Umgang mit der AfD - Faesers Haltungsbefehl

Mit tatkräftiger Unterstützung der Gesinnungspolizei fordert Nancy Faeser jetzt Unternehmer auf, sich von der AfD zu distanzieren. Im Sinne der Wirtschaft, heißt es. Eine reine Nebelkerze, um vom Ampelversagen abzulenken – und übergriffig obendrein.

Zündet schon wieder Nebelkerzen, um vom Versagen der Ampel abzulenken: Nancy Faeser / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Wem der Standort Deutschland und Europa am Herzen liegt, der muss Stellung beziehen. Und zwar eindeutig“, schrieb jüngst eine Kollegin der Wirtschaftswoche. Ich hoffte zunächst, es handle sich um eine berechtigte Forderung an alle Unternehmer dieses Landes, wonach es höchste Zeit wäre, gegen die fehlgeleitete Energie- und Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre und insbesondere der Ampelregierung auf die Barrikaden zu gehen. 

Schon deshalb, weil die Kollegin laut Autorenzeile Korrespondentin in Brüssel ist. Schließlich sorgt man sich in der Europäischen Union bereits seit längerem, dass Deutschland auf dem besten Weg sei, zum „kranken Mann Europas“ zu werden. Doch wenn man sich die öffentliche Debatte genauer ansieht, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass es dringend möglichst viele Unternehmer bräuchte, die mal Klartext reden. Schon des eigenen Unternehmertums wegen. 

Dahingehend etwa, dass bereits ein Drittel aller Investitionen aus Kostenersparnis im Ausland getätigt werden; auch dahingehend, dass Deutschland mittendrin steckt in einer schleichenden Deindustrialisierung, die gleichermaßen Wohlstand wie Arbeitsplätze kosten wird, während etwa die Grünen weiterhin am Umbau der Gesellschaft festhalten. 

Was soll ich sagen: Ich habe mich geirrt. Denn die Aufforderung der Journalistin war keineswegs, den Wirtschaftsstandort Deutschland vor dem Untergang zu bewahren, sondern vor braunem Gedankengut. Titel ihres Kommentars: „Unternehmer, wehrt euch gegen die AfD!“

Diversity am Geldautomat

Die These ist nicht ganz neu, erfreut sich derzeit aber einer gewissen Renaissance: Nicht die sich verschlechternden Rahmenbedingungen in Deutschland schaden der Wirtschaft, sondern das Faktum, dass es die AfD gibt. Denn, so geht die These weiter, die bloße Existenz der AfD, verbunden mit der Tatsache, dass ihre Umfragewerte ziemlich gut sind, werfe ein braunes Licht aufs Land. Und das gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. 

Weil die AfD in gewissen Kreisen eben das Oberschreckgespenst ist und bleibt – obwohl deren Erfolg gekoppelt ist an den Misserfolg der Bundesregierung in zahlreichen Politikfeldern, weshalb die Lösung des „AfD-Problems“ also darin bestünde, eine bessere Politik zu machen –, wird nun auch von Unternehmern ein Bekenntnis gegen die AfD gefordert. Also nicht etwa ein Bekenntnis zu etwas, sondern gegen etwas, was schon ein gewaltiger Unterschied ist in einem Land, indem sonst immer alle ganz versessen sind auf das Wahlgeheimnis.
 

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Es reicht also offenkundig nicht mehr, dass es kaum mehr möglich ist, Geld am Geldautomaten abzuheben, ohne dass vom Bildschirm irgendetwas mit Diversity und Regenbogen leuchtet. Nein, geht es nach zitierter Autorin, sollte wohl lieber auf jedem Bankenbildschirm, in jedem Impressum, auf jeder Unternehmensseite, auf jedem Joghurtbecher und auf jeder Klappstuhlverpackung irgendwas in Richtung „FCK AFD“ stehen, damit der Konsument sicher sein kann, dass der Unternehmer dahinter, der Joghurt und der Klappstuhl keine Nazis sind. 

Das ist offensichtlich unlogisch

Die Argumentation erinnert nicht von ungefähr an den Klimawandel, der mittlerweile im Prinzip überall drinsteckt; von zu kalt bis zu warm, von zu trocken bis zu nass, von zu windig bis zu windstill. Der Klimawandel ist immer schuld. Und so ist es auch bei der AfD, die man aus sehr guten Gründen zwar nicht wählen sollte, die aber auch schlicht nicht taugt als Erklärung für alles, was in der Politik, in der Parteienlandschaft, in den Umfragen und im Wahlverhalten gerade (vermeintlich) schiefläuft. Denn das ist offensichtlich unlogisch. Und unlogisch ist in einem Land, indem die Erkenntnisse der Biologie heute als reaktionär gelten, wirklich schon mehr als genug. 

Nein, die Umfragewerte der AfD sind nicht Ursache irgendeiner Krise, sie sind eine direkte Folge der Politik der vergangenen Jahre, des Journalismus der vergangenen Jahre und eines öffentlichen Diskurses, den immer noch viel zu viele Leute einschränken wollen, weil man weder fähig noch willens ist, in Diskussionen – die gerne auch laut und kontrovers sein dürfen – mit Argumenten zu überzeugen, sondern mit dem Verweis auf angebliche Mikroaggressionen und ein Viertes Reich, das schon an die Pforte klopft. 

