Reportage - Die drei Archen des Dichters

Eine Reise zu den Häusern Pablo Nerudas in Chile. Aus Anlass seines 100. Geburtstags am 12. Juli

Wie ein kleines Kind rennt ein massiger Mann an den Strand, langt mit beherztem Griff nach einem Stück Holz und zieht es aus dem Wasser. Dann betrachtet er das triefende Brett von allen Seiten, liebkost es und trocknet es sorgfältig. 
 
So dürfte es vor sich gegangen sein, als Pablo Neruda am chilenischen Pazifik-Strand vor seinem Lieblingshaus, der Isla Negra, der «Schwarzen Insel», eines der symbolträchtigsten Objekte barg, die er dem Mobiliar seines Domizils einverleibte. Der Holzblock war eine Ladeluke, die ein Schiff verloren hatte. Ein Stück Sperrmüll? Der Dichter-Röntgenblick hatte sofort erkannt, dass es sich um einen Sakralgegenstand handelte, um ein vom Meer und seinen Geheimnissen erfülltes Medium, ein schiffbrüchiges Stück Materie im Ozean der Zeit. 
 
Neruda ließ die Luke so präparieren, dass sie ihm als Schreibtisch dienen und ihn fortan mit Inspirationen versorgen konnte. Heute steht das Stück, stumm und ein wenig einsam, in der hintersten Ecke der Isla Negra. Man sieht ihm an, dass es gern weitererzählen würde, doch niemand versteht es mehr. Die Besucher, die in kleinen Gruppen in das Haus hereingelassen werden, werfen einen kurzen Blick auf den Schreibtisch, sagen artig «Ah!», wenn sie die Geschichte hören, wie Neruda den Holzblock einst eingefangen hat, und wenden sich lieber der grandiosen Muschelsammlung zu. 
 
Die drei Häuser, die der Dichter, Diplomat und Politiker  Pablo Neruda (1904–1973) sich und seinen Lebensgefährtinnen in Chile erbaut hat, sind voll gestopft mit profanen Gegenständen wie der wunderlichen Schreibtischplatte aus dem Meer; ihr Zauber ist nur noch für den zu dechiffrieren, der sich dem Metaphern-Meer seiner Poesie auszusetzen bereit ist. Der Sammelleidenschaft des Dichters entkam nicht das kleinste Objekt. Er teilte jedem Gegenstand seinen Platz und seine Aufgabe zu. In den drei Häusern hütete, benutzte, pflegte Neruda seinen Schatz. Erstaunlich viele jener alltäglichen Ritualobjekte haben die Pinochet-Diktatur, die am 11. September 1973, wenige Tage vor dem Tod Nerudas, über das Land hereinbrach, unbeschadet überstanden, manches allerdings ist unwiederbringlich verloren. 
 
Mitten im Häusermeer ein Haus wie ein Schiff Wie Archen nach der Sintflut stehen die drei Häuser auf festem Grund. Einzig die Isla Negra hat Wasser direkt zu ihren Füßen, sie liegt an der Küste des Pazifischen Ozeans. Eine «Insel» ist sie, ihrem Namen zum Trotz, mitnichten. Die schwarze Farbe des Felsgesteins an jenem Küstenstreifen hat Neruda zu der Namensgebung verführt. Die beiden anderen Domizile erheben sich über das Häusermeer der Städte, in denen sie gebaut wurden: in Valparaíso die Sebastiana, von der aus sich immerhin ein phantastischer Blick über den Hafen und die Bucht bietet; in Santiago die Chascona, Nerudas Haus in der Hauptstadt, das vollständig auf dem Trockenen liegt: kein Wasser ist weit und breit zu sehen. 
 
Die Chascona ist der eindrucksvollste Beleg für die unstillbare Meeres-Sehnsucht des von der Schifffahrt und ihren Wagnissen besessenen Poeten. Mitten in einer Großstadt ein Haus, an dem alles Schiff ist! Wem würde es einfallen, in einem Zimmer einen Boden verlegen zu lassen, der knarzt wie der Boden eines Bootes; mit einem Metalldach das Haus abzudecken, auf dem das Prasseln des Regens klingt wie Meeresrauschen; den Garten mit steilen, engen Treppen zu versehen, die einen glauben machen, über eine schwankende Schiffstreppe von einem Deck aufs andere zu klettern!
Als Neruda 1953 mit dem Bau der Chascona begann, wusste er, was das Meer ist. Er war in der Welt herumgekommen. Die komfortable Berufskombination aus Dichter und Diplomat hatte ihn vor allem ins ferne Asien geführt: Er war chilenischer Konsul in Rangun, Colombo, Batavia und Singapur gewesen. Seine diplomatischen Posten in Barcelona und Madrid brachten ihn mit der damals jungen, sprachgewaltigen, sich in einen Aufbruchsrausch steigernden Dichtergeneration von 1927 zusammen, vor allem mit Federico García Lorca und Rafael Alberti. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg ging Neruda 1939 als Konsul nach Paris. 
 
