Schmackhafter Gruß aus dem Osten - Königsberger Klopse: Auf die Soße kommt es an

„Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ Das gehört zu den kulinarischen Grundprinzipien unseres Genusskolumnisten. Und er ist heilfroh, dass er vor ein paar Jahren Königsberger Klopse wieder für sich entdeckte.

Soulfood aus Ostpreußen: Königsberger Klopse / Wikipedia
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Herabwürdigung anderer Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Heimat hat eine lange Tradition. Manches kann man vielleicht noch als derben Scherz durchgehen lassen, oder es sind schlicht simpel gestrickte Vorurteile, doch nicht selten werden auch rote Linien des Rassismus und der Volksverhetzung überschritten. Zum Kanon dieser Herabwürdigungen gehören auch viele Zuschreibungen vermeintlicher Essgewohnheiten als quasi ethnische Merkmale. „Fischköppe“ ist da ein eher harmloses Beispiel, „Kümmeltürken“ und „Frosch-“ oder „Spaghettifresser“ sind es wohl kaum. Auch Deutsche standen und stehen auf dieser Schmähliste, früher waren wir die „Krauts“, und heute sind wir die „Kartoffeln“.

„Deutsche Küche“ gibt es nicht

Dabei ist es schlicht Unsinn, großen Ländern und ihren Bewohnern einheitliche Essgewohnheiten zuzuschreiben, wenn man mal von einigen religiösen Prägungen absieht. Egal ob Deutschland, Frankreich, Italien oder die Türkei – es gibt keine einheitlichen „Nationalküchen“, sondern jede Menge regionaler Besonderheiten, Stereotypen sind also fehl am Platz. Mal ganz davon abgesehen, dass Kümmel in der Türkei so gut wie unbekannt ist und nur sehr wenige Franzosen jemals einen Froschschenkel verspeist haben werden. Dazu kommen unzählige Fakes. So wurde der Döner Kebab ebenso in Deutschland erfunden wie Toast Hawaii, und Spaghetti Carbonara ist keineswegs ein Traditionsgericht italienischer Köhler, sondern eine eher aus der Not geborene Kreation US-amerikanischer Soldaten.

Natürlich gibt es auch keine „deutsche Küche“, und es hat sie auch nie gegeben. Dafür umso mehr regionale Besonderheiten, die ihren Ursprung weniger in kulinarischen Vorlieben haben, sondern die sich schlicht anhand der örtlichen Ressourcen entwickelten. Zwar ist heutzutage fast alles immer und überall erhältlich und konnte daher auch  überregionale Verbreitung finden, doch regionale Prägungen gibt es nach wie vor.

Eine Kiezkneipe als Hort der Tradition

Beginnen wollen wir unseren kleinen Ritt durch die Regionalküchen in Ostpreußen, das seit 1945 völkerrechtlich unumstritten zu Russland gehört. Von dort aus starteten die „Königsberger Klopse“ im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug durch das Reich und wurden vor allem in Berlin äußerst populär. Mittlerweile sind sie vom hippen Crossover-Lifestyle Food weitgehend verdrängt worden. Zumal ja auch schon der Name anrüchig klingt und eigentlich ein Fall für die Cancel-Culture-Inquisition ist. Denn wenn die „Königsberg“ hört, denkt sie sofort an revanchistische Horden, die Russland überfallen wollen. Andererseits klingt „Kaliningrader Klopse“ irgendwie doof.

Als Kind und Jugendlicher habe ich sie manchmal serviert bekommen, doch dann gerieten die Klopse in Vergessenheit. Das änderte sich, als ich in meinem Kiez in Berlin-Moabit ein gastronomisches Kleinod entdeckte: Im „Fußballtreff“ führte Margot über 40 Jahre das Regiment über Töpfe und Pfannen und zeigte sich dabei erfreulich resistent gegen alle modernistischen Küchentrends. Und natürlich gehörten Königsberger Klopse mit reichlich Kapern in einer sämigen Soße zu den Standardgerichten. Aber vor zwei Jahren beschloss Margot – immerhin weit über 80 – den Kochlöffel an den Nagel zu hängen, und die Kneipe schloss für immer ihre Pforten. Und alle Versuche, in den wenigen vergleichbaren Etablissements an diesen Genuss anzuknüpfen, verliefen enttäuschend.

Das Wichtigste ist die Soße

Also selber kochen. Für die Klopse nimmt man am besten gewolftes Kalbfleisch. Rind und Schwein gehen auch, Kalb schmeckt aber besser. Dazu ein aufgeweichtes, altbackenes Brötchen, Eier, Senf, Kapern, glasig angebratene Zwiebelwürfel und gehackte Petersilie. Gut durchmischen, Klopse formen und in einer Fleischbrühe (am besten Kalbsfonds) 20 Minuten ziehen lassen und beiseite stellen.

Das Wichtigste ist aber die Soße. Dafür werden Champignons (in Scheiben), Schalotten (gewürfelt), Sardellenfilets und Kapern in Butter angedünstet, mit Mehl bestäubt und mit Weißwein abgelöscht. Mit der Fleischbrühe aufgießen und einkochen. Jetzt kommen Sahne, Crème fraiche und noch etwas Butter dazu, abgeschmeckt wird mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft. Wenn man alles richtig gemacht hat, ist die Soße schön sämig. Wenn nicht, mit etwas Kartoffel- oder Maisstärke andicken. Dann kräftig aufschlagen, noch ein paar Kapern dazu und für ein paar Minuten auch noch die fertigen Klopse. Bei Margot gab es Reis dazu, und mir fällt auch nichts besseres ein.  

Königsberger Klopse

Zutaten für 4 Personen

500 g mittelfein gewolftes Kalbfleisch
1 altbackenes Brötchen
1 Zwiebel
2 Eier
1 TL Senf
1 EL Kapern (aus dem Glas)
gehackte Petersilie, Salz, Pfefferkörner
Fleischbrühe

Für die Soße

2 große Champignons
2 Schalotten
2 Sardellenfilets (aus dem Glas)
0,4 l Fleischbrühe
0,05 l Weißwein
50 g Butter
0,2 l Sahne
50 g Creme fraiche
50 g Mehl
1 EL Kapern
Salz, Pfeffer, Zitronensaft

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