Bettina Stark-Watzinger - Keine Macht, kein Geld, aber viele Probleme

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) hat weder die finanziellen Möglichkeiten noch den politischen Einfluss, das Bildungssystem zu reformieren. Kein Wunder, dass sich die eigentlich Zuständigen für ihren „nationalen Bildungsgipfel“ kaum interessieren.

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, kommt zum Bildungsgipfel / picture alliance
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Schon bevor die Veranstaltung überhaupt begonnen hatte, war die Blamage perfekt. Zu einem nationalen „Bildungsgipfel“ hatte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) heute nach Berlin geladen. Aber die eigentlich Zuständigen, die Bildungsminister der Länder, zeigten Stark-Watzinger durch weitreichende Abwesenheit: den Stinkefinger.

Gründe für einen nationalen Bildungsgipfel gibt es indes viele: miserable Schülerleistungen schon seit Jahren, Unterrichtsausfall aller Orten und ein Digitalisierungsprogramm, das – eigentlich zum Glück für echte Bildung – nicht so recht voran kommen will. Stark-Watzinger hat sich daher vorgenommen, die Bildungsrepublik endlich auf Vordermann zu bringen.

Sie sei schließlich die „Anwältin der Schülerinnen und Schüler“, äußerte sie unlängst in einem Streitgespräch mit der Bildungsministerin Karin Prien (CDU) aus Schleswig-Holstein. Obwohl man nicht recht weiß, woher sie dieses Selbstbewusstsein eigentlich nimmt. Die angebliche Konsequenz dieser Selbstermächtigung: Man müsse sich noch einmal „über Zuständigkeiten unterhalten“. Es sei Zeit dafür, dass der Bund „für ein Mehr an Bildung“ sorge. Es riecht also nach einer Föderalismusreform.

Keine finanziellen Spielräume

Aber da beginnen die Probleme. Ausgerechnet die Bundesbildungsministerin hat in Sachen Bildung in Deutschland nur das zu sagen: überhaupt nichts! Der Bildungsbereich ist nämlich verfassungsrechtlich die Kernkompetenz der Länder. Das einzige, was sie tun kann, ist das Folgende: Die Länder mit Geld überschütten und an diese Finanzflüsse Bedingungen knüpfen. Ihr einziges Instrument ist im Grunde die Bestechung. 

Nur gibt es ein Problem: Seit Neuestem hält das Bundesfinanzministerium das Geld wieder zusammen. Die staatlichen Einnahmen steigen infolge der Inflation zwar deutlich an, aber genauso explodieren die Ausgaben des Staates, darunter die Zinslasten. Keine Spielräume für bildungspolitisches Spielgeld also. Da trifft es sich gut, dass Stark-Watzinger schon einmal darauf hinwies, dass die Höhe der Bildungsausgaben im internationalen Vergleich schon heute gar nicht so schlecht sei. Anders ist es hingegen bei den Leistungen der Schüler.

Die verfassungsrechtliche Lage

Keine Macht, kein Geld, aber viele Probleme. Ungefähr das ist die Lage der Bundesbildungsministerin. Ihr Problem: Selbst in der medialen Öffentlichkeit wird zuverlässig die verfassungsrechtliche Lage ignoriert, dass Stark-Watzinger von Amts wegen weder politisch kompetent noch zuständig ist. Ihr werden öffentlich Heilungskräfte und Aufgaben zugesprochen, die sie einfach nicht hat. Und sie begeht auch noch den Fehler, den öffentlichen Rufen Folge zu leisten. Zu diesem Zweck hat sie zu einem öffentlichen, nationalen Bildungsgipfel geladen und ihn am Ende ganz alleine geplant. Das muss man wohl aus einer Antwort aus der Pressestelle ihres eigenen Ministeriums schlussfolgern.
 

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Auf die Frage, ob Stark-Watzinger den Gipfel mit ihren Amtskollegen aus den Ländern zumindest gemeinsam vorbereitet hätte und wer eigentlich komme, teilt die Pressestelle mit: „Eine unmittelbare Beteiligung aller 16 Ländervertreter/-innen war aufgrund des Auftaktcharakters des Bildungsgipfels (…) nicht vorgesehen.“ Immerhin zwei Landesbildungsminister von insgesamt 16 gäben der Bundesbildungsministerin dennoch die Ehre: „Für die A-Seite ist das Senator Thies.“ Der Senator, der zwar mit Vornamen "Ties" und nicht einmal "Thies" heißt, heißt mit Nachnamen in Wahrheit sogar „Rabe“.

