KI-Sprachmaschinen und ihre Bedrohung für die Demokratie  - Ein Comeback des Großen Bruders 

KI-Sprachmaschinen wie ChatGPT erleichtern nicht nur das Schummeln an Schulen und Universitäten. Viel gravierender ist die Möglichkeit zur Manipulation des digitalen öffentlichen Raumes. Am Ende könnte die aktive und kritische Bürgerdemokratie selbst zur Disposition stehen.

Die nächste disruptive Innovation: Chatbots wie ChatGPT / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

So erreichen Sie Mathias Brodkorb:

Anzeige

Vor gerade einmal zwei Monaten wurde ChatGPT, eine mächtige Sprachmaschine, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mittlerweile verfügt der Online-Service über 100 Millionen aktive Nutzer und ist damit eines der am schnellsten wachsenden Internetangebote überhaupt. Kein Wunder, dass nun die Entwicklung des Systems beschleunigt wird. 

Microsoft hat angekündigt, dem Betreiber von ChatGPT 10 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, um dessen Weiterentwicklung zu unterstützen und die Technologie in die eigenen Cloud-Dienste zu integrieren. Außerdem plant die Entwicklerfirma OpenAI, selbst in den Markt einzusteigen, indem sie den Zugang zum störungsfreien Gebrauch des Online-Dienstes für 20 US-Dollar monatlich anbietet (nur in den USA). 

ChatGPT hat bereits Schulen und Universitäten in Deutschland verunsichert. Wo man jahrzehntelang diskutiert hat, ob Hausaufgaben noch zeitgemäß oder ob sie überholt sind, hat sich diese Debatte im schriftlichen Bereich endgültig erledigt. ChatGPT kann in Sekunden Gedichte schreiben oder Aufgaben jeglicher Art bewältigen, von der Romaninterpretation über eine Zusammenfassung von Immanuel Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ bis hin zur Lösung mathematischer Probleme. 

Beispiel: Für die Lösung folgender Aufgabe braucht ChatGPT drei Sekunden. 

Aufgabe:  

Ist das Dreieck mit den Seitenlängen a, b und c rechtwinklig? a=3 cm, b=4 cm, c=5 cm 

Lösung: 

Ja, das Dreieck mit den Seitenlängen a=3 cm, b=4 cm und c=5 cm ist rechtwinklig. 

Dies kann anhand des Satzes von Pythagoras überprüft werden. Der Satz von Pythagoras besagt, dass in einem rechtwinkligen Dreieck die Summe der Quadrate der Längen der beiden Katheten gleich dem Quadrat der Länge der Hypotenuse ist: 

a^2 + b^2 = c^2 

In diesem Fall gilt: 

3^2 + 4^2 = 9 + 16 = 25 = 5^2 

Dies beweist, dass das Dreieck mit den Seitenlängen a=3 cm, b=4 cm und c=5 cm rechtwinklig ist. 

Künstliche Intelligenz könnte ausgerechnet die Hochqualifizierten arbeitslos machen

Aufgrund der Digitalisierung könnte sich die Arbeitswelt durch Dienste wie ChatGPT drastisch verändern. Bisher galten vor allem Niedrigqualifizierte als gefährdet, arbeitslos zu werden, aber nun könnte es ausgerechnet die Hochqualifizierten treffen. 

Mit ChatGPT können nicht nur Texte auf Fehlerfreiheit und sprachliche Eleganz überprüft, sondern auch Nachrichten und Texte für Hausarbeiten oder öffentliche Vermerke erstellt werden. ChatGPT analysiert dafür eine nahezu unendliche Anzahl an Internetquellen und kondensiert sie zu einem scheinbar soliden Wissen. 

Fake und Wirklichkeit sind daher im Grunde nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Zwar hat sich eine Gruppe von Wissenschaftlern der Stanford University mit „DetectGPT“ an der Programmierung eines ChatGPT-Enthüllungsdienstes versucht. Aber der scheitert bisher in der Praxis kläglich. Regelmäßig hält er Texte, die von ChatGPT stammen, für von Menschen produziert. 

Überraschen kann das indes nicht. Ausdrücklich erklären dessen Erfinder, dass sie die Frage „Fake oder Wirklichkeit?“ mit ausschließlich statistischen Mitteln aus dem System selbst beantworten wollen. Das allerdings läuft auf einen Zirkel hinaus: Erst wird ChatGPT an tatsächlich vorhandenen Daten auf ein „Durchschnittsmodell“ trainiert, um es dann sogleich als Referenz für die Beurteilung einzelner eingegebener Texte zu benutzen. Testsystem und Proben unterliegen somit derselben Logik. Das kann nicht funktionieren. 

