Wenig bekannte Weine entdecken - Auxerrois: Der (fast) unbekannte Burgunder

Unser Genusskolumnist hat sich mit einer wenig bekannten Rebsorte beschäftigt. Und weiß jetzt von tollen Weinen aus verschiedenen Regionen mit sehr unterschiedlichen Stilistiken zu berichten.

Auxerrois-Anbau in Schengen, Luxemburg / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Viele Weintrinker sind Gewohnheitstiere. Haben sie sich mal auf eine Rebsorte, ein Herkunftsland, eine Region oder einen bestimmten Weinstil festgelegt, so bleiben sie diesen Vorlieben oftmals treu. Natürlich gibt es manchmal bedeutsame Verschiebungen im Konsumverhalten. Meistens handelt es sich um globale Trends, die irgendwann auch in Deutschland ankommen. So erfreuen sich die „Weltweinsorten“ Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Sauvignon blanc, die auf allen Kontinenten angebaut werden, auch hierzulande wachsender Beliebtheit.

Wenig bekannte, regionale „Nischenrebsorten“ haben es dagegen trotz manchmal sehr langer Anbautradition ausgesprochen schwer. Wer sich aber nur im „Wein-Mainstream“ bewegt, dem entgeht so einiges. Zum Beispiel die weiße Rebsorte Auxerrois. Sie gehört zur Burgunderfamilie und entstand vermutlich bereits im Mittelalter aus einer natürlichen Kreuzung aus Pinot Blanc (Weißburgunder) und Weißer Heunisch in der (nicht mehr existierenden) nordburgundischen Grafschaft Auxerre nahe der Champagne, also im Pariser Becken. Urkundlich erwähnt wurde der Auxerrois erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts.

Nischendasein in Deutschland

Diese Großregion hat er eigentlich nie wirklich verlassen. Und er hat auch nie die Popularität seiner „edlen“ Verwandten wie z.B. Chardonnay erreicht. Während die Sorte im Elsass, in Lothringen und an der südlichen Mosel stets eine gewisse Bedeutung hatte, konnte sie – von sehr kleinen Anpflanzungen in einigen anderen deutschen Weinbaugebieten abgesehen – nur im badischen Kraichgau nennenswert Fuß fassen und wird dort als regionale Spezialität gehegt und gepflegt.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Doch sonst ist Auxerrois, der in Deutschland mit knapp 300 Hektar weniger als 0,3 Prozent der Rebfläche belegt, weitgehend unbekannt. Das ist sehr schade, denn die Sorte hat einiges zu bieten. Auxerrois ist ein ausgesprochen eleganter Sprössling der Burgunderfamilie mit einem blumigen Bukett, angenehmer, meistens recht dezenter Säure und feinen Fruchtaromen. Trocken ausgebaut ist Auxerrois ein hervorragender Partner, etwa für helles Fleisch oder Spargel.

Kühle Eleganz von der Mosel

Drei Auxerrois-Weine haben wir verkostet. Sie stammen aus verschiedenen Regionen und Jahrgängen, wuchsen auf unterschiedlichen Böden und wurden von Winzern kultiviert, die jeweils sehr ausgeprägte individuelle Vorstellungen vom Umgang mit dieser Sorte haben. Alle drei Betriebe arbeiten biologisch oder biodynamisch (Demeter).

Beim Weingut Stefan Steinmetz in Palzem-Wehr an der südlichen Mosel setzt man nicht nur beim Auxerrois auf kompromisslos trockene Weine mit niedrigen Alkoholgehalten, auf Reintönigkeit und Sortentypizität. Es sind frische, lebendige Weine mit feiner Mineralik und angenehmem Trinkfluss, die ihre Herkunft von Muschelkalk-Böden eindrucksvoll widerspiegeln.

Sein 22er Auxerrois ist vom Spiel zwischen der jahrgangstypisch recht präsenten, aber sehr weichen Säure und den dezenten, angenehm kühlen Stein- und Kernobstaromen geprägt. Für das dazu gereichte Hühnerfrikassee war er ein richtig guter Partner, sein Andocken an der sämigen Soße war wirklich großartig. Und natürlich ist dieser Wein auch eine große Bereicherung für jeden lauen Sommerabend auf der Terrasse (8,30 Euro ab Hof).

