Debatte um Gentechnik - Eine schallende Ohrfeige aus der Wissenschaft

Die beiden größten deutschen Wissenschaftsorganisationen, DFG und Leopoldina, entzaubern nebulöse Begriffe, mit denen die Öffentlichkeit seit Jahren in Sachen grüne Gentechnik getäuscht wird. Doch ihr Paper stößt in der Politik kaum auf Resonanz. Das ist beschämend.

Chinakohl-Anbau in einem Gewächshaus / dpa
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Autoreninfo

Ludger Weß schreibt seit den 1980er Jahren über Wissenschaft, vorwiegend Gen- und Biotechnologie. Davor forschte er als Molekularbiologe an der Universität Bremen. 2017 erschienen seine Wissenschaftsthriller „Oligo“ und „Vironymous“ und 2020 das Sachbuch „Winzig, zäh und zahlreich - ein Bakterienatlas“.

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Vieles ist in den letzten Wochen über europäische Illusionen, neue Realitäten und Herausforderungen geredet und geschrieben worden, die Zeitenwenden, Umdenken und energisches Handeln erforderten. Um das Versagen zu erfassen, muss man sich aber gar nicht mit Europas verfehlter Russland- und Energiepolitik oder dem jahrelangen Wegsehen bei Antisemitismus und Israelhass befassen.

Es reicht völlig aus, zwei Paper zu lesen, die sich mit Wissenschaftspolitik befassen, genauer gesagt, mit dem Thema Pflanzenzucht. Das eine stammt aus der Politik, das andere aus der Wissenschaft. Das eine wiederholt jahrzehntelang gepflegte Glaubenssätze, das andere hält diesen Irrtümern den Spiegel vor.

Bevölkerungswachstum und Weltpolitik

Beim Thema Pflanzenzucht steht die Welt angesichts von Kriegen und Bevölkerungswachstum vor mindestens genauso hohen Herausforderungen wie in Sachen Ukrainekrieg und Terror gegen Israel. Zum Glück gibt es aufregende neue Möglichkeiten, die dringend benötigt werden. Denn bislang ist Pflanzenzucht in Europa ein mühseliges Geschäft. Will ein Züchter Pflanzen an den Klimawandel, Schädlinge, Krankheiten oder sonstige Herausforderungen anpassen, traktiert er sie so lange mit Gammastrahlen oder Chemikalien, bis die dadurch ausgelösten Mutationen des genetischen Materials unter den Nachkommen die gewünschte Eigenschaft hervorbringen.

Die genetischen Kollateralschäden dieser kruden Zufallsmethode, soweit sie erkannt werden, müssen anschließend in jahrelangen Rückkreuzungen wieder entfernt werden. Mit dieser sogenannten Mutationszüchtung (formaljuristisch die erste, primitivste Form der Gentechnik, die aber wegen ihrer „Historie der sicheren Anwendung“ von allen Vorschriften befreit ist) dauert die Entwicklung einer neuen Sorte zehn Jahre oder mehr – Zeitspannen, die wir uns angesichts der Entwicklungen in Sachen Klima, Bevölkerungswachstum und Weltpolitik nicht mehr leisten können.

Setzen auf Gentechnik 2.0

Andere Länder setzen seit fast drei Jahrzehnten auf Gentechnik 2.0, aber die wird in Europa als zu gefährlich abgelehnt – man wisse nicht, wie sich die dabei neu zugefügten Gene verhalten und welche Schäden ihr zufälliger Einbau im Gefüge des Genmaterials anrichte. Daher ist der Anbau dieser Pflanzen in Europa nahezu flächendeckend verboten – mit allen Konsequenzen, die Technologieverbote mit sich bringen: Abwanderung von Forschung, Know-how und Produktionsstandorten.

Doch dann entwickelten zwei Frauen, die inzwischen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet sind, eine neue Form der Mutationszüchtung, bei der vorhandene Gene an einer genau vorherbestimmten Stelle gezielt verändert werden. Zufälle und Kollateralschäden sind ebenso passé wie die Einführung neuer Gene. Damit entfällt auch die Möglichkeit, diese Pflanzen zu identifizieren bzw. den Eingriff analytisch nachzuweisen – sie unterscheiden sich in nichts von Pflanzen, bei denen die Mutation auf natürliche Weise zustande gekommen wäre.