Blind und taub als Vorzeigedichter der KP Der Sohn eines kleinen Eisenbahnarbeiters aus dem südchilenischen Kaff Parral wurde früh schon zum Weltbürger. Seinen biblisch-aufwendigen Taufnamen Ricardo Eliecer Neftalí Reyes Basoalto hat er 1920, mit vierzehn Jahren, in einen poetischen Markennamen verwandelt, den er einem weit entfernten Dichterkollegen, dem Tschechen Jan Neruda, entlehnte.
 
Pablo Neruda war spätestens 1945, mit seinem Eintritt in die Kommunistische Partei Chiles, zum Vorzeigedichter des Weltsozialismus geworden. Er trat in der Sowjetunion, in China und in anderen sozialistischen Bruderstaaten als Redner auf, spendete Lobeshymnen, nahm Huldigungen entgegen. Im Leben des hochsensiblen Poeten zählt es zu den seltsamsten Ungereimtheiten, dass er für die Grausamkeiten, die in jenen Ländern im Namen der Ideologie begangen wurden, zeit seines Lebens blind und taub blieb.
 
Im Jahr 1952 kehrte Neruda zum ersten Mal für längere Zeit nach Chile zurück. Die auf diese Heimkehr folgenden Jahre blendet er in seinen Lebenserinnerungen («Ich bekenne, ich habe gelebt») auf eine Weise aus, die suggerieren soll, dass sie in stiller Zufriedenheit und Harmonie verlaufen seien. Tatsächlich waren es besonders stürmische Zeiten. Der Ablösungsprozess von der Argentinierin Delia del Carril, seiner zweiten Frau, verlief schmerzhaft und komplex (die erste, 1930 geschlossene Ehe mit Maria Antonieta Hagenaar hatte nur sechs Jahre gedauert). 1955 kam der endgültige Bruch. Mit Delia war Neruda noch 1953 zum II. Schriftstellerkongress nach Moskau gereist und hatte den Stalin-Friedenspreis entgegengenommen.
 
Eine Geheimtür für exklusive Trinkgelage Für seine dritte Frau, Matilde Urrutia, die schon 1946 in sein Leben getreten war, baut Neruda von 1953 an die Chascona in Santiago. Das Wort aus der Indio-Sprache Quechua bedeutet «Struwwelkopf», ein liebevoller Hinweis auf die Frisur Matildes. Das «Hausschiff» auf dem Bergsporn im Stadtviertel Bellavista, dessen Hauptbaukörper mit dem Salon Kommandobrücke und Leuchtturm zugleich ist, enthält alles, was Nerudas genussfreudige, sinnlich-verspielte Natur brauchte, um sich ausleben zu können. Auf dem Tisch mitten im Salon steht ein betagtes Astrolabium, ein für Neruda besonders wichtiges astronomisches Gerät, das ihn Tag für Tag darauf hinzuweisen hatte, dass nichts absolut und unveränderlich ist, sondern alles relativ, aufeinander bezogen. Alles kann sich, wenn man es dreht und wendet, in etwas anderes und sogar in sein Gegenteil verwandeln.
Die Gastereien und Trinkgelage im Hause Neruda sind legendär. Tage-, oft wochenlang werden Geburtstage und andere Ereignisse gefeiert. Im Esszimmer der Chascona ist der Tisch für den heutigen ehrfürchtigen Besucher zur Anschauung so penibel gedeckt, wie er es bei den Gelagen in den Räumen der Chascona und der anderen Häuser sicher nie war. Plötzlich dringt lautes Gelächter in die museale Stille. Es scheint aus einem Wandschrank zu dringen. Wir öffnen neugierig seine Tür, und zu unserem Erstaunen enthält er statt Kleidern oder Geschirr – eine Treppe. 
 
