Angststörung der Generation Z - Wir verspielen unsere Zukunft

Die Generation Z wirkt zunehmend verängstigt und hysterisch, wenn es um Zukunftsthemen geht. Doch mit blindem Aktionismus und fehlendem Selbstbewusstsein zerstören wir nur unsere eigene Zukunft.

Angstreaktionen schützen normalerweise den Körper, manchmal lähmen sie aber auch/ dpa
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Autoreninfo

Felix Huber studiert Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin.

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Ich bin 19 Jahre alt und damit auch Teil der sogenannten Generation Z, Teil der Generation Fridays-For-Future und Teil der Generation politisch korrekte Sprache. Ich bin also Teil der jungen Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind und alle ein großes Problem haben: Wir sind paralysiert in unserer eigenen Angststörung. Gelähmt von Zukunftsängsten und im Gefühl, die ganze Welt retten zu müssen, verschwenden wir unser gesamtes Potenzial. Denn trotz aller Panik steht fest: Es wird eine Zukunft geben, aber wir verspielen unsere aktuell zwischen Heißkleber und Gendersternchen.

Zu spät, um zu leben

Geraten psychisch gesunde Menschen in große Gefahr, reagiert ihr Organismus mit Herzklopfen, Schweißausbrüchen und Zittern. Diese Angstreaktionen schützen normalerweise den Körper. Sie mobilisieren unseren Organismus zu Abwehrreaktionen oder Flucht. Was aber, wenn der Auslöser der Angst kein Säbelzahntiger ist, der uns durch die Steppe jagt, sondern blanke Zukunftsangst? In der jüngeren Generation entsteht anscheinend das Gefühl, dass die Zukunft nur schlimm werden kann. 

Inflation und Strompreise, Klimawandel und Krieg. Während vorherige Generationen nur zu spät für die Entdeckung der Erde und zu früh für die des Weltraums geboren waren, scheint es noch schlimmer um die Generation Z zu stehen. Denn es ist, wenn man der Stimmung vieler Menschen unter 30 Jahren glauben möchte, zu spät, um zu leben. Was die einen auf Berliner Straßen kleben lässt, treibt die anderen in den Hedonismus und auf die Toiletten einschlägig bekannter Clubs.

Wozu eine Familie gründen, wenn wir doch ohnehin in 20 Jahren alle sterben? Warum ein Haus bauen, wenn der Atomkrieg schon morgen beginnen kann? Wofür einen Beruf ergreifen, wenn der Meeresspiegel unaufhaltsam weiter steigt? Gefährliche Gedanken, die junge, talentierte Menschen dazu verleiten, ihr Potenzial ungenutzt verpuffen zu lassen. Potenzial, mit dem sie genau die von ihnen gewünschten Veränderungen bewirken könnten. Wo sind bloß der Widerstand und die Resilienz meiner Generation geblieben?

Erhebliche Zukunftsängste

Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann und der Jugendforscher Simon Schnetzer haben untersucht, wovor sich junge Menschen fürchten. In ihrer Trendstudie „Jugend in Deutschland“ befragen sie halbjährlich rund tausend Jugendliche zwischen 14 und 29 Jahren zu ihren Sorgen und Wünschen. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Junge Menschen haben große Angst, wenn sie an die Zukunft denken.

Im Jahr 2021 war die größte Angst der jungen Menschen noch der Klimawandel und seine Auswirkungen (58 Prozent). Seit Beginn des Ukraine-Krieges dominierte dieses Thema die Diskussionen. 64 Prozent aller Befragten gaben an, sich Sorgen um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges zu machen. Im letzten Winter war die Inflation dann die größte Sorge der Befragten, 71 Prozent fürchten sich vor ihren Auswirkungen. Die beiden Studienautoren sprachen im November 2022 von einer deutlichen Verschlechterung der Lage in den letzten sechs Monaten.

Das Journal of Abnormal Psychology stellte 2019 eine Studie vor, die zeigt, dass Depressionen in der um die Jahrtausendwende geborenen Generation deutlich häufiger diagnostiziert werden als bei früheren Jahrgängen. Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlafprobleme nehmen ebenfalls zu. Die American Psychological Association zeigte in einer Befragung, dass lediglich 45 Prozent der Kinder der Generation Z ihre mentale Gesundheit als gut einstufen. Wohingegen die Millennials bei 56 Prozent und die Boomer sogar bei circa 70 Prozent lagen. Noch drastischer: Suizid ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache bei Menschen unter 25. Doch warum erstarren so viele junge Leute vor Angst und sehen keine Zukunft für uns Menschen? Und treiben sie diese Empfindungen sogar vermehrt in den Selbstmord?

