen auf dem Vorfeld des Kölner Doms gaben Zeugnis vom Terror solcher Umkreisungen. Wenn inzwischen circa 700 Anzeigen eingegangen sind, gibt es Grund, über die Dynamik der Verzögerung nachzudenken.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.