Patricia Schlesinger im Zeit-Interview - Schlussstrich mit Hindernissen

In einem Interview versucht die ehemalige ARD-Vorsitzende und Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger einen Schlussstrich wenigstens unter die öffentliche Debatte um ihre Person zu ziehen. Unabhängig davon, welche Version über die RBB-Affäre nun näher dran ist an der Realität, lässt sich gleichwohl feststellen: Schlesinger allein ist nicht das Problem, sondern ein öffentlich-rechtlicher Apparat, der zu links, zu groß, zu teuer ist – und endlich renoviert gehört.

Ex-RBB-Intendantin Schlesinger / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Es fühlte sich an wie das Nachladen eines Gewehrs, das auf mich gerichtet war“, sagt Patricia Schlesinger in einem ausführlichen Interview mit der Zeit, die zu so etwas wie dem größten Pseudo-Buße-Blatt der Republik für in der Gunst gefallene Medienmacher geworden ist. Das Muster bei Schlesinger, der ehemaligen ARD-Vorsitzenden und Ex-RBB-Intendantin, die mit eingangs erwähntem Zitat ihre Gemütslage angesichts der Berichterstattung rund um ihre Person in den vergangenen Wochen beschreibt, ist nämlich das gleiche wie dereinst bei Ex-Bild-Chef Julian Reichelt.

Hohe Medienperson steht massiv in der Kritik, taucht kurzzeitig ab und meldet sich dann im Gespräch mit der Zeit zurück, um in Sachen Imagepflege zu retten, was noch zu retten ist, ein bisschen Reue zu zeigen – aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen – und nicht zuletzt wohl mit dem Wunsch, irgendwie einen Schlussstrich unter wenigstens die öffentliche Debatte um die eigene Person zu ziehen. Sozusagen als letzte Offensive, bevor es still wird auf dem großen Schlachtfeld. 

Man könnte Schlesinger fast dankbar sein

In gewisser Weise hat Schlesinger sogar Recht mit dem, was sie da über das Gewehr sagt, das seit Juni auf sie gerichtet sei. Denn die Affäre um von ihr über den RBB abgerechnete Abendessen, einen teuren Dienstwagen mit Massagesitz und den Vorwurf, Schlesinger habe ihre Stellung ausgenutzt, um ihrem Mann, einem ehemaligen Spiegel-Journalisten, einen lukrativen Beraterauftrag zuzuschanzen, schlägt seit Wochen hohe Wellen – inklusive Domino-Effekte.

Denn längst stehen weitere Verantwortliche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch außerhalb des RBB, in der Kritik. Teils wegen der Affäre Schlesinger, teils unabhängig davon. Wie jüngst etwa die Technik-Direktorin des Bayerischen Rundfunks wegen einer Dienstwagen-Regelung. Oder der NDR, weil, so der Vorwurf, eine Redaktionsleitern kritische Berichterstattung aus persönlichen Motiven verhindert haben soll. Insofern könnte man Schlesinger fast dankbar sein für ihre (möglichen) Verfehlungen, weil jetzt offensichtlich etwas genauer hingeschaut wird, was man in den Rundfunkanstalten eigentlich so treibt mit den Gebühren-Milliarden und wie es im maroden System wirklich bestellt ist um die vielbehauptete journalistische Unabhängigkeit. 

Puzzlestück für Puzzlestück

Auch Cicero hat mehrfach über die Affäre Schlesinger und ihre Auswirkungen berichtet, zuletzt am 29. August über das Systemversagen bei der ARD. Am Anfang aber standen Recherchen des Springer-Mediums Business Insider, das Ende Juni mit ersten Vorwürfen gegen Schlesinger an die Öffentlichkeit gegangen war und anschließend nicht nachgelassen hatte, weitere Details ans Licht zu bringen.

Flankiert von anderen Journalisten und Medien ist so Puzzlestück für Puzzlestück ein Gesamtbild offenbar geworden, das manch Beobachter zu der Erkenntnis gebracht haben mag, dass es besser wäre für alle Beteiligten, vor allem den Gebührenzahler, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner heutigen Form komplett einzustampfen und neu und ganz anders aufzubauen. 
 