Sonnenverwöhntes aus dem Kraichgau

Beim 22er Auxerrois VDP Gutswein vom Weingut Heitlinger in Tiefenbach (Kraichgau/Baden) führen die schwereren Mergel/Keuper-Böden und die von mehr Sonnenstunden und höheren Durchschnittstemperaturen geprägten klimatischen Rahmenbedingungen zu einem etwas anderen Weinstil. Schon in der Nase hat man ein Gefühl, als ob man in eine reife Weintraube gebissen hat. Am Gaumen entwickelt er sich weich und vollmundig, ohne seine Leichtigkeit zu verlieren. Die Aromen von Birne und Apfel sind sehr präsent, die Säure passt.

Als Partner zum Frikassee spielte er eine sehr gute Rolle, weil er dessen Säurenuancen (Kapern, Zitronensaft) mit seinen Obstaromen prima ergänzte. Auch mit einem gegrillten Fisch oder zu Kaninchen würde der Heitlinger mit Sicherheit in voller Pracht erstrahlen. Und als sommerlicher Solist sowieso (11,50 Euro ab Hof).

Nicht als Frikassee-Partner, aber als großen Wein von einer Spitzenlage hat Heitlinger auch noch den 2019er Auxerrois „Hassapfel“ auf der Liste. Den werden wir uns bei anderer Gelegenheit anschauen.

Opulentes aus dem Elsass

Einen ganz anderen Stil verfolgt Jean Paul Schmidt aus Scherwiller (Elsass). Er setzt bei seinem auf kargen Granitböden gewachsenen Auxerrois Classique auf deutlich mehr Fülle mit merklich höherem Alkoholgehalt (14%) und extrem geringe Erträge, was zu entsprechend hochkonzentrierten Mosten führt. Die Vergärung in gebrauchten Holzfässern und die lange Lagerzeit vor der Inverkehrbringung seiner Weine verleihen ihm die notwendige Struktur. Der aktuelle Jahrgang ist bei ihm 2019.

Im ersten Moment vermeint man deutliche Sherrynoten wahrzunehmen, aber mit zunehmender Belüftung bindet sich das gut ein, und es entfalten sich intensive, würzige Aromen von Rosinen, reifen Birnen, eingelegten Früchten mit ein wenig Karamell und feiner Säure. Das bleibt sehr lange am Gaumen stehen, bevor es mit einer Spur Salzigkeit langsam verklingt. Welches Potenzial dieser Wein hat, kann man erahnen, wenn man die Chance hat, nicht mehr gelistete, ältere Jahrgänge zu probieren. Der 2017er und der der 2015er sind wahre Monumente dieses üppigen Weinstils, der eben nicht nur „barock“ anmutet, sondern trotz aller schier überbordenden Fülle klar und gradlinig bleibt (14,50 Euro ab Hof).

Kein Ranking, sondern ein Stilvergleich

Zum „sanften“ Frikassee hat dieser dominante Tropfen allerdings nicht gepasst. Ein spontaner Zusatztest führte aber in die richtige Richtung. Wir haben ein wenig Frikassee-Soße mit einer kräftigen Curry-Mischung verrührt und ihn dazu probiert. Volltreffer! Denn in dieser Kombination stand diese „Wuchtbrumme“ nicht mehr neben dem Essen, sondern interagierte mit ihm auf das Vortrefflichste. Eine Spur, die wir weiterverfolgen werden. Ebenfalls spannend: Am nächsten Tag war die anfangs schier überbordende Opulenz dieses Weins zugunsten einer kühlen Mineralik etwas runtergedimmt.

Zur abschließenden Erläuterung: Es sollte bei dieser kleinen Verkostung keinesfalls darum gehen, ein Ranking aufzustellen oder den „besten Auxerrois“ zu küren. Sondern darum, sich dieser spannenden, weithin unterschätzten Rebsorte und dem facettenreichen Spektrum anzunähern. Wenn es mit dieser Kolumne gelingen sollte, einige weininteressierte Leser auf diese Spur zu führen, dann hat sie ihren Zweck erfüllt.

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