Der Einfluss der Pandemie

Die Pandemie und die Corona-Maßnahmen haben selbstredend ihren Teil dazu beigetragen. Stunden vor dem Computer allein mit den eigenen Ängsten zu verbringen, klingt nach keiner gesunden Mischung. Viele junge Menschen wurden in der prägendsten Phase ihrer Adoleszenz weitgehend alleine gelassen. Die Geschichten von vereinsamten Studenten weit weg von zu Hause sind längst erzählt worden. Auch die Fälle von Kindern, die ihren familiären Problemen vollumfänglich ausgeliefert waren und in der Entwicklung zurückblieben, häufen sich in den vergangen drei Jahren. Doch die gesellschaftliche Depression begann schon lange vorher.

Das größte Problem der „Digital Natives“, also der ersten Generation, die mit vollem Internetzugang aufwächst, ist gleichzeitig ihre größte Stärke. Sie leben in Zeiten des stetigen Wandels und der permanenten Verfügbarkeit. Diese Umstände können inspirieren, aber auch lähmen. Ein Beispiel: Kinder und Jugendliche bekommen durch soziale Medien völlig ungefiltert perfekte Idealbilder aller Lebensbereiche gespiegelt.

„Fear of missing out“

In 30 Jahren wird über Zeiten, in denen man die Gehirne Heranwachsender mit Nacktheit und Gewalt konfrontiert hat, vielleicht wie über das Mittelalter gesprochen werden. Einige meiner ehemaligen Klassenkameraden verschickten bereits in der 8. Klasse Videos von Enthauptungen und Pornos. Sie fanden das witzig. Die Folgen eines solchen Aufwachsens sind lange noch nicht genug erforscht worden. Die Ergebnisse könnten eher unschön sein. Denn selbst wenn einem diese Seiten des Internets erspart bleiben: Andere Phänomene betreffen alle jungen Menschen.

Welche von den Abertausenden in sozialen Medien oder Filmen vorgelebten Chancen soll man überhaupt ergreifen? In einer anderen Stadt studieren, doch ein Auslandsjahr oder Au-pair? Eine Entscheidung für etwas ist immer auch einen Entscheidung gegen etwas. Neudeutsch: „Fomo“, was für „Fear of missing out“ steht. Aber Lehrer im eigenen Bezirk zu werden, fühlt sich ohnehin zu klein und bedeutungslos an, wenn gerade die Welt untergeht. Zusammen mit den Wünschen der Eltern, neuen Ansprüchen an die Work-Life-Balance und aufgebauschten Befürchtungen entsteht eine riesige Erwartungshaltung. Diese kann dann folgerichtig fast nur enttäuscht werden.

Welle negativer Nachrichten

Ängste sind biologisch unverzichtbar. Sie sichern unser Überleben. Und in der richtigen Situation sind Adrenalin und Cortisol unsere Rettung. Doch zu viel Stress und Angst bringen ein Ungleichgewicht in den Hormonhaushalt junger Menschen. Daher ist auch die Flut aus Negativität und schlechten Nachrichten kontraproduktiv für die Entwicklung. Es ist von Vorteil, dass man jedes geopolitische Ereignis hautnah miterleben kann. Doch die schiere Masse überfordert.

Die Schrecken der Welt, mittlerweile in jedem Kinderzimmer stets verfügbar, sorgen für ein Gefühl der Ohnmacht. Der Nachrichteneskapismus, sprich das Verschließen vor Neuigkeiten, ist daher auf dem Vormarsch. Besonders unter jungen Erwachsenen. Ganz einfach, weil die Lebensrealität nicht mit den negativen Ereignissen mithält. Wer sich Sorgen um seine Abiturprüfung macht und zeitgleich in Live-Tickern Corona-Inzidenzen und Lockdown-Berichte sieht, dem wird zwangsläufig alles zu viel. Und nach Corona direkt die nächste Krise: der Ukraine-Krieg. Todeszahlen statt Matrikelnummern, Atomkriegsgefahr statt Ausbildung. 

Blinder Aktivismus

Ein pessimistischer Blick auf die eigene Zukunft kann aber auch beflügeln. Man muss die eigenen Ängste nur einzuschätzen wissen. Panik und absolute Wahrheiten können niemals sinnvolle Antworten auf realpolitische Herausforderungen sein. Die Vehemenz, mit der der Volksentscheid „Berlin klimaneutral 2030“ durchgesetzt werden sollte, ist ein passendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Trotz Einstimmigkeit darüber, dass die verschärften Klimaziele unmöglich im vorgegeben Rahmen zu erreichen sind, war der Wahlkampf in Berlin höchst emotional und einseitig. Die moralische Überlegenheit und Alternativlosigkeit hinter den Vorschlägen der Generation „Klimaschutz um jeden Preis“ verhinderte jegliche realitätsbezogene Debatte. Dabei ist Klimaschutz längst kein uncooles Außenseiterthema mehr. Einigkeit über das Grundproblem besteht, nur die Ansätze unterscheiden sich.

