Noch ein kaum beachteter Küchen-Star - Sardellen: Kleine Fische mit großem Geschmack

Kürzlich bemühte sich unser Genusskolumnist, Kapern ins verdiente Rampenlicht zu rücken. Doch auch Sardellen fristen hierzulande ein unverdientes Mauerblümchendasein. Das muss sich ändern, findet er, und hat auch ein paar schmackhafte Tipps auf Lager.

Ein wahrer Gaumengenuss: Sardellen / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Vor zwei Wochen habe ich mich an dieser Stelle einer zwar bekannten, aber wenig beachteten Speisezutat gewidmet, den Kapern. Das stieß auf großes Interesse und auch viel Zustimmung. Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl hatte dazu allerdings eine gewichtige Anmerkung, die durchaus als freundliche Mahnung zu verstehen war: „Wer Kapern sagt, muss auch Sardellen sagen!“

Da hat Dr. Kofahl natürlich Recht, denn zwischen diesen beiden Zutaten gibt es einige Gemeinsamkeiten. Zum einen werden sie – vor allem in der italienischen und spanischen Küche – oftmals gemeinsam verwendet. Wie auch Kapern werden Sardellen – jedenfalls in Deutschland – fast ausschließlich in kleinen Gläsern angeboten, als Filets in einer salzig-öligen Lake. Als Synonym wird dafür auch der Name Anchovis verwendet. In einschlägigen Feinkostgeschäften findet man auch trocken eingesalzene Filets – aromatisch definitiv feiner als die eingelegten aus dem Glas.

Als frischer Fisch eher verpönt

Für die ganz Bequemen gibt es natürlich auch noch Sardellenpaste in Tuben. Die eignet sich nicht nur zum Würzen von Soßen, sondern auch als Brotaufstrich. Ein knackiges Mehrkornbrötchen mit Sardellenpaste, belegt mit korsischem Schafskäse und obendrauf ein paar Scheiben Tomate und ein paar Blätter Basilikum ist ein Abendsnack, der ziemlich weit vorne liegt. Und wer mal angeröstetes Weißbrot mit einer selbst zubereiten Sardellenbutter bestrichen hat, wird das mit ziemlicher Sicherheit wiederholen.

Als frischer Speisefisch werden Sardellen hierzulande außerhalb der einschlägigen Zuwanderer-Communities (Türken, Griechen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Kroaten u.a. ) allerdings kaum verwendet. Was eigentlich schade ist, denn gebratene oder gegrillte Sardellen sind in diversen Zubereitungsarten wahre Delikatessen.

Die Sardellen-Vision des Ernährungssoziologen    

Doch dazu später. Zunächst erhält Kofahl das Wort, der aufgrund seiner teilweise italienischen Wurzeln natürlich dafür prädestiniert ist, von Sardellen zu schwärmen. Dabei gilt es zunächst, mit einem weit verbreiteten Irrtum aufzuräumen. Denn die Sardelle ist eben keine kleine Sardine, sondern bildet – wie auch die Sardine –  eine eigene Unterfamilie in der Ordnung der Heringsartigen (Clupeiformes). Kofahl hat eine Vermutung, warum sich sich diese Verkennung der Sardelle als auch geschmacklich eigenständiger Fischart so hartnäckig hält: „Weil es zwar eine Insel namens Sardinien gibt, aber keine namens Sardellien“.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Und er bietet eine Lösung an, die allerdings kurzfristig wohl kaum umsetzbar ist. „Machen wir doch – wo es nun einen gewichtigen Anlass gibt – mit Monaco als Steuerparadies für Superreiche endlich Schluss, und nennen diesen überkommenen Kleinststaat im Zuge seiner politökonomischen Restrukturierung in Principato di Sardella um. Dann hätte die Sardelle ein Fürstenturm, das ihr gebühren würde“. Denn sie sei „köstlich, sie strotzt vor Umami und ihr Verzehr regt auch noch den Durst an“. Da könne dann ein „durch Sardellengenuss angeregter guter Tropfen wohl nur dienlich sein“.

