Klima-Debatte bei „Hart aber fair“ - „Die Region ist auch schön ohne Schnee“

Bei „Hart aber fair“ wird über den Klimawandel und den politischen Umgang damit diskutiert. Moderator Louis Klamroth steht unter besonderer Beobachtung wegen seiner Liaison mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer – und zeigt, dass er trotzdem Klima-Debatte kann.

Moderator Klamroth (r.) mit Gästen / Screenshot
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Ein bisschen unangenehm ist das schon. Ein vergleichsweise junger Moderator und Schauspieler unterschreibt einen Vertrag für die Moderation einer der populärsten Polit-Talkshows der Bundesrepublik, macht also einen ganz entscheidenden Karriereschritt, und dann wird hitzig diskutiert, mit wem er das Bett teilt. Sogar im Rundfunkrat

Ob Louis Klamroth beneidet werden kann für seinen neuen Job, das sei einmal dahingestellt. Nicht zu beneiden war und ist er dafür, dass sich Klamroth zum Start (s)einer neuen Ära bei „Hart aber fair“ erstmal erklären musste, wie sich das mit den Anspruch der Neutralität an ihn denn ausgehen soll mit seiner Beziehung zur Klimaaktivistin Luisa Neubauer. 

So schnell geht’s. Eben noch knallten die Korken, weil Karriere, dann ruft vielleicht die Bunte an oder die Gala. Überliefert ist das nicht. Aber zumindest in den sozialen Medien und insbesondere im ÖRR-kritischen Spektrum gab es einiges an Aufregung um Louis und Luisa; um die Frage, inwiefern Klamroth die Unabhängigkeit wahren und sich zumindest beruflich lösen kann von dieser Liaison. Wenn Sie mich fragen, ist die Aufregung etwas drüber. Wo die Liebe hinfällt. Aber für Klamroth heißt das dennoch: Wann immer es bei „Hart aber fair“ um die drohende „Klimaapokalypse“ gehen wird, steht er etwas mehr unter Beobachtung als sonst. 

Die Klimakrise und der Alltag

Gut möglich, dass Klamroth vor seiner jüngsten Sendung also eine Ansage bekommen hat. Von oben, wer auch immer dieses „oben“ dann repräsentiert; ob zwischen Tür und Angel oder bei einer Halbkrisensitzung, zwei Stunden am Nachmittag, mit Kaffee und Gebäck. Denn das Thema seiner jüngsten Sendung lautete: „Letzte Abfahrt: Wie verändert die Klimakrise Alltag und Leben?“

Freilich war nicht Luisa Neubauer zu Gast. Aber dafür eine gewisse Aimée van Baalen von der „Letzten Generation“. Man darf sicher sein, dass dies in irgendeiner Form ein Kompromiss war. Jemand so ganz direkt von Fridays for Future: wegen Neubauer schwierig. Aber jemand von der „Letzten Generation“, der respektive die bei Fridays for Future angefangen hat: gut, das geht sich aus, dachte sich die Redaktion. Und so bekam am Montagabend eine junge Frau, Jahrgang 1999, ein Podium, die mir in Zusammenhang mit der Klimadebatte noch nie untergekommen ist. Aber das muss auch nichts heißen. 

Louis Klamroth liefert

Mit von der Partie waren außerdem die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle, der Moderator und ARD-Wetterexperte Sven Plöger sowie Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Will noch einer sagen, die Polit-Talks im deutschen Fernsehen würden nicht mehr ausgewogen besetzt.

Bei der Gästeliste hat sich die Redaktion von „Hart aber fair“ also ausreichend Gedanken gemacht. In dem Wissen sicherlich, dass ein offensichtlich unausgewogenes Podium direkt zu Kritik geführt hätte, und von Kritik an der Gästeliste wäre es dann nicht mehr weit gewesen zur Kritik am Moderator und seinem Privatleben. In der Sendung selbst lag es aber dann freilich an Klamroth allein, zu zeigen, wie er mit all dem umgeht – und Klamroth hat geliefert. Dazu gleich mehr. 