Auch China will einen Chatbot auf den Markt werfen

Aber nur, weil man Fake und Wirklichkeit nicht mehr voneinander unterscheiden kann, heißt das nicht, dass sich mit Fakes kein Geld verdienen lässt. Und so sprießen immer mehr KI-Maschinen aus dem Boden.  

Der Deutsche Richard Socher zum Beispiel versucht mit you.com nicht nur, eine bessere Suchmaschine aufzubauen, als es Google ist. Auch er hat inzwischen seine Chatbot-Software auf den Markt geworfen.  

Die ist nicht so ausgefeilt und sprachmächtig wie ChatGPT, hat dafür aber zwei Vorteile: Sie bezieht auch stets aktuelle Texte aus dem Internet mit ein und legt vor allem über die referierten Quellen Rechenschaft ab. Für Studenten ist es daher besonders reizvoll, beide Chat-Maschinen kombiniert zum Einsatz zu bringen, um bei schriftlichen Hausarbeiten eigene Leistungen zu simulieren. 

 

Mehr von Mathias Brodkorb:

 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit blickt die Welt des Internets daher auf ihre nächste disruptive Innovation. Aber es geht nicht nur um Schummeleien in Schule und Hochschule, nicht nur um die mögliche Revolutionierung der Arbeitswelt. Am Ende geht es um Macht und Politik im 21. Jahrhundert. Mittlerweile hat auch der chinesische Internetsuchdienst Baidu angekündigt, im Frühjahr einen Chatbot auf den Markt zu werfen.  

Dazu passt, dass die chinesische Führung erst jüngst verkündet hat, die Entwicklung „Künstlicher Intelligenz“ zu einem Schwerpunkt ihrer Wirtschaftspolitik entwickeln zu wollen. Dieser Bereich wird sich voraussichtlich zu einer der zentralen Ressourcen im Wettbewerb der Gesellschaftssysteme zwischen China und den USA etablieren, während Europa zuguckt. Mit einer bisher ungeahnten Möglichkeit der Manipulation des digitalen öffentlichen Raumes sind auch und gerade Fragen politischer Herrschaft berührt. 

Es gehört zur Funktionsweise von Algorithmen, Konformismus zu erzeugen

Dabei dürfte die Logik der Systeme den Chinesen sehr zupass kommen: Es gehört zur Funktionsweise von Algorithmen, Konformismus zu erzeugen. Existent ist für sie nur das, was über statistische Relevanz verfügt. Das Infragestellen des Selbstverständlichen, die Abweichung vom Mainstream ist bloß ein störendes Artefakt. Mächtige Chatbots erweisen sich so als die wunderbar sanfte Ergänzung totalitärer und illiberaler Systeme.  

Aber genau von den Störfaktoren lebt umgekehrt die westlich-liberale Demokratie. Nicht die ubiquitäre Schummelei an Schulen und Hochschulen ist daher das eigentliche Problem der Zukunft, sondern der damit verbundene Verlust an eigenständigem Denken. Nicht nur das Schwinden kognitiver Kompetenzen bei künftigen Generationen steht zu befürchten, sondern zugleich der schrittweise Verlust sachlich begründeter politischer Mündigkeit. 

Sprachsysteme wie ChatGPT könnten daher am Ende auf die Wiedergeburt des Großen Bruders hinauslaufen, nur auf ziemlich subtile Art und Weise. Er wird nicht als Zwangsmittel auf die Menschheit losgelassen. Sie führt ihm vielmehr freiwillig jene Nahrung zu, mit deren Hilfe die konformistische Einhegung der Massen erst gelingen kann. Am Ende könnte damit nichts anderes zur Disposition stehen als eine aktive und kritische Bürgerdemokratie, die diesen Namen noch verdient. Vielleicht blicken wir auf die Sinisierung Europas durch die Hintertür. 

Bisher hat die Politik keine Antwort auf diese mögliche Bedrohung der Demokratie. Bisher stellt sie nicht einmal die dafür nötigen Fragen. 

Warnung: Erhebliche Teile einschließlich der Überschrift dieses Textes stammen in der Endfassung nicht vom Autor, sondern ChatGPT. Der Chatbot hat hierzu folgende Anweisung ausgeführt: „Dies ist ein Artikel. Formuliere ihn auf Deutsch sprachlich neu. Er soll fehlerfrei und sprachlich elegant sein. Wenn Du es für nötig hältst, kannst Du Fakten und Argumente ergänzen.“ 

Anzeige