Portrait - Das Prinzessinnen-Syndrom

Kinderstar, Leinwand-Diva, tragische Figur: Romy Schneiders Leben bietet Stoff für Biografien, Bildbände und Romane - Zum 70. Geburtstag von Romy Schneider

In einem Alter, in dem andere Mädchen dem Prinzessinnen-Spiel längst entwachsen sind, steigt sie «von der Prinzessin über die Königin zur Kaiserin» auf. Von dieser Laufbahn wird sie sich nie mehr erholen, auch wenn sie den goldenen Käfig bald flieht, um – mit dem Umweg über eine kurze Ehefrau- und Mutterrolle – schließlich zur europäischen Kino-Königin zu werden. Nach gängiger Lesart ist der größte Erfolg im Leben der Romy Schneider zugleich ihre größte Hypothek und eine Vergewaltigung. Mutter und Stiefvater entschieden für das junge Mädchen, welche Rollen, welche Gagen, welche Auftritte opportun waren. Sie zwangen Romy zum dritten Film der «Sissi»-Reihe («Schicksalsjahre einer Kaiserin»), versuchten ihre Karriere rigoros zu steuern. Das taten sie auch zum eigenen Vorteil, denn Mutter Magda Schneider war an der Seite der Tochter wieder gut im Kino-Geschäft, Stiefvater Hans Herbert Blatzheim konnte mit den immensen Gagen der Minderjährigen großzügig eigene Geschäfte finanzieren.

In Hans-Jürgen Syberbergs eindrucksvollem Dokumentarfilm «Romy – Portrait eines Gesichts» von 1965 erzählt sie selbst: «Dem Publikum hat’s gefallen, also war es richtig! Mir hat’s auch gefallen! Ich war selig. Ich war die Prinzessin, nicht nur vor der Kamera. Ich war dauernd a Prinzessin. Ich war fast sieben Jahre lang Prinzessin. Aber dann wollt’ ich’s halt eines Tages nicht mehr sein.» Was kann es Schöneres für eine Halbwüchsige geben, als Prinzessin zu spielen? Andererseits reicht diese Rolle nicht fürs Leben. Und überhaupt: was heißt schon Leben bei einer so manischen und viel beschäftigten Kino-Schauspielerin, die einmal von sich sagte, auf der Leinwand alles, im Leben aber nichts zu können?


Dreieinhalbtausend Bilder am Tag

Romy Schneiders Werdegang lässt sich allein über ihre Filme erzählen, und genau das tut der österreichische Filmwissenschaftler Günter Krenn in seiner vorzüglichen Biografie. Das Kapitel über die erfolgreichen «Sissi»-Filme überschreibt er «Das Paradies-Syndrom». Krenn hat genau recherchiert, viele Gespräche mit Weggefährten und Kollegen geführt und hütet sich vor eindeutigen Urteilen und schnellen Zuschreibungen, die Romy Schneider nur allzu häufig zuteil geworden sind. Er analysiert die Filme, zieht Verbindungen zur Filmgeschichte, geht auch abseitigen Spuren nach (etwa Georg Tresslers Film «Die Halbstarken» aus dem Jahr 1956, in dem es schon eine Romy-Hommage gibt). Vor allem aber entwirft er das stimmige Bild einer Frau, die zeit ihres Lebens die Öffentlichkeit ebenso suchte wie hasste; die mit den Medien genauso wenig leben konnte wie ohne sie.

Das Leben der Romy Schneider bot immer schon reichlich Stoff – sowohl für freundschaftliche Erinnerungen als auch für analytische Betrachtungen. Kein Klischee, das dieser «letzten Diva» nicht schon galt, keine feministische, keine psychoanalytische Interpretation, die nicht auf ihr ebenso erfolgreiches Berufs- wie glückloses Privatleben angewendet wurde. Hildegard Knef schrieb über die Freundin eine Art Drama des missverstandenen Stars, im penetranten Ton der einzig wahren Erkenntnis, als wär all das ein Stück von ihr. Alice Schwarzer, die Romy Schneider 1971 für ihre § 218-Kampagne im «Stern» gewonnen und später für die erste Ausgabe der «Emma» interviewt hatte, stützt ihre Behauptungen kaum durch Quellen. Daniel Biasini, Romys zweiter Ehemann und Vater ihrer Tochter, will ihr Leben in ein neues Licht setzen und damit nicht zuletzt seine eigene – unvorteilhafte – Rolle darin. Die Freundin Christiane Höllger fand in Romy Schneider ihr journalistisches Lebensthema. Und dann sind da noch all die Fotografen, die die ungemein fotogene Schauspielerin auf ihren öffentlichen, oft auch auf privaten Wegen begleiteten. Sie bannten ihr schönes Bild für immer ins kollektive Gedächtnis.