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Schlesinger jedenfalls, das macht sie im Interview mit der Zeit deutlich, will sich keiner Schuld bewusst sein. Die über den RBB abgerechneten Abendessen bei ihr Zuhause kommentiert sie so: „Alle Gäste haben die gleiche Einladung bekommen. Darin stand nichts von einem Abend unter Freunden, geschweige denn von einer Wohnungseinweihung, davon war definitiv nicht die Rede.“ Und zum Dienstwagen mit Massagesitz sagt sie: „Ich habe den Wagen nicht selbst konfiguriert. Ich brauche keine Massagesitze, das ist für mich überflüssiger Klimbim.“

Den großzügigen Rabatt durch Audi wiederum habe sie erstens nicht selbst ausgehandelt, so Schlesinger weiter, und der sei zweitens „allein dem RBB zugute (gekommen), und das Auto wurde zum regulären Listenpreis versteuert“. Italienisches Eichenparkett im Büro: „Ich habe gesagt, ich möchte gern Holzboden haben. Dass das italienisches Eichenparkett sein würde und wie teuer es würde, wusste ich nicht.“ Und der Beraterauftrag für den Ehemann: „Aus heutiger Sicht wünsche ich mir, ich hätte meinen Mann gebeten, den Auftrag nicht anzunehmen. Andererseits habe ich keine Compliance-Regeln verletzt.“ Also keine Panik auf der Titanic? 

Zu links, zu groß, zu teuer

Nun ist es freilich Schlesingers gutes Recht, mit ihrer Version dieser Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch, wenn die Erzählung von einer Art Komplott gegen sie ein bisschen sehr konstruiert wirkt („Offensichtlich gibt es da einige, die eng mit mir zusammengearbeitet haben und die zum Teil gar nicht gut fanden, was wir auf den Weg gebracht haben“). Und auch, wenn sie es sich mit ihren Erklärungsversuchen, wie es zu diesem Skandal kommen konnte, deutlich zu einfach macht. Denn freilich trägt eine Chefin auch dann die Verantwortung, wenn eigentlich ein oder zwei Ebenen darunter versagt wurde, zum Beispiel beim Eichenparkett. 

Doch sei's drum. Denn gleichwohl sollte in dieser Debatte eines nicht vergessen werden: Unabhängig von der Frage, ob all das, was Schlesinger vorgeworfen wird, nun ganz oder zumindest teilweise den Tatsachen entspricht; unabhängig davon, wie sich manches drumherum erzählen und interpretieren lässt. Das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist keines einer einzelnen Person oder einer kleinen Riege von Verantwortlichen, sondern ein ganzheitliches, das sich nach wie vor auf die Formel bringen lässt: zu links, zu groß, zu teuer. Der Fall Schlesinger ist, unabhängig vom Ergebnis, daher nur ein Symptom, nicht die Krankheit selbst, die es zu behandeln gilt. 

Affäre Schlesinger nur ein Symptom

Zu links, zu groß, zu teuer: Es ist ein Dreiklang, der auch dann nicht einfach verstummen wird, wenn der Fall Schlesinger irgendwann zu den Akten gelegt ist und die letzten Scherbenhaufen beim RBB durch die neu gewählte Übergangsintendantin Katrin Vernau zusammengekehrt sind. Eine Wahl ohne Gegenkandidatin übrigens, was in Sachen öffentlicher Wahrnehmung nicht sonderlich klug war. Mehr noch aber ist die Gefahr offensichtlich, dass rund um die aktuelle Affäre zwar das ein oder andere Exempel statuiert wird, man hinterher aber genauso weitermacht wie bisher. Schließlich wäre es dann ein Einfaches, sich beim nächsten Skandal auf die Position zurückziehen, der Umgang mit der Affäre Schlesinger habe doch gezeigt, dass man kritik- und aufarbeitungsfähig sei. Und der nächste Skandal, der kommt beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk so sicher wie das Amen in der Kirche. 

Was also wäre nun angezeigt? Erstens, dass das gesamte öffentlich-rechtliche System renoviert und dabei deutlich verkleinert wird. Dafür sind allerdings nicht ARD, ZDF und Deutschlandradio zuständig, sondern die politisch Verantwortlichen in den jeweiligen Bundesländern, da auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk föderalistisch organisiert ist. Zweitens, dass es an den Intendanten wäre, künftig stärker darauf zu achten, dass Gebührengelder nicht zum Fenster rausgeschmissen werden, weil das gar nicht gut ankommt im Land. Und drittens, dass sich die öffentlich-rechtlichen Redaktionen wieder bewusst werden, dass sie einen Informations-, keinen Erziehungsauftrag haben. Ein hehrer Wunsch, ja, aber es geht in der Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eben auch um deutlich mehr als Massagesitze und Eichenparkett. Nämlich um den letzten Hauch von Hoffnung, das Vertrauen in selbigen wieder herstellen zu können. 
 

Hören Sie zum Thema Medien auch den Cicero-Podcast mit Ex-Bild-Chef Julian Reichelt

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