Das Beharren auf dem Verbrennerverbot, die indirekte Forderung nach der großen Deindustrialisierung und das Ausrufen einer „Letzten Generation“ wirken allerdings eher abschreckend für einen Großteil der Menschen. Indem man hysterisch alles aufgibt und jede Einschränkung annehmen will, legt man sich auf den Rücken und bietet den Problemen unserer Zeit demütig den Kehlenbiss an. In der Folge entstehen Gedanken wie diese: „Der Klimawandel ist zu groß für uns Menschen, das schaffen wir nur, wenn wir uns bis zum Kulturverlust einschränken.“

Etwas mehr Selbstbewusstsein

Dabei gibt es eigentlich keinen Grund, dass wir uns als Menschen unnötig klein machen. Gerade in der heutigen Zeit wären ein bisschen mehr Selbstvertrauen und Zuversicht angebracht. Der Mensch, von Anfang an nicht für die Vorherrschaft über den Planeten bestimmt, das „Mängelwesen" nach Arnold Gehlen, steht immer noch an der Spitze jeder Nahrungskette. Ein Haufen haariger, nicht besonders starker Affen, der 300.000 Jahre Entwicklung überstanden hat und heute das gesamte Weltwissen in seiner Hosentasche spazieren trägt.

Der Homo erectus hat bereits einigen Widrigkeiten getrotzt und ist im Begriff, dies weiterhin zu tun. Eine winzige Auswahl: Ein neu entwickelter Bluttest erkennt 50 Krebsarten, 2020 konnte der zweitgrößte Ebola-Ausbruch der Geschichte beendet werden, und ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie standen bereits mehrere Impfstoffe zur Verfügung. Wir haben das Humangenom entschlüsselt, und Fliegen ist selbstverständlich geworden. Fest steht: Wir entwickeln uns stetig weiter und kommen in die Nähe von Errungenschaften, die man sich noch vor 50 oder 100 Jahren nicht hätte träumen lassen. Das ist eigentlich Grund genug, stolz zu sein und positiver in die Zukunft zu blicken.

Mehr Selbstwirksamkeit erfahren

Unsere Generation wird den Krebs besiegen und auf dem Mars landen. Es wird eine Zukunft geben. Diese Zukunft wird kommen, für uns alle, für unsere Kinder und Kindeskinder. In dieser Zukunft werden wir aber auch weiter ein Dach über dem Kopf brauchen, und die Menschen werden weiterhin essen müssen.

Einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leistet daher nicht, wer eine fürchterliche Zukunft heraufbeschwört, sondern jene, die tagtäglich daran arbeiten, unsere Welt besser zu machen. Nicht jeder kann und muss den Klimawandel besiegen. Zuallererst sollten wir uns um die Menschen kümmern, die uns umgeben, und jene, die wir lieben. Für seine Eltern da zu sein und der Nachbarin die Einkaufstüten hochzutragen, lässt einen mehr Selbstwirksamkeit erfahren, als auf Autobahnbrücken Weltretter zu spielen.

Neuanfang mit der Generation A

Ja, es gibt große Probleme. Aber nein, wir werden diese nicht bekämpfen können, wenn wir uns in Embryonalstellung vor ihnen zusammenkauern. Wäre der erste Urmensch, der sich das Feuer zu eigen machte, nach dem Blitzeinschlag vor Angst erstarrt, wären wir nicht hier. Die Geschichte der Menschheit ist eine des kämpfenden Weitermachens. Vorherige Generationen haben das Rad erfunden, die Pest besiegt und Weltkriege überlebt. Unsere Generation muss jetzt ihre Angststörungen überwinden und den Problemen der Zukunft mit so wenig Ehrfurcht wie möglich und so viel Respekt wie nötig begegnen.

Und wenn die meisten Vertreter der Generation Z dieser Notwendigkeit nicht nachkommen können, dann muss man sich eben auf die wenigen konstruktiven Beiträge junger Menschen fokussieren. Vielleicht endet das Alphabet nicht grundlos mit den Buchstaben X, Y, Z und damit auch die nachfolgende Benennung von Generationen. Falls sich die Generation Z endgültig in Weltschmerz und Hysterie verliert, muss es eben ein Neuanfang mit der Generation A geben.

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