Das Beste aus zwei Welten

Die EU-Kommission hat daher in diesem Jahr den Vorschlag vorgelegt, diese mit neuer Gentechnik (NGT bzw. präziser NGT-1) gezüchteten Pflanzen juristisch so einzuordnen wie die aus klassischer Mutationszüchtung und nicht so wie die gentechnisch produzierten, die gänzlich neues, nachweisbares Genmaterial enthalten.

Doch wer glaubt, dass diese neue Technik, die das Beste aus zwei Welten vereinigt, in Europa begrüßt würde, kennt die Technologiefeindlichkeit der naturromantischen Parteien und Organisationen Europas nicht. Sie sehen auch diese Technologie als unnatürlichen und gefährlichen Eingriff in die „genetische Integrität“ von Pflanzen. Konsequenterweise werden bereits die ersten Stimmen laut, die auch die klassische Mutationszüchtung ablehnen und fordern, die Züchter müssten in Zukunft wieder darauf warten, was die Natur in ihrer Weisheit ihnen beschert.

Den Vorschlag der EU-Kommission sehen sie als Abkehr vom „Vorsorgeprinzip“, die neue Technologie könnten unbekannte Risiken heraufbeschwören, die Konsumenten wüssten nicht mehr, was auf ihrem Teller lande und die neuen Pflanzen könnten bei einem Anbau traditionelle Sorten in der Nachbarschaft „kontaminieren“. Dann hätten die Konsumenten keine Wahlfreiheit mehr, weil auch Biosorten dann „gentechnisch kontaminiert“ seien – verseucht wohlgemerkt mit etwas, das nicht nachweisbar ist.

Genausogut könnte man beim Strom aus der Steckdose davon sprechen, dass er möglicherweise mit importiertem Atomstrom kontaminiert sei und fordern, diesen Strom zu separieren und entsprechende Nachweisverfahren zu entwickeln. Doch bestimmt wird die Debatte in den maßgeblichen EU-Ländern Deutschland und Frankreich von Parteien, die offen Lobbyismus für die Bioindustrie betreiben und NGOs, die finanziell durch Biolandwirtschaftsverbände und Biohandelsketten unterstützt werden.

Absurd, absurder, Bundesrat

Sichtbar wurde das Anfang Oktober anhand einer Stellungnahme des Bundesrats, die sich mit dem erwähnten Vorschlag der EU-Kommission beschäftigt. Zunächst kommt ein Lippenbekenntnis zu den neuen Technologien. Der Bundesrat „begrüßt die Initiative der Kommission, die europäischen Regelungen an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen“, bescheinigt den neuen Methoden, dass sie „großes Potenzial für die Forschung und für die Pflanzenzüchtung bieten“ und merkt an, dass sie „von zahlreichen Staaten weltweit bereits dereguliert wurden.“

Dann folgt die Rolle rückwärts. Gefordert wird die Anwendung der alten Regeln, die sich als Instrumente zur Verhinderung bzw. zum Verbot der Erprobung und des Anbaus solcher Pflanzen erwiesen haben. Der Bundesrat will „eine Kennzeichnungspflicht aller NGT-Pflanzen und daraus hergestellten Produkte … durchgängig auf allen Stufen vom Erzeuger bis zum Verbraucher“.

Eine weltfremde Forderung, da NGT-Pflanzen, wie der Bundesrat selbst im Abschnitt davor konstatiert, in zahlreichen Ländern dereguliert sind und damit nicht getrennt behandelt oder gekennzeichnet werden. Und selbst wenn man an der Grenze Pflanzen, die mit NGT gezüchtet wurden, herausfischen wollte, könnte man es nicht, weil es keine Nachweismethoden dafür gibt. Damit existiert überhaupt keine Möglichkeit, Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht zu überprüfen. Zudem soll die Kommission „Mitgliedstaaten eine Möglichkeit ein(zu)räumen, … den Anbau von NGT-Pflanzen einzuschränken oder zu verbieten“, d.h. „Opt-Out Regelungen für den Anbau“ zu erlassen.