Schneebedeckte Dächer im Januar

Aufhänger der Sendung war die Schneesituation in den Alpen. Im Dezember und Januar war die Aufregung noch groß. Überall waren Bilder zu sehen von grünen Hängen, wo eigentlich hätte Schnee liegen müssen, meinten die Urheber. Das war ein bisschen populistisch. Schauen Sie: Ich wohne in München. Und was ich weiß, ist, dass wir in Bayern im Winter Phasen haben, in denen Schnee fällt, und Phasen, in denen kein Schnee fällt.

 

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Während, um mal ein Beispiel zu nennen, im Januar 2023 etwa beklagt wurde, dass kein Schnee fällt, kapitulierten meine Lebensgefährtin und ich im Januar 2019 noch vor dem „Schneechaos in Bayern“, als es auf dem Scharnitzpass auf 955 Höhenmetern nicht mehr weiterging mit dem Auto. Das war kein Winterwunderland, sondern Winteralbtraumland damals. Deshalb rückte zu der Zeit sogar die Bundeswehr nach Garmisch-Partenkirchen und anderswo hin aus, um vom Einsturz gefährdete schneebedeckte Dächer zu räumen: „Katastrophenfall“. 

Will sagen: Es macht freilich Sinn, über die Auswirkungen des Klimawandels zu diskutieren, aber immer alles als Folge des Klimawandels zu etikettieren, wenn punktuell nicht auftritt, was in der eigenen Vorstellung auftreten soll, ist halt auch ein bisserl schwierig. Denn die Natur funktioniert so nicht, schon gar nicht in den Alpen, auch wenn das klimasensible Redakteure in Berlin glauben wollen, damit anschließend die Schlagzeile passt. Aber zurück zu „Hart aber fair“. 

Wetter und Klima miteinander zu tun

Was bedeutet der Klimawandel für den Schneefall in den Alpen? Was bedeutet er für den Ski-Tourismus? Und welche Auswirkungen hat er also auf die Wirtschaft jener Regionen, die vom Ski-Tourismus abhängig sind? „Wir hatten im Januar einen Blick in die Klimazukunft“, so ARD-Wetterexperte Plöger, denn im Durchschnitt werde der Schnee eben weniger, weil der Planet insgesamt wärmer werde: „Wetter und Klima hat miteinander zu tun.“ Plöger kritisierte etwa, dass man in manchen Regionen bereits zu sehr gegenhalten müsse mit Kunstschnee, was wiederum viel Strom und Wasser koste: „Auf Dauer schadet das der Umwelt.“

„Es ist auf jeden Fall eine bedrohliche Situation“, so CDU-Politikerin Connemann mit Blick auf die (künftige) wirtschaftliche Situation der Ski-Tourismusgebiete. Auf das Skifahren an sich zu schimpfen, sei gleichwohl eine „Suche nach einem Sündenbock“. Es sei richtig, die Betriebe zu unterstützen, neue Wege zu gehen. „Verzicht oder Verbote sind hier nicht die Antwort.“ Man müsse den Skibetrieben vielmehr zugestehen, findet Connemann, dass sie beispielsweise mit neuen Technologien auf die sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren. Dafür gab es den ersten Applaus des Publikums. 

Kein Abgesang auf den Ski-Tourismus

Klimaaktivistin van Baalen war das letzte Mal in der sechsten Klasse im Ski-Urlaub, berichtete sie bei „Hart aber fair“. Als sie ausholen wollte beim Thema, um Gesellschaftsräte für den Umgang mit dem Klimawandel zu fordern, hakte Klamroth direkt ein. Er habe eine konkrete Frage gestellt, nämlich, ob van Baalen es falsch finde, dass etwa Kunstschnee zum Einsatz komme. So ganz wollte sich die Klimaaktivistin hier nicht positionieren. Aber klar wurde sofort: Klamroth hat sich vorgenommen, kritisch nachzufragen; auch bei einer jungen Frau, die die Welt ähnlich betrachtet wie seine Lebensgefährtin. 