Wir gehen durch den Schrank und erreichen über die Treppe einen kleinen, intimen Raum, in dem vier Personen an einem Tisch im Stil der fünfziger Jahre einander zuprosten und in lautes Gejohle ausbrechen. Kaum haben wir uns in dem engen Raum umgedreht, ist der Spuk vorüber. Der Kapitän, der in diesen Räumen das Kommando hatte und noch immer anwesend scheint, pflegte mit seinen Gästen allerlei Schabernack zu treiben. Er trat in Verkleidung auf, erschien unvermittelt vor seinen am Esstisch versammelten Freunden oder entzog sich ihnen nach Belieben mit Hilfe der Geheimtür.
 
Die Chascona ist bevölkert mit Gegenständen aus den Ländern, die Neruda bereiste, Zeugen aus den unterschiedlichsten Lebensabschnitten des Dichter-Diplomaten und Politikers, bunt durcheinander gewirbelt: das Karussellpferd, das der Pferdenärrin Delia gehörte, afrikanische Fruchtbarkeitsgötter und russische Matrioschka-Puppen, der ausgehöhlte Fernsehapparat im Stil der sechziger Jahre, der zum Besteckschrank umgestaltet wurde, und die zwei überdimensionalen Schuhe, die Neruda einem Schuster abgeluchst hatte. Es sind zwei Schuhe für den rechten Fuß. Im Schaufenster des Handwerkers im südchilenischen Temuco hatte nur ein Exemplar gestanden, Neruda wollte noch «genauso einen» haben – und erhielt ihn. 
 
Das ungleiche (oder allzu gleiche) Schuhpaar, das bestenfalls dazu dienen könnte, einen Riesen auf tapsigem Versfuß dahintorkeln zu lassen, steht vor einem Portrait des Dichtervorbilds Walt Whitman in einem Kultraum der Chascona – in der Bar, oder genauer: in einer der drei Bars, die sich Neruda in dem Hauskomplex eingerichtet hatte. Die Bar ist in jedem der drei Häuser das Allerheiligste. Hinter dem Tresen hat nur der Kapitän Platz nehmen dürfen. Dort waltete er seines Amtes, mixte Cocktails, vor allem den geheimnisvollen Coquetelón – und er mischte die Gesprächsthemen für die Trinkrunden mit seinen Freunden.
 
Die besonders üppig ausgestattete Bar in der Sebastiana, dem Haus in Valparaíso, gleicht mit ihrem skurrilen Zapfhahn, der Sammlung seltsamer Apparaturen, bunter Gläser, Flaschen, Figuren, Becher, Phiolen und der magischen Beleuchtung einem mystischen Kabinett. «Don Pablo est ici», steht auf einem Schild. Auf einem darüber hängenden Foto macht der Hausherr gerade einen seiner Späße mit einem Vogel, der auf seinem Kopf sitzt. 
 
Wie aus Wohnstätten Poesie wird Die Sebastiana hatte Neruda 1959 erworben. Da war das Haus unfertig, verlassen. Ein gewisser Sebastián Collado, ein Spanier, hatte es für sich errichten wollen, starb aber vor der Vollendung des Baus. Nerudas Dichter-Freundin Sara Vial entdeckte den Haus-Torso, der allein schon wegen seiner Lage aufs höchste entzückte: Vom Wohnzimmer aus bietet sich eine atemberaubende Rundumsicht über das bunte Häusermeer und den Hafen von Valparaíso.
Die Sebastiana nahm Neruda, wie anders, mit einem rauschenden Fest in Besitz. «Am 18. (September 1961) – Menü: Empanadas, Rotwein, blauer Himmel», lautete die Einladung. «Von oben herab empfingen uns an jenem Frühlingsmorgen Gesänge, Gitarrenklänge, die Stimmen der Freunde, Düfte des Fleischs, das in der Sonne auf dem Grill bräunte. Uns begrüßte ein Neruda in Bauerntracht, mit einem Band am Gürtel», erzählt Sara Vial. «Die Feste Nerudas waren nie reine Eßgelage, als Ergänzung zu dem frühlingshaften Grillgericht wurde für die Freunde die erste Ausgabe des Gedichts ‹Die Sebastiana› geboren.» Nerudas Häuser wurden, wie fast alles, was er berührte, zu Poesie. 
 