Jede Menge Verbotsgründe

Mit anderen Worten: Man möchte den Weg zu einem Verbot in den einzelnen EU-Ländern ebnen, wie es schon jetzt bei gentechnisch hergestellten Pflanzen der Fall ist. Verbotsgründe können politischer, sozio-ökonomischer oder agrarpolitischer Natur sein; es reicht aber auch schon die Befürchtung, ihr Anbau könne zu starken Protesten führen. Sollte die Kommission sich darauf nicht einlassen, sollen hilfsweise die aus der klassischen Gentechnik bekannten „Abstandsregelungen und Mitteilungspflichten gegenüber den Nachbarn“ angewandt werden, die wie in der Vergangenheit Klagen ermöglichten und es selbsternannten „Feldbefreiern“ leicht machten, Anbauflächen zu zerstören. Die neue Technik wird also begrüßt, aber es soll alles dafür getan werden, dass sie in Deutschland nicht genutzt werden kann.

Am aberwitzigsten aber ist der Bundesratsvorschlag zur „Einführung eines genetischen Barcodes zur molekularen Kennzeichnung aller NGT-Pflanzen auf DNA-Ebene“. Man fragt sich, ob die Ausschussmitglieder (mehr als 70 Landespolitiker!) überhaupt verstanden haben, was sie da beschlossen haben. Sie fordern nämlich nichts weniger, als mit Mitteln der klassischen Gentechnik Fremd-DNA in Pflanzen einzubringen, um zu markieren, dass diese Pflanzen keine Fremd-DNA enthalten! Um die Absurdität auf die Spitze zu treiben, sollen diese Fremdgen-enthaltenden Pflanzen dann aber nicht als klassischer transgener Organismus gelten.

 

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Eben noch in Sorge um die Eingriffstiefe und Nicht-Rückholbarkeit der Veränderung eines einzelnen (!) DNA-Bausteins fordern dieselben Politiker nur wenige Zeilen später die Einführung eines neuen Gens mit alten gentechnischen Methoden, ohne sich Sorgen um Eingriffstiefe und mangelnde Rückholbarkeit zu machen? Besser als tausend Studien belegt dieses eine Dokument die Absurdität und das Elend der gegenwärtigen Wissenschaftspolitik.

Durchzogen ist das Dokument vom üblichen grünen NGO-Vierklang aus „Transparenz, Wahlfreiheit, Koexistenz sowie des Vorsorgeprinzips“. Der Bundesrat ruft dazu auf, „das Vorsorgeprinzip zu wahren, da es sich bei NGT um eine Technologie mit hoher Eingriffstiefe und mangelnder Umkehrbarkeit aus den Öko-Systemen handelt und von einem möglichen Schadenseintritt letztlich auch der Lebensmittelbereich sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen sind.“

Die Stimme der Wissenschaft

Deutschlands größte und maßgeblichste Wissenschaftsorganisationen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG und die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) haben sich jetzt dazu zu Wort gemeldet. Ihre Stellungnahme lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Sie nimmt jeden der Nebelkerzen-Begriffe auseinander, mit denen grüne und sozialdemokratische Politiker, NGOs und Medien in der Debatte um moderne Pflanzenzucht und Gentechnik routinemäßig um sich werfen. Das Ergebnis ist klar: inhaltsleere Floskeln, die mit der Realität nichts zu tun haben 

„Hohe Eingriffstiefe“ ist ein von NGOs erfundener Begriff, der Fakten der Pflanzenzucht im Kopf von Laien vernebeln soll. „Strahleninduzierte Mutagenese hat eine um Größenordnungen höhere ‚Eingriffstiefe’“, halten DFG und Leopoldina fest. Denn dabei wird das Genmaterial nach dem Zufallsprinzip geschädigt und anschließend müssen mehrfach andere Sorten oder Wildpflanzen eingekreuzt werden.

