Genuss zu Ostern - Trotz alledem: Jetzt Spargel genießen

Unser Genusskolumnist findet es befremdlich, dass deutscher Spargel trotz Nachtfrösten jetzt schon auf den Markt kommt. Aber den allgemeinen Trend zur Entkopplung einstmals saisonaler Spezialitäten von ihren Anbautraditionen kann er nicht aufhalten. Deswegen wird er zu Ostern Spargel essen.   

Spargelkönigin Monique I. eröffnet die Spargelsaison in Südhessen / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Weißer Spargel ist eigentlich der Inbegriff des saisonalen Edelgemüses in Deutschland. Traditionell begann die Ernte immer dann, wenn die Böden im Frühjahr warm genug waren, um dem Spargel gute Wachstumsbedingungen zu schaffen. 

Doch diese Anbindung von Produkten an Jahreszeiten und Wetterverläufe ist inzwischen wenig mehr als eine historische Reminiszenz. Die klassische „Spargelsaison“, die in der Regel Mitte April – manchmal aber auch erst im Mai – begann und am 24. Juni, dem Johannistag, endet, taugt heutzutage hauptsächlich für das Marketing. Im ganzen Land gibt es dann temporäre Verkaufsstellen, Restaurants werben mit „Spargelwochen“, und die Anbaubetriebe veranstalten große „Spargelfeste“. 

Spargelfelder werden beheizt 

Von der klassischen Saison hat sich der Spargelanbau auch in Deutschland längst entkoppelt. Inzwischen gehören bei vielen Betrieben nicht nur wärmespeichernde Folientunnel, unter denen das Gemüse reift, zum Standard, sondern auch Bodenheizsysteme. Das klingt in Zeiten deutlich gestiegener Energiepreise einigermaßen absurd. Doch vor allem Wärme, die aus im Betrieb anfallender Biomasse gewonnen wird, oder Abwärme von nahe gelegenen Industriebetrieben kann dafür so genutzt werden, dass es ökonomisch einigermaßen darstellbar ist. 

Am 18. Februar berichtete die Tagesschau über einen Betrieb im bayerischen Plattling, der die seinerzeit noch gefrorenen Böden mit seinem Rohrsystem auf 19 Grad erwärmte und somit optimale Wachstumsbedingungen für den Spargel schaffen konnte, der bereits Anfang März geerntet und vermarktet wurde. Auch auf etwas feineren Berliner Wochenmärkten konnte man Mitte März bereits frischen deutschen Spargel kaufen, für rund 20 Euro pro Kilo. Einige Brandenburger Großbetriebe, etwa aus Beelitz und Kremmen, haben trotz Nachtfrösten ebenfalls angekündigt, dass ihre Spargelsaison bereits zum Osterfest beginnt. 

Billigkonkurrenz aus dem Ausland 

Aber warum ist es so wichtig, schon so früh Spargel anzubieten? In dem Tagesschau-Bericht hat Geschäftsführer Karl Baumann vom Gemüse- und Obstbetrieb Baumann im niederbayerischen Plattling eine sehr einfache Antwort: Weil die Nachfrage da sei. Zwar eine beschränkte, aber der Handel verlange danach. Und wenn keine Produkte aus Deutschland kommen, würden eben Spargelstangen aus dem Ausland geordert und verkauft. 

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Tatsächlich müssen Spargelfreunde in Deutschland schon längst nicht mehr auf spargelfreundliches Wetter in der Heimat warten. Im Herbst und Winter sorgt Spargel aus Peru für Ersatz, und spätestens im Februar kommt auch weißer Spargel aus Griechenland und Spanien auf dem Markt. Der kann zwar geschmacklich nicht mit regionalem Spargel mithalten, weil dieses Edelgemüse frisch eben am besten mundet. Aber er ist nun mal da und zudem vergleichsweise billig – für viele Konsumernten unschlagbare Kaufargumente. 

Anbau und Absatz sind rückläufig 

Ob die Heizoffensive der seit einigen Jahren kriselnden deutschen Spargelwirtschaft wirklich zu einem neuen Aufschwung verhelfen kann, ist eher unwahrscheinlich. Nach den Einbrüchen in der Corona-Krise, als vor allem der Absatz in die Gastronomie wegen der Lockdowns einbrach und es zeitweilig auch gravierende Probleme beim Einsatz von Saisonarbeitern gab, sorgt nunmehr die Inflation für deutliche Kaufzurückhaltung bei „Luxusprodukten“ wie Spargel. Der Absatz brach bereits im vergangenen Jahr deutlich ein, und die Anbaufläche ist nach Jahren stetigen Zuwachses seit 2021 deutlich rückläufig. Viele Landwirtschaftsbetriebe suchen nach Alternativen. So hat sich die Anbaufläche für Körnersonnenblumen für die Speiseölproduktion in Deutschland binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Das ist unmittelbar auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen, dem bislang wichtigsten Lieferanten. 

Besinnliches Fest mit Spargel und Silvaner 

Die Spargelbauern blicken jedenfalls mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen auf die jetzt anlaufende Spargelsaison. Die Kosten sind nicht nur für Energie beträchtlich gestiegen, denn erstmals gilt nun auch für die zumeist ost- und südosteuropäischen Erntehelfer ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Und die hohen Investitionskosten für Hightech-Ernteroboter sind für viele Betriebe nicht zu stemmen. Große Spielräume für Preiserhöhungen gibt es aber nicht, sowohl wegen der wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland als auch wegen der verbreiteten Konsumzurückhaltung. 

Aber Genuss ist bekanntlich Notwehr. Und wer Spargel mag, sollte gerade die besinnlichen Ostertage im Kreis der Familie oder mit Freunden dazu nutzen, erstmals in diesem Jahr ein paar Stangen köstlichen, frischen deutschen Spargel und eine Flasche trockenen Silvaner (oder auch zwei) auf den Tisch zu stellen. Am besten natürlich „nur“ mit Kartoffeln und zerlassener Butter und keinesfalls mit Sauce Hollandaise! Aber das ist ein anderes Thema. In diesem Sinne wünsche ich ein besinnliches und genussvolles Osterfest! 

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