«Mein Haus ist ein Spielzeug» Noah hat seine Archen verlassen. Was sich heute in den Häusern befindet, ist zwar nach bestem Wissen und Willen von Fachleuten arrangiert, doch musste die ursprüngliche Einrichtung weitgehend rekonstruiert und nachempfunden werden. Die Sebastiana, in der sich Neruda nur vergleichsweise selten aufgehalten hat, ist nicht nur durch Vernachlässigung, sondern auch durch das Erdbeben von 1985 in Mitleidenschaft gezogen worden. Erst 1991 wurde der restaurierte Komplex als Museum eröffnet. 
 
Am eindringlichsten spiegelt noch die Isla Negra Nerudas von Poesie durchdrungenes Lebensgefühl. Das Kerngebäude hatte er schon 1938 erworben. «Ich habe mein Haus wie ein Spielzeug gebaut, und ich spiele damit von morgens bis abends», bekannte er. Der Komplex ist nicht nur selbst ein Spielzeug, in den Anbauten sind auch all die Spielsachen untergebracht, die Neruda im Lauf der Zeit angeschleppt hat: Flaschen, Schiffe, Spazierstöcke, Pfeifen, afrikanische Masken, chilenische Sporen, exotische Schmetterlinge, 640 Muscheln, schließlich auch eine Figur des «Gottes des Bösen» von der Osterinsel; Besucher durften ihr nicht ins Auge sehen, wenn sie von Unglück verschont bleiben wollten.
 
Vor allem die weiblichen Schiffs-Galionsfiguren, die Nerudas Sammelleidenschaft erlagen, darunter die unanständige «Guillermina» mit ihren entblößten Brüsten, bevölkern die «Schwarze Insel». Das lebensgroße Spielzeugpferd, das Neruda schon in seiner Kindheit fasziniert hatte und das er – wie die Riesenschuhe dem Schuster – dem Besitzer eines Ladens für Gaucho-Bedarf in Temuco abgerungen hatte, erhielt einen eigenen «Stall». Es hat drei Schwänze, die ihm Besucher als Gastgeschenke dargebracht hatten. 
 
Auf Tuchfühlung mit dem Meer Die Isla Negra verrät noch heute in jedem ihrer Winkel und mit jedem der in ihr heimischen Gegenstände, wie glücklich Neruda in ihrem Gemäuer gewesen sein muss, in das er von seinen Weltreisen wie von seinen aufreibenden Aufenthalten in der Hauptstadt Santiago immer wieder dankbar heimkehrte und wo ihm seine Gattinnen, zuerst Delia, später Matilde, intensiver als an allen anderen Orten das Gefühl der Geborgenheit vermitteln konnten. Die Isla Negra war einer der wenigen Fixpunkte in Nerudas imaginiertem und wirklichem Seefahrerleben. 
In der Isla Negra war er mit dem Meer auf Tuchfühlung. Er konnte von seinem Bett aus hören und sehen, wie es in tosender Unruhe kam und ging, konnte spüren, wie es unaufhörlich Leben schuf und vernichtete. «Von Bett zu Bett zu Bett / geht diese Reise», dichtete er in der Sammlung «Navegaciónes y regresos» (Schiffsfahrten und Rückkehr), «das ist die Reise, / die Reise des Lebens. / Wer geboren wird, der Verletzte, / und der, der stirbt, / wer liebt und träumt, / sie kommen und sie gehen von Bett zu Bett, / wir kommen und gehen in diesem Zug, in diesem Schiff, in diesem / Fluß, der gemein ist / jedem / Leben / gemein / jedem Tod.» 
 
Bald nach seinem 69. Geburtstag am 12. Juli 1973 steht Neruda die letzte Reise bevor. Den Ehrentag hat man schon nicht mehr wie in früheren Jahren als rauschendes Fest begangen. Der Dichter ist schwer krank, das Krebsleiden stark fortgeschritten. Fieberhaft schreibt und dichtet er in der Isla Negra. Für eine ruhige, abgeklärte Lebensbilanz bleibt ihm keine Zeit mehr. Aber er kann befriedigt feststellen, dass er das Höchste erreicht hat, was ein Literat erreichen kann: Er hat 1971, zwei Jahre zuvor, den Literatur-Nobelpreis erhalten. 
 
