Essen im Frühling - Rösti mit Kräuterquark

Unser Genusskolumnist ist ein großer Kartoffelfan. Für ihn wurde es daher höchste Zeit, mal die ausgetretenen Salat-, Püree- und Bratkartoffelpfade zu verlassen. Und so machte er sich auf die Suche nach „Original Schweizer Rösti“. Was gar nicht so einfach war.

Gekochte oder rohe Kartoffeln? Da streiten sich die Gelehrten dies- und jenseits des Röstigrabens / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es ist so weit. Die Temperaturen steigen tageweise bereits über 20 Grad, es sprießt, grünt und blüht an allen Ecken. Der Frühling löst bei mir stets kulinarische Reflexe aus. Dabei geht es vor allem um frische Kräuter, die jetzt wieder überall in kleinen Töpfen erhältlich sind und bald auch auf dem Balkon und im Garten gedeihen werden. Meine jährliche Vorfreude auf das erste Butterbrot mit frisch geschnittenem Schnittlauch auf dem Balkon ist ähnlich groß wie die auf den ersten Spargel.

Kräuterquark ist eine ernste Sache

Zu den Mahlzeiten, die jetzt wieder häufiger auf den Tisch kommen werden, gehört Kräuterquark mit Kartoffeln, die ich meistens einfach koche und später brate. Dem Quark widme ich dagegen nahezu pedantische Aufmerksamkeit. Im Blitzhacker wird Knoblauch (in meinem Fall ziemlich viel) mit etwas Olivenöl verquirlt und das dann mit Quark (Halbfettstufe) verrührt. Dann kommen noch diverse Kräuter (vor allem Schnittlauch und/oder Zwiebelgrün, aber auch Kresse und Estragon) und etwas Salz und Pfeffer dazu.

Doch jetzt wollte ich als ausgewiesener Kartoffelfan mal die Bratkartoffel-Routine durchbrechen. Durch Zufall stieß ich auf Rösti, also jene Schweizer Variante der Kartoffelzubereitung, die sich erheblich von den hier gebräuchlichen Kartoffelpuffern und Reibekuchen unterscheidet, denn Eier und Mehl sind bei den Eidgenossen in diesem Fall tabu.

Die Schweizer machen was sie wollen

Die Suche nach dem „originalen“ Rösti-Rezept erwies sich allerdings als schwierig bis aussichtslos. Denn während es in Italien mit der Accademia Italiana della Cucina eine Art Geschmackspolizei gibt, die für diverse Nationalgerichte wie etwa „Ragù alla Bolognese“ quasi verbindliche Regeln festgelegt hat, machen die Schweizer in den verschiedenen Landesteilen mit Rösti, was sie wollen. So werden „Berner Rösti“ stets aus gekochten Kartoffeln zubereitet, „Zürcher Rösti“ dagegen aus rohen. Die Grenze zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz wird daher auch als „Röstigraben“ bezeichnet.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Umstritten sind ferner die richtigen Kartoffelsorten (festkochend oder vorwiegend festkochend), das zu verwendende Bratfett (Butter oder Öl oder beides) Auch bei den „erlaubten“ weiteren Zutaten (Zwiebeln? Geriebener Käse? Speck?) ist keine einheitliche Linie zu erkennen, nur in der Ablehnungsfront gegen Eier und Mehl stehen die Eidgenossen eisern zusammen.

Braten mit Olivenöl?

Meine Rösti muss ich dann wohl oder übel nach eigenem Gutdünken aus dem Schweizer Rezeptesalat extrahieren. Und das habe ich auch gemacht. Rohe, festkochende Kartoffeln (bei mir waren es Belana) schälen und mit der groben Reibe in ein Sieb stifteln. Etwas salzen, das fördert die Entwässerung. 20 Minuten abtropfen lassen und dann vorsichtig ausdrücken. Anschließend in einer Schüssel mit fein gehackter Schalotte und etwas geriebenem Käse vermischen (ich habe Greyerzer genommen) und noch ein wenig frisch gemahlenen Pfeffer dazu.

Zum Braten habe ich mich für Olivenöl entschieden. Denn entgegen der sich hartnäckig haltenden Gerüchte ist auch hochwertiges, kaltgepresstes Olivenöl dafür geeignet. Es darf allerdings nicht zu heiß werden, denn dann wird es bitter und sogar giftig. Der sogenannte Rauchpunkt liegt bei 180 Grad, heißer darf es nicht werden. Den Herd also auf die mittlere Stufe (oder etwas höher) einstellen und das Öl in der Pfanne (ich empfehle in diesem Fall ausnahmsweise eine beschichtete Pfanne) genau beobachten. Wenn es beginnt, sich leicht zu wellen, ist der Rauchpunkt fast erreicht, und man sollte die Hitze etwas reduzieren und mit dem Braten beginnen.

Die Mühe lohnt sich

Die Röstimasse wird mit den Händen nur leicht angedrückt zu flachen Plätzchen geformt, die dann ganz vorsichtig in die Pfanne gegeben werden, denn sonst fällt alles auseinander. Nach 3-4 Minuten sollte die Unterseite goldbraun, aber hoffentlich nicht schwarz sein. Jetzt ebenfalls ganz vorsichtig wenden und die andere Seite braten. Wenn man alles richtig gemacht hat, wird man für die ganze Mühe mit herrlich knusprigen Rösti belohnt, die innen ein wenig weich und durch den Käse angenehm würzig sind. Und für den bereits fertig zubereiteten Kräuterquark (siehe oben) ist das ein ziemlich kongenialer Partner, der die schnöden Bratkartoffeln doch um einige geschmackliche Längen hinter sich lässt.

Kleiner Nachtrag. Von der Röstimasse blieb noch etwas übrig. Kein Problem: Ein Rösti-Plätzchen gab es dann mit einem Spiegelei zum Frühstück und den letzten schließlich als Nachmittagssnack belegt mit Räucherforelle. Und falls dann immer noch was übrig bliebe (was nicht der Fall war), würden mir mit Sicherheit noch weitere schmackhafte Partner für den Schweizer Kartoffel-Knaller einfallen.

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