Es macht also gar nichts, wenn die, die allein etwas zu sagen hätten, sich um die Veranstaltung einen Teufel scherten. Ungefähr das scheint die Botschaft zu sein. Und dennoch wolle man natürlich erreichen, „dass sämtliche am Bildungssystem beteiligten staatlichen Ebenen an einem Strang ziehen“. Alle sollen also am selben Strang ziehen, ohne überhaupt am selben Ort zu sein. In Berlin entwickelt man offenbar langsam eine gehörige Portion Humor. Dass die Bildungs-Frontfrau der Union auf Länderebene, Karin Prien (CDU), den Bildungsgipfel daher zu einer reinen „Showveranstaltung“ der Bundesbildungsministerin erklärte, erscheint da alles andere als abwegig. 

Das Prinzip der Einstimmigkeit

In ihrer Eröffnungsrede jedenfalls machte Stark-Watzinger klar, dass ein „weiter so“ für sie nicht in Frage komme. Allein 630.000 junge Menschen hätten im Jahr 2021 entweder keinen Schulabschluss, keine Ausbildung oder keinen Arbeitsplatz gehabt. Das könne so auf keinen Fall weiter gehen. Was es brauche, sei eine „bildungspolitische Trendwende“. Und sie sagte außerdem: Es gebe kein Erkenntnisproblem, sondern alle wüssten in Wahrheit, „wo wir ansetzen müssen.“ Es ginge schließlich um das Recht auf Bildung, „das auch im Grundgesetz steht“.

Aber ausgerechnet davon steht im Grundgesetz natürlich: absolut nichts. Man wundert sich daher, wer der Bundesministerin diese Rede geschrieben hat und wer sie ansonsten so berät. Dabei weiß man als aufmerksamer Beobachter der Szene ohnehin eines: Wer auf eine konsequente nationale Bildungsreform für Deutschland hofft, darf auf einen ganz bestimmt nicht vertrauen: die Bildungsminister der Länder.

Intellektuell beängstigend überlegen

Als ob der liebe Herrgott wirklich jederzeit alles in seinen Mächten Stehende tun würde, um diesen Grundsatz zu bestätigen, gesellte er in einer heutigen, gemeinsam abgehaltenen Pressekonferenz der Bundesministerin auch noch Astrid-Sabine Busse (SPD) bei. Sie ist nicht nur gelernte Pädagogin und Bildungssenatorin der Hauptstadt, sondern derzeit die Präsidentin der Kultusministerkonferenz aller Länder. Und seit ihrem öffentlichen Statement auf der Pressekonferenz vom heutigen Tage hat man wirklich keine Fragen mehr dazu, warum Deutschlands Bildungsniveau am Boden liegt. Selbst als Sozialdemokrat muss man angesichts dessen, was Busse an sinnlosem Gestammel dargeboten hat, zur Rettung der Nation notfalls: einfach mal FDP wählen. Die eigentlich Unzuständige ist der derzeit Zuständigen intellektuell auf beängstigende Weise überlegen.

Aber natürlich ist es nicht so, dass alle Bildungsminister der Länder einfach blöd wären. Vorsitzender der Kultusministerkonferenz wird man nicht Kraft Kompetenz, sondern weil einfach jeder einmal an die Reihe kommt. Und trotzdem sind die Interessenunterschiede zwischen den einzelnen Ländern einfach zu groß, als dass man jemals auf eine sinnvolle Einigung hoffen könnte. Dort wird es nie und nimmer für eine sinnvolle Position eine einhellige Meinung geben. Aber genau die wäre eigentlich nötig. Die Geschäftsordnung der Kultusministerkonferenz schreibt in allen wesentlichen Angelegenheiten das Prinzip der Einstimmigkeit vor.

Ein bisschen originärer Sachverstand

Die einzige Hoffnung ruht daher auf dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten und letztlich auf einer Entmachtung der Bildungsminister von Ländern und Bund. Bis es dazu kommt, müssen die Probleme aber noch etwas größer werden, als sie heute schon sind. Und falls es irgendwann tatsächlich so weit kommen sollte, gibt es trotzdem nicht allzu viel Hoffnung auf gute Lösungen: Denn ein bisschen originärer Sachverstand in Sachen Bildung wäre neben der Macht, Entscheidungen durchzusetzen, ja auch nicht schlecht.
 

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