Um den Sachverhalt auf ein Auto zu übertragen: Aus Sicht der NGOs stellt das Aufziehen einer neuen Reifensorte bei einem Kraftfahrzeug eine wesentlich höhere Eingriffstiefe dar als das Zusammenschrauben eines neuen Fahrzeugs aus Teilen unterschiedlicher Modelle, die man zuvor mit Dynamit in ihre Einzelteile zerlegt hat. Und was die „mangelnde Umkehrbarkeit“ angeht, auch hier klare Worte: „Mögliche Probleme der Unumkehrbarkeit bzw. Nichtrückholbarkeit stellen sich in Bezug auf alle (Nutz-)Pflanzen, unabhängig von der verwendeten Züchtungstechnik.“ In der Tat.

Eingriffstiefe und Rückholbarkeit

Obwohl man es immer wieder hören und lesen kann, dass die mangelnde Rückholbarkeit ein schwerwiegendes Problem der Gentechnik sei, ist doch die biologische Realität eine andere: Keine neue Sorte, der neue Eigenschaften angezüchtet wurden, ist rückholbar. Jeder Raps- oder Chinakohlanbau kann das Genom des nahe verwandten Wildkohls unumkehrbar verändern. Unumkehrbar sind auch biologische Schädlingsbekämpfung oder der Einsatz von Bienen als Bestäuber, denn Nützlinge können durch Koevolution außer Kontrolle geraten und das Aufstellen von Bienenkästen kann zur Ausbreitung von Krankheitserregern unter Wildbienen und anderen Insekten führen. Eingriffstiefe und Rückholbarkeit sind sinnentleerte Begriffe, die aber in keiner politischen Debatte um Gentechnik fehlen dürfen.

Auch das immer wieder beschworene Vorsorgeprinzip nehmen DFG und Leopoldina unter die Lupe: „Risiko bedeutet, dass ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass negative Auswirkungen eintreten. Dieser Risikograd darf nicht bei null angesetzt werden, d.h. hypothetische oder spekulative Erwägungen können das Vorsorgeprinzip nicht auslösen.“ Es ist also unzulässig, zu argumentieren, dass niemand ausschließen könne, dass irgendetwas zu negativen Folgen führe.

Das Vorsorgeprinzip, so die Stellungnahme weiter, sei bei diesen neue Techniken „nicht anwendbar. Denn bei diesen fehlt ein entsprechender wissenschaftlich begründbarer Besorgnisanlass: Zahlreiche und in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien haben keinerlei Hinweise hervorgebracht, dass die neuen genomischen Techniken, wie die Genschere CRISPR-Cas9, oder damit erzeugte Pflanzen mit einem höheren Risiko für Mensch und Umwelt verbunden sein könnten als natürliche Mutationen, die klassische Kreuzungszüchtung oder die Mutagenesezüchtung mittels Bestrahlung oder Chemikalien sowie deren Produkte.“

Im Gegenteil, das Risikoprofil der neue Pflanzen sei „geringer als dasjenige der nicht regulierten, mittels Zufallsmutagenese erzeugten Pflanzen.“ Es folgt ein Hinweis auf die noch immer nicht abebbende Diskussion über potenzielle Risiken der klassischen Gentechnik: „Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich selbst der ursprüngliche Risikoverdacht des Gemeinschaftsgesetzgebers von 1990 bei transgenen Organismen nicht bewahrheitet hat und auch bei der klassischen Gentechnik weiterhin nur hypothetische Risiken diskutiert werden.“ Damit attestieren die Forschungsorganisationen der Politik sehr deutlich eine ideologische und realitätsferne Auslegung des Vorsorgeprinzips.

Auch das Thema Kennzeichnung, Koexistenz und Kontamination räumen DFG und Leopoldina ab: „Da es … um Mutationen geht, die nicht unterscheidbar sind von spontanen Mutationen in der Natur und von den Produkten anderer Mutagenesetechniken, erübrigt sich aus wissenschaftlicher Sicht die Frage um Kennzeichnung oder Koexistenzmaßnahmen, die spezifisch für NGT-Pflanzen Anwendung fänden und andernfalls genauso z.B. für strahleninduzierte Mutagenese gelten müssten.“

Rund 16 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr

Deutlicher als in diesem Dokument können die wissenschaftlichen Beratungsgremien Deutschlands kaum ausdrücken, wie sehr sich die politische Debatte um Zukunftstechnologien in Deutschland von der Realität entfernt hat: alle Begrifflichkeiten und vorgeblichen Probleme, vom Vorsorgeprinzip über mangelnde Rückholbarkeit bis zu Transparenz und Koexistenz sind nichts anderes als der Versuch, die Öffentlichkeit mit Begriffsverwirrungen, wüsten Spekulationen und Wunschdenken zu täuschen.