Eine möglicherweise noch eindrucksvollere Krönung seines Lebens, das sich die Poesie stets mit seinem politischen Engagement teilen musste, hätte die Wahl Nerudas zum Präsidenten Chiles werden können. Dazu wäre es sogar beinahe gekommen, 1970. Unversehens war er zu einer Integrationsfigur der zerstrittenen linken Parteien und Gruppierungen geworden. Obwohl ihn die Krankheit schon heimgesucht hatte, zog er zunächst sogar in den Wahlkampf. Man kann sich nur schwer ausmalen, wie er das in immer stürmischere See abdriftende chilenische Staatsschiff als Steuermann auf einen guten Kurs hätte bringen können. Nicht ohne Reiz ist allerdings auch die Vorstellung, dass in der Person Nerudas einer der größten Dichter spanischer Zunge ans Ruder gekommen wäre, der vielleicht mit der Waffe des Wortes mehr ausgerichtet hätte als andere Politiker mit nackter militärischer Gewalt. Die magische Macht von Nerudas Poesie begann indes zusehends zu schwinden. Groß war seine Erleichterung, als sich die Linke doch wieder hinter seinem Gefährten Salvador Allende sammelte, der ihn kurze Zeit nach seiner Wahl im September 1970 als Botschafter nach Paris schickte.
 
Am 11. September 1973 putscht der General Augusto Pinochet. Wie eine gewaltige Flutwelle macht die Diktatur nicht nur die Isla Negra, sondern das ganze Land zu einer Toteninsel. Auf dem Siechbett in der Isla Negra bekommt Neruda, dem zusehends die Kräfte schwinden, noch das Echo des blutigen Umsturzes mit. Salvador Allende stirbt im Präsidentenpalast in Santiago, «mit seinem großen Herzen, / eingehüllt in Rauch und Flammen», wie Neruda bitter dichtet. Auf Rat der Ärzte wird der Poet mitten im Aufruhr in einer Ambulanz von der Isla Negra in die Chascona in Santiago gefahren. Dort trifft das Dichterpaar nur noch auf Gewalt und Verwüstung. Das Haus ist geplündert. Das Wasser eines Kanals, der das Anwesen durchquert, haben die Vandalen in das Haus geleitet und tatsächlich eine Sintflut entfesselt. Auch die Isla Negra wird vom marodierenden Mob heimgesucht.

Matilde lässt Neruda in ein Krankenhaus in Santiago bringen. Dort stirbt er am 23. September. «Oh Meer, schreckliches Bett, / ewige Bewegung / von Leben und Tod», klingt es nach, als der «Marinero en tierra», der berühmte Landmatrose, wenige Tage später trotz des allgegenwärtigen Terrors unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt wird. Seine sterblichen Überreste können erst Jahre später auf die «Schwarze Insel» zurückkehren. Zusammen mit Matilde hat der Rastlose im Angesicht des Meeres, nur wenige Meter von seinem Haus entfernt, seine letzte Ruhestätte gefunden.


Josef Oehrlein ist Lateinamerika-Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und lebt in Buenos Aires. Zuletzt erschien von ihm «Madrid. Das Insider-Lexikon»

 

Bücher von und über Pablo Neruda Pablo Neruda In Deinen Träumen reist Dein Herz. Einhundert Gedichte Hg. und aus dem Spanischen übersetzt von Fritz Rudolf Fries. Luchterhand, München 2004. 224 S., 12 €
 
Aufenthalt auf Erden. Gedichte Aus dem Spanischen von Erich Arendt und Stephan Hermlin. Sammlung Luchterhand, München 2004.  208 S., 9,50 €
 
Ich bekenne, ich habe gelebt. Memoiren Aus dem Spanischen von Curt Meyer-Clason. Sammlung Luchterhand, München 2003.  480 S., 11,50 € 
 
Stefan Wieczorek (Hg.) «Ein Fest zu feiern und sich zu berauschen …»  Gedichte an Pablo Neruda Sammlung Luchterhand, München 2004. 144 S., 9,50 €
 
Sara Vial Pablo Neruda in Valparaíso Aus dem Spanischen von Brigitte Buttmann-Simon. Atlantik, Bremen 2004. 304 S., mit 200 Fotos, 32 €
 
Maren Gottschalk «Es brennt das Leben».  Die Lebensgeschichte des Pablo Neruda Beltz & Gelberg, Weinheim 2003.  202 S., 16,90 €

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