Freddy Langer schreibt im neuen Foto-Band «Die Erinnerung ist oft das Schönste», Romy Schneider habe die Kamera als Spiegel begriffen, um neue Rollen auszuprobieren, und zitiert dazu den Fotografen F. C. Gundlach: «Sie war ein Medium …, sie selbst konnte sie nicht sein.» Für Romy Schneider gilt er jedenfalls auch, der berühmte Marlene-Dietrich-Satz: «Ich bin zu Tode foto­grafiert worden.» Allerdings holte sie sich die Fotografen selbst ins Haus, lieferte sich ihnen gerne aus – getrieben von der Gier nach Öffentlichkeit und Bestätigung. In einer Fotosession mit Werner Bokelberg entstanden an einem einzigen Tag dreieinhalbtausend Bilder. Alle Fotografen scheinen dabei immer auf der Suche nach dem eigentlichen Gesicht der Schauspielerin gewesen zu sein – und nach ihrer Traurigkeit.

Yvonne Catterfeld als junge Romy?

Dass Romy Schneiders Popularitätsmaschine dieser Tage wieder einmal auf Hochtouren läuft, hat seinen Grund in einem Jubliäum: Am 28. September hätte diese Tochter eines in Nazi-Deutschland viel beschäftigten Schauspie­ler-Paares, die Enkeltochter der großen Bühnenschau­spielerin Rosa Albach-Retty, ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert. Geplante Verfilmungen ihres Lebens sorgten bereits für Schlagzeilen. Und tatsächlich gibt es Leute, die finden, dass Yvonne Catterfeld und auch Jessica Schwarz der jungen Romy Schneider wie aus dem Gesicht geschnitten seien.

In die Kinogeschichte radelt die 14-jährige Romy Schneider 1953 hinein: Ein junges Mädchen fährt mit ihren Freunden, darunter Götz George, durch den Park. In «Wenn der weiße Flieder wieder blüht» spielt sie an der Seite ihrer Mutter eine vaterlose Tochter. Gleich dieser ers­te Film bietet das, was diese Schauspielerin immer begleitet hat: eine Vermischung von Kinorolle und Leben. Hier ist es der bewunderte ferne Vater, dem sie sehnsüchtig nachschaut, als er ins Flugzeug steigt – ein Bild, das aus ihrer vaterlosen Kindheit stammen könnte. Im ersten «Sissi»-Film sagt Romy Schneider, die doch in ihren Mädchen-Tagebüchern den Wunsch, Schauspielerin zu werden, immer wieder variiert: «Mir ist, als träumte ich das alles»; in «Christine», ihrem ersten Film mit Alain Delon: «Ich bin 20 und möchte mich auch amüsieren.» Und als sie in ihrem letzten Film «Die Spaziergängerin von Sanssouci» an der Seite eines Jungen im Alter ihres eigenen Sohnes spielt, scheint das Schicksal der Leinwand-Heldin untrennbar mit dem der Schauspielerin zu verschmelzen – mit 14 Jahren war Romy Schneiders Sohn David durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen. Ein Jahr später, am 29. Mai 1982, stirbt Romy Schneider – an gebrochenem Herzen, wie Alain Delon sagen wird.

Die Dramen ihres Privatlebens, so schreibt Delon in einem Abschiedsbrief, hätten stets auf die Leinwand zurückgestrahlt.

Die medizinische Diagnose spricht, etwas nüchterner, von Herzversagen, von Medikamenten und Alkohol.

Laurent Pétin, der letzte Mann ihres Lebens, war nach einem Restaurantbesuch schon zu Bett gegangen, Romy Schneider, die ohne Tabletten nicht mehr schlafen konnte und schon viel zu lange viel zu viel trank, war wach geblieben, wollte Musik hören. Außerdem musste sie ein Interview schriftlich absagen, weil ihre Tochter die Röteln hatte. Diesen Brief konnte sie nicht mehr zu Ende schreiben. Es sind nicht viele Stunden, die leer bleiben: von denen man nicht weiß, was Romy Schneider tat und dachte. Genau jene Stunden aber versucht Olaf Kraemer in seinem Roman «Ende einer Nacht» zu füllen. Die Ausgangslage ist dem realen Leben entliehen: Der Mann geht ins Bett, die Frau bleibt wach. Hier setzt die Fiktion ein. Kraemer lässt Romy Schneider die Wohnung verlassen, weil sie Tabletten braucht, weil sie (die ewige Litanei der Abhängigen: ein letztes Mal) sich der Sucht unterwerfen, ihr nichts entgegensetzen will. Sie geht in eine Apotheke ihres Vertrauens, dort aber ist der Besitzer gestorben, und sein Nachfolger verweigert ihr die rezept­pflichtigen Mittel. Sie setzt sich ins Taxi, fährt zu einem dubiosen Arzt, der bekannt ist für Hilfestellungen in letzter Minute. Wenn man das nötige Geld hat, steht er Tag und Nacht zur Verfügung.