Dahinter steckt eine Industrie- und Handelslobby, die pro Jahr allein in Deutschland rund 16 Milliarden Euro Umsatz macht, indem sie romantische Vorstellungen von Natur und Landwirtschaft propagiert. Für diese Branche sind die neuen Züchtungstechnologien eine existenzielle Bedrohung, denn sie könnten der konkurrierenden konventionellen Landwirtschaft weitere Vorteile verschaffen: weniger Düngung, weniger Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und dennoch höhere Ernten und bessere Produktqualität.

In der Schweiz und in Dänemark sehen Vertreter der Biobranche diese Vorteile durchaus und wollen sie nutzen, aber in Deutschland sind Gentechnik und Biotechnologie seit Jahrzehnten so sehr bekämpft worden, dass die Branche keine Chance sieht, der Öffentlichkeit ein Umdenken zuzumuten. Ihre Kundschaft assoziiert Gentechnik mit schleichender Vergiftung, schwört auf naturbelassene Produkte (obwohl die Natur weder Weizen noch kernlose Weintrauben noch rosafleischige Pampelmusen hervorgebracht hat) und hängt der Illusion an, jeder Bioapfel sei handgepflückt und jedes Bioei stamme aus einem Kleinbetrieb, auf dem die Hühner noch im Misthaufen scharren. 

Auch hier fordern DFG, Leopoldina und andere wissenschaftliche Vereinigungen eine Orientierung an der Realität und an Umweltschutzzielen ein: Sie würden es begrüßen, wenn die Verordnung die neuen Pflanzen „auch für Zwecke des Ökolandbaus herkömmlich gezüchteten Sorten gleichstellen und vom Anwendungsbereich des GVO-Rechts ausschließen würde. Dann würde das für den Ökolandbau geltende GVO-Verwendungsverbot nicht greifen, und NGT-1-Pflanzen könnten im Ökolandbau verwendet werden. Der Ökolandbau könnte aufgrund des unzureichend zur Verfügung stehenden chemischen Pflanzenschutzes in ganz besonderer Weise von NGT-1-Pflanzen profitieren.“

Denn schließlich dürfen auch die „mithilfe schon länger gebräuchlicher Mutagenesetechniken, wie durch strahleninduzierte Mutagenese erzeugten Pflanzensorten und ihre Produkte … im Ökolandbau verwendet werden, obwohl es sich eigentlich um GVO handelt.“

Ein Versagen auf der ganzen Linie

Nur selten hat die deutsche Politik eine so schallende Ohrfeige aus der Wissenschaft erhalten. Mit knappen Worten, aber in nicht zu überbietender Klarheit entzaubern die beiden größten deutschen Wissenschaftsorganisationen die nebulösen Begriffe, mit der die Öffentlichkeit seit Jahren in Sachen grüne Gentechnik getäuscht wird und mit der die Politik sich selber täuscht – aus mangelndem Wissenschaftsverständnis und aus Angst vor Protesten einer lautstarken und gut organisierten Minderheit, die aus trüben Quellen finanziert wird. Wer die beiden Dokument aufmerksam liest, wird schnell begreifen, das Europa auf breiter Front Realitäten verweigert und Illusionen nachhängt. 

Bislang ist das Papier von DFG und Leopoldina auf keinerlei Resonanz in Politik und Öffentlichkeit gestoßen. Das ist ein beschämendes Zeichen für eine Gesellschaft, deren Zukunft entscheidend von Wissenschaft und Technik abhängt. Europas Politik auf diesem vitalen Forschungsgebiet ist ein Versagen auf der ganzen Linie und auf Dauer kann es sich kein Land leisten, auf solche Zukunftstechnologien zu verzichten. Ändert sich das nicht, ist es so gut wie sicher, dass es auch auf diesem Gebiet ein böses Erwachen geben wird. 

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