Für den Einstieg ein klassisches Pasta-Gericht

Nach diese kurzen Einführung in die Sardellen-Philosophie kommen wir nun zum praktischen Teil – und landen bei der anfangs erwähnten kongenialen Partnerschaft von Sardellen und Kapern. Klassiker dieses Genres ist ein Pastagericht: Spaghetti alla puttanesca, und zwar in der Variante ohne Speck und ohne längeres Einkochen der Zutaten. Und das machen wir jetzt. Knoblauch, Oliven und Sardellen fein hacken. Chili in feine Ringe schneiden. Tomaten entstrunken (aber NICHT häuten!) und in grobe Stücke schneiden.

Öl in einer beschichteten Pfanne erhitzen, Knoblauch, Sardellen und Chili darin bei nicht zu starker Hitze 3-4 Minuten unter Rühren dünsten, bis die Sardellen zerfallen. Oliven und Tomaten dazugeben und weitere 3-4 Minuten dünsten. Erst ziemlich zum Schluss kommen die abgetropften Kapern dazu. Nur mit Pfeffer abschmecken, keine Kräuter, sonst wird der Geschmack überfrachtet. Derweil haben wir die Spaghetti bissfest gekocht. Die werden nochmal kurz im Topf durch erhitztes Olivenöl gerührt, dann kommt die immer noch stückige Soße dazu, nochmal kurz durchrühren und dann sofort auf möglichst vorgewärmten Tellern servieren. Achtung, hier spricht die Geschmackspolizei: Bei diesem Pastagericht ist es VERBOTEN, geriebenen Parmesan o.ä. darüber zu streuen.

Sardellen mit Pilzen oder frisch vom Grill

Aber mit Sardellen kann man natürlich noch viel mehr machen. Zum Beispiel „Funghi al forno“ mit Austernseitlingen und getrockneten Steinpilzen (die man natürlich rechtzeitig aufweichen muss). Die Pilze werden dann in Scheiben geschnitten, mit Öl. Petersilie, Knoblauch und gehackten Sardellen vermischt, mit Semmelbröseln bestreut, nochmals mit Öl beträufelt und in einer feuerfesten Form im Ofen rund 30 Minuten bei 190 Grad überbacken. Spezieller Tipp: Nicht heiß servieren, sondern eher lauwarm.

Und last but not least dann doch noch frische Sardellen, sozusagen als Vorgriff auf die nächste Grillsaison. Und zwar in einer rustikalen Fingerfood-Variante, wie ich sie in Portugal kennen und schätzen gelernt habe. Ganz vorsichtig auf der Bauchseite aufschneiden und die Innereien entfernen. Zwei Stunden in etwas Ölvenöl mit Zitronenabrieb und grobem Meersalz marinieren. Abtupfen, dann auf den Grill, nach 3-4 Minuten einmal wenden, und nach weiteren 3-4 Minuten  dürften sie kross und unglaublich wohlschmeckend sein. Im Ofen geht das übrigens auch.

Die Gräten isst man natürlich mit, man wird sie kaum wahrnehmen. In Portugal wird meistens auch der Kopf mitgegessen. Habe ich mir auch angewöhnt, dürfte aber in unserem Grätenphobiker-Land  eher schwer zu vermitteln sein. Dem Sardellen-Einsteiger seien dann doch zunächst die gräten- und kopffreien Spaghetti alla puttanesca empfohlen.

Spaghetti alla puttanesca

Zutaten für 4 Personen

400g Spaghetti (am besten Spaghettini)
2 Knoblauchzehen
40 g schwarze Oliven (entsteint)
25 g Sardellenfilets (aus dem Glas)
400g Strauchtomaten (frisch oder 300g aus der Dose)
40 g Kapern
1 rote Chilischote
Olivenöl, Pfeffer

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