Konstantin Kuhle von der FDP wollte derweil keinen Abgesang auf den Ski-Tourismus machen, erinnerte aber daran, dass alternativ auch Wanderurlaub in den niedrigeren Lagen im Winter gemacht werden könne und dass man sich überlegen müsse, wann es sich noch rentiert, künstlich zu beschneien. Über seinen Wahlkreis südwestlich des Harz sagte Kuhle: „Die Region ist auch schön ohne Schnee.“ 

Und VDA-Präsidentin Müller plädierte dafür, dass man differenzieren müsse in der Debatte; dass man den Klimawandel nicht leugnet, aber sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein könne, wie die richtigen Konzepte aussehen, auch bei der Mobilität. Müller: „Wir sind in der größten Transformation in der Geschichte, seitdem das Auto erfunden wurde.“ Es sei ein „festes Versprechen“ der Automobilindustrie, „klimaneutral“ zu werden. Außerdem wolle man einen „Wertbeitrag“ leisten, indem man Technologien entwickle, die weltweit gegen den Klimawandel helfen. 

Tempolimit 120 auf der Autobahn

Es dauert 23 Minuten, bis sich Klimaaktivistin Aimée van Baalen von alleine in die Debatte einklinkt. Getriggert hat sie die Tempolimit-Diskussion, die eine zentrale Forderung der „Letzten Generation“ ist. Ein solches könne viel CO2 einsparen, so van Baalen, sieben Millionen Tonnen bei Tempo 120. „Wir sind in einer Klimakatastrophe. Hier geht es nicht nur ums Skifahren, hier geht es um das Leben von Menschen; und zwar Milliarden von Menschen.“ Daher müsse man alles umsetzen, was umsetzbar sei. Wenn selbst die einfachsten Maßnahmen nicht umgesetzt würden, hätte die junge Generation aber kein Vertrauen in die Politik. 

„In jeder Stadt, in jedem Dorf“ (Zitat aus einem Einspieler) will die „Letzte Generation“ künftig blockieren und stilllegen, kündigten die Aktivisten jüngst an. „Ist Ihnen das egal, ob da ein Tanklaster fährt auf der Straße oder jemand zum Arzt?“, fragt Klamroth van Baalen. Nein, sagt van Baalen unterm Strich, aber die Politik, die liefere halt nicht. Kuhle wirft ein, dass die „Letzte Generation“ durch ihre Aktionen gleichwohl keinen „Konsens“ in der Gesellschaft für den Kampf gegen Klimawandel schaffe. Dabei sie die in den vergangenen Jahren ohnehin viel sensibler geworden bei dem Thema, er selbst inklusive. 

84 Prozent der Deutschen geben an, die Aktionen der „Letzten Generation“ falsch zu finden, zitierte Klamroth eine Umfrage später in der Sendung, und fragte van Baalen, ob es nicht sinniger wäre, Mehrheiten hinter sich zu bringen, anstatt „Sympathien ganz offensichtlich zu verspielen“. Van Baalen kam hier in Erklärungsnot, vermischte die Kritik am Protest mit der Zustimmung der Bevölkerung, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Es ist der typische Denkfehler der Aktivisten, die glauben, der Zweck heilige die Mittel. 

Na hoppla! 

Wegen mir können wir gerne Tempo 120 auf der Autobahn machen, oder Tempo 100. Das ist schnell genug. Ob das tatsächlich so wirkungsvoll ist im Kampf gegen den Klimawandel, wie van Baalen und andere behaupten, das kann ich nicht beurteilen. Und wegen mir können wir die Diskussion um eine mögliche Befangenheit von Louis Klamroth bei Klima-Themen nach dieser Sendung auch gerne ad acta legen. Denn Klamroth fragte nicht weniger kritisch bei van Baalen nach als bei den anderen Gästen; fragte van Baalen gar, ob sie mit ihrer Idee eines „Gesellschaftsrates“ die parlamentarische Demokratie abschaffen wolle. Na hoppla!

Außerdem hatte Klamroth die Diskussion insgesamt sehr gut unter Kontrolle, hakte verlässlich ein, wenn diese abzuschweifen drohte, etwa in Richtung Atomenergie-Debatte. Das sei Thema für eine andere Sendung, so der Moderator. Klamroth scheint seine Rolle zu finden. Dass dies ausgerechnet bei einer Klima-Diskussion offensichtlich wird, spricht für sich – und für Klamroth als Nachfolger von Frank Plasberg. Mehr noch: Wenn Sie mich fragen, war dies eine der besten „Hart aber fair“-Sendungen der vergangenen Monate, weil wirklich diskutiert wurde, nicht nur Standpunkte formuliert. Was wohl Luisa Neubauer dazu sagt? 

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