Pipeline sprengen - Luisa Neubauer und die Tücken der Ironie

Sie sei missverstanden worden, verteidigt sich Umweltaktivistin Luisa Neubauer. Ihr Instagram-Post („natürlich denken wir darüber nach, eine Pipeline zu sprengen“) sei Ironie gewesen. Aber das stimmt allenfalls auf den ersten Blick. Tatsächlich ist der Post eine verspielte Drohung mit Gewalt. Das Auftreten einer grünen RAF ist nur eine Frage der Zeit.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Mit der Ironie, das ist ja so eine Sache. Im Grunde handelt es sich um eine sprachliche Stilfigur, die überlegenen Spott signalisieren soll, indem man das Gegenteil dessen sagt, was man eigentlich sagen will. Etwa indem man eine misslungene Handlung lobt – „das war ja großartig“.

Eben weil es zur Ironie gehört, das Gegenteil dessen zu sagen, was man eigentlich sagen möchte, hat die Ironie auch ihre Tücken. Man kann schnell missverstanden werden. Etwa wenn man ungeschickt formuliert. Entsprechend haben sich schlaue Leute schon immer Gedanken darüber gemacht, wie man Ironie am besten beschreiben und definieren kann.

Der römische Rhetor Quintilian etwa schrieb in seinem Standardwerk über die Ausbildung des Redners: Die Ironie „erkennt man entweder am Ton, in dem sie gesprochen wird, oder an der betreffenden Person oder am Wesen der Sache; denn wenn etwas hiervon dem gesprochenen Wortlaut widerspricht, so ist es klar, dass die Rede etwas Verschiedenes besagen will“.

Geplante Erdöl-Pipeline in Afrika

Das klingt eindeutig. Ist es aber nicht. Jüngstes Beispiel: Die Überlegungen des Umweltaktivistin und Fridays-for-Future-Vorzeigefrau Luisa Neubauer. Die verkündete Anfang der Woche via Instagram, eine Pipeline sprengen zu wollen: „And of course we‘re thinking about how to blow up a pipeline (the largest crude oil pipeline in the world)“.

Das geschah am Rande einer Klimakonferenz in Kopenhagen in deren Zusammenhang auch über die sogenannte EACOP-Pipeline gesprochen wurde. Die ist erst in der Planung, soll aber in Zukunft Erdöl von einem Feld in Uganda bis an die Küste von Tansania befördern. Die Pipeline ist umstritten, wie das heutzutage heißt, nicht nur weil in der Pipeline Erdöl fließen soll, sondern auch weil das entsprechende Ölfeld in einem der ältesten und größten Nationalparks der Region liegen würde. So viel zum Hintergrund.

Punkt für Luisa Neubauer

Da die Pipeline allenfalls auf den Karten von Vermessungsingenieuren existiert, gibt es da wenig in die Luft zu sprengen, so viel ist klar. Und Luisa Neubauer hat sich nach dem Sturm der Entrüstung, den ihr Posting hervorrief, auch entsprechend geäußert. Das alles sei nicht so gemeint gewesen und ohnehin Ironie, schließlich gäbe es die Pipeline ja noch gar nicht.

Keine Frage: Punkt für Luisa Neubauer. Sie spielt auf das an, was Quintilian unter „Wesen der Sache“ fasste. Etwas ist ironisch, wenn es gar nicht gemeint sein kann. Und eine nicht existierende Pipeline kann man nicht sprengen.

Verweis auf radikalen Klimaaktivisten

Bleiben die beiden anderen Aspekte: Person und Tonfall. Nun ist Luisa Neubauer, was immer man von ihr halten mag, bisher sicher nicht durch eine besondere Gewaltaffinität aufgefallen und ihr einnehmendes Äußeres entspricht auch nicht unbedingt dem eines Hooligan. Und zur Tonlage lässt sich wenig sagen, man muss sich an das geschriebene Wort halten. Doch genau hier beginnt es problematisch zu werden.

Denn Worte stehen nicht einsam in der Sprachlandschaft. Worte sind immer in einem Kontext, in einem konkreten Sprechnetzwerk zu betrachten. Hier bekommen sie ihre Bedeutung. „Jesus Maria, es ist ein Buch“ twitterte Neubauer als Reaktion auf die Kritik an ihre Äußerung und verwies damit selbst auf das Buch „How to Blow up a Pipeline“ des radikalen schwedischen Klimaforschers und Ökoaktivisten Andreas Malm. Der fordert seit Jahren eine Radikalisierung der Klimaschutzbewegung und spricht sich in diesem Zusammenhang mit Nachdruck für Sabotage und Gewalt gegen Sachen aus.

Die Konnotation ist überdeutlich

Vor diesem Hintergrund bekommt Luisa Neubauers Äußerung allerdings einen ganz anderen Spin: Sie zitiert den Titel eines Buches, dessen Grundintension in ihrem politischen Umfeld prinzipiell geteilt wird – wenn vielleicht auch nicht in besagter Radikalität, das spielt aber keine Rolle. Wichtig ist, dass Autor Malm eine anerkannte Autorität im Friday-for-Future-Milieu darstellt, auch bei denen, die seine Gedanken nicht in letzter Konsequenz teilen.

Der Hinweis, ihr Post zitiere nur ein Buch, ist damit hinfällig. Sie spielt vielmehr auf eine ganz Programmatik, eine Ideologie, eine Weltsicht an.
Dadurch wird aus Neubauers Beitrag noch keine Aufforderung zu Gewalt – doch die Konnotation ist überdeutlich. Sie lautet ausformuliert: Wir haben es mit einem Klimanotstand zu tun, der Gewalt gegen Einrichtungen der Energieproduktion oder Energieversorgung zum moralischen Gebot machen kann.

Von ihren Anhängern wird sie richtig verstanden

Nein, Lisa Neubauers Post war keine Ironie, sondern ein Beitrag, der mit dem Mittel der Ironie spielt. Das ist ein feiner, aber entscheidender Unterschied. Der Ausdruck „Ironie“ kommt von dem altgriechischen eirōneía, also der Verstellung oder auch der Vortäuschung. Sie ermöglicht eindeutige Uneindeutigkeit und das unmissverständliche Bekenntnis mit mehrdeutigen Worten.

Lisa Neubauer wird von ihren Anhängern ganz richtig verstanden werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir eine grüne RAF hasserfüllter und opferbereiter Klimaaktivisten erleben werden.

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