«Ich bin 50 Filme»

Kraemer – Autor einer erfolgreichen Uschi-Obermaier-Biografie – hat ein gutes Gespür für Stimmung und Dramaturgie bei dieser letzten Reise durch die Nacht. Die Frau erinnert sich, lässt ihr Leben Revue passieren, Motive ihrer Filme verwischen die Wirklichkeit. Man hat bei der Lektüre sofort mögliche Kinobilder vor Augen: das Bistro, in dem sie ein letztes Glas trinkt, das Treppenhaus, das zum Arzt führt, der Zusammenbruch auf der Toilette. Doch trotz des überzeugenden Arrangements bleibt nach der Lektüre ein schales Gefühl: Der Autor variiert die bekannten Romy-Klischees, aber für die Ängs­te eines vom Schicksal geschlagenen Stars findet er keinen eigenen lite­­rarischen Ton.

Über den depressiven Harry Meyen – Romy Schnei­ders ersten Ehemann und Vater ihres Sohnes – heißt es etwa, er sei «unsinnlich und steif» gewesen, habe sich hinter «englischen Klamotten und Antiquitäten, Manierismen und sogar Prüderie – der elendigsten Form des Geizes, wie Stendhal gesagt hatte» – verschanzt. Dem Roman-Autor Kraemer unterläuft hier genau das, was der kluge Biograf Günter Krenn so beschreibt: «Wie in einer virilen Commedia-dell’arte-Version reduziert man die Männer in Romys Leben auf Stereotypen, als reichte Eindimensionalität zur Beschreibung aus. Man findet den rücksichtslosen Macho (Alain Delon), den kalten Intellektuellen (Harry Meyen), den Gigolo und Ausbeuter (Daniel Biasini), den fürsorglichen Freund (Laurent Pétin). Nichts davon reicht über eine Schablone hinaus.» Das Schab­lonenhafte ist es denn auch, was den atmosphärisch interessanten Roman über «Die letzten Stunden der Romy Schneider» scheitern lässt. Hier erfährt man nichts Neues über diese Frau, die 1977 vielsagend formulierte: «Ich bin 50 Filme», so wie andere Leute sagen «Ich bin 50 Jahre alt».

Worin aber lag nun die Faszination, der unglaubliche Reiz dieser Schauspielerin, die – unabhängig von der Frage, ob sie klassisch schön war – die Leinwand durch Anmut, Charme und Emotionalität auf unvergleichliche Weise zum Strahlen bringt? Günter Krenn zitiert die Schauspielerin Gertraud Jesserer: «Ein Kameragesicht. Großflächig schön»; und Gregor von Rezzori, der 1962 über die Augen der jungen Romy Schneider schreibt: «Sie liegen ein wenig tief, diese wachsamen Augen, eingebettet in die zarte Schwellung der Unterlider, die wie in einem innewohnen­den, das ganze Wesen durchtränkenden Lächeln hochgezogen und aufgeworfen sind. Wendet es sich einem zu, bewirkt es eine jähe Rührung und heftige Zuneigung, wie die runden und weichen Zutraulichkeiten junger Tiere.»

 

Manuela Reichart ist Literatur- und Filmkritikerin und lebt in Berlin

 

Günter Krenn
Romy Schneider. Die Biographie
Aufbau, Berlin 2008. 415 S., 24,95 €

Olaf Kraemer
Ende einer Nacht. Die letzten Stunden der Romy Schneider. Roman
Blumenbar, München 2008. 188 S., 17,90 €

Thilo Wydra
Romy Schneider
Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2008. 160 S., 7,90 €

Jürgen Trimborn
Romy und ihre Familie
Droemer, München 2008. 576 S., 19,95 €

Michael Jürgs
Der Fall Romy Schneider. Eine Biographie
Ullstein, Berlin 2008. 352 S., 9,95 €

Hildegard Knef
Romy Schneider. Betrachtung eines Lebens
Moewig, Hamburg 2007. 176 S., 14,90 €

Alice Schwarzer
Romy Schneider. Mythos und Leben
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 288 S., 8,95 €

Beate Kemfert (Hg.)
Die Erinnerung ist oft das Schönste. Fotografische Portraits von Romy Schneider.
Mit einem Text von Freddy Langer
Hatje Cantz, Stuttgart 2008. 176 S., 29,80 €

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