Christina Morina / Foto: Andrea Seifert

Christina Morina im Porträt - Einheit im Zweiland

Die Historikerin Christina Morina forscht zu unterschiedlichen Demokratieerfahrungen in Ost und West. Ihr neues Buch „Tausend Aufbrüche“ macht da weiter, wo Dirk Oschmann aufhört. Dafür ist sie tief in die Archive gestiegen.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Die wirklich großen Probleme zeigen sich erst in der Provinz. Die Orientierungslosigkeit zum Beispiel. Wer etwa in Bielefeld vom Hauptbahnhof zur Universität fahren möchte, der nehme besser ein Taxi! Das ÖPNV-­Netz auf dem Lande, dies zur Warnung, ist voller Lücken und weißer Flecken. Und das ist nur ein Beispiel dafür, warum der Unterschied zwischen den großen Städten und der Provinz in Deutschland längst prägender zu sein scheint als der zwischen Ost und West.

Christina Morina kann das bestätigen. Aufgewachsen in Frankfurt (Oder), zu DDR-Zeiten eine überschaubare Bezirksstadt, die der Lauf der Geschichte an den äußersten Rand des Landes gedrängt hatte, lehrt die heute 47-jährige Historikerin mittlerweile 500 Kilometer weiter westlich: in Bielefeld, jener Stadt also mit dem lückenhaften ÖPNV-System. Und da eben auch diese Stadt nicht gerade das Herzstück des mittlerweile vereinigten Deutschlands bildet, fühlt es sich hier für sie fast ein bisschen wie zu Hause an. Deutsche Provinz eben. „Ich glaube, das politisch weit brisantere Thema ist heute tatsächlich das Stadt-Land-Gefälle“, sagt sie. Zu Recht. Denn geschehen nicht auch die meisten Dinge, die man im Osten bemängelt, irgendwo tief im Hinterland?

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Wolfgang Borchardt | Mo., 22. Januar 2024 - 22:34

Menschen, die noch in der DDR aufgewachsen sind. Aber die haben eine wesentliche zusätzliche historische Erfahrung, insbesondere ein klares Gespür für den Unterschied von Diktatur und Demokratie. Die Deutungshoheit für das, was Demokratie ist, liegt allein bei den gerade Regierenden. Schließlich hielt sich auch die DDR für eine demokratische Republik.

@Herr Borchardt, nach meiner Erfahrung vermissen viele eine "handlungsfähige" Demokratie. Wenn Führung versprochen, aber Ideologie geliefert wird, haben Wähler mit Diktaturerfahrung wahrscheinlich feinere Antennen bezüglich einer glaubwürdigen Politik.