Vor der eigenen Haustüre

Die Haltungspolizei ficht das aber selbstverständlich nicht an. Denen brauch man nicht kommen mit Fakten, die akzeptieren nur Gefühle. Weshalb Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun fordert, Unternehmensspitzen müssten sich klar gegen die AfD positionieren, und Renate Künast von den Grünen einen verdienten deutschen Unternehmer auf Twitter angeht, weil der sich mit AfD-Chefin Alice Weidel zum Essen getroffen hat. Und einen Tag nach dem Kommentar eingangs erwähnter Wirtschaftswoche-Journalistin legte das Handelsblatt mit einem ganzen Report nach, in dessen Kurzzusammenfassung behauptet wird: 

Die Wahl- und Umfrageerfolge der AfD schrecken ausländische Fachkräfte ab und gefährden Zukunftstechnologien. Trotzdem zeigt die Wirtschaft kaum Haltung.

Das Handelsblatt versteht diese Beobachtung, wonach also die Wirtschaft kaum Haltung gegen die AfD zeigen würde, selbstverständlich nicht als bloße Information. Stattdessen folgen die Journalisten Faesers Haltungsbefehl und reden ihr und Politikern wie Renate Künast nach dem Mund, die meinen, nicht vor der eigenen Haustüre kehren zu müssen, weil es dort nichts zu kehren gäbe, was offenkundig Blödsinn ist – und genannte Journalisten degradieren sich damit, Corona lässt grüßen, einmal mehr zur verlängerten Pressestelle einer durch und durch mit sich selbst überforderten Bundesregierung

Nebelkerzen und Paranoia

Das Manöver ist so dumpf wie durchschaubar. Es gibt, das schrieb ich bereits, wirklich mehr als genug Gründe, die AfD nicht zu wählen, was jeder für sich selbst entscheiden muss. Aber freilich geht es hier nicht um eine rationale Befürchtung, die AfD würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden, sondern um zweierlei: Erstens um eine Nebelkerze, um vom Versagen der Ampel abzulenken (Politik). Und zweitens um das Ausleben der eigenen Paranoia, was die AfD betrifft, weil im kommenden Jahr im Osten gewählt wird (Journalisten) und man in gewissen Kreisen irgendeinen „Rechtsruck“ mehr fürchtet als den Niedergang eines ganzen Landes. 

Durch die konsequente Durchführung der Faeser’schen Gesinnungsprüfung im Mantel der investigativen Recherche und durch das öffentliche Wegbeißen der AfD und ihnen nicht nahe-, sondern zu nahe stehende, weil nicht öffentlich auf Abstand gehende Unternehmer allein siedelt sich aber noch kein Konzern in der Bundesrepublik an oder bleibt gar im Land, wenn gleichzeitig die Bilanz nicht stimmt. Nein, so rettet man weder Arbeitsplätze noch die Wirtschaft. Und schon gar nicht erreicht man damit, dass die AfD – die in Hessen dieses Jahr übrigens von einem sehr großen Teil der Arbeiter gewählt wurde – wieder mehr oder weniger verschwindet. 

Das Gegenteil ist der Fall. Und eigentlich bin ich es auch leid, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Dämonisierung der AfD und Hetzjagden selbst auf jene Menschen, die sich mit dieser nur unterhalten, der AfD im Zweifel mehr nutzen als schaden. Aber es hilft halt nichts, wenn das Offensichtliche nicht zur Kenntnis genommen wird und Politiker wie Journalisten glauben, man müsse nur noch konsequenter an der eigenen Anti-AfD-Strategie festhalten, die bisher nicht aufgegangen ist, dann wird sie schon irgendwann aufgehen. 

Mal wieder Albert Einstein an dieser Stelle, weil das Zitat gut und richtig ist: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Das gilt übrigens auch für die Union, aus deren Kreisen sich ebenfalls Politiker der neuerlichen Anti-AfD-Offensive anschließen. Nur der Herrgott weiß, warum. Dann aber wundern, wenn die AfD genüsslich von den „Blockparteien“ spricht und der Union noch mehr Stimmen abnimmt. 

Ein intellektueller Offenbarungseid

Um es ganz deutlich zu schreiben: In einer freien Gesellschaft haben Unternehmer nicht die Pflicht, irgendwelche politischen Bekenntnisse per Haltungsbefehl von oben abzugeben; schon gar nicht öffentlich. Sowas kann man in Venezuela machen, aber nicht in der Bundesrepublik. Und schon gar nicht ist es Aufgabe des Journalismus, jenen, die sich dem verweigern, das dann vorzuwerfen, weil man meint, man könne irgendwelche obskuren Regeln erfinden, an die sich dann jeder zu halten habe. Überhaupt ist es ein intellektueller Offenbarungseid, zu behaupten, ein Nicht-Bekenntnis gegen etwas sei auch Bekenntnis für etwas. 

Über die Inquisitionsgesellschaft schrieb ich kürzlich bereits an anderer Stelle. Und auch hier tritt sie einmal mehr zutage, weil sich offenkundig zu viele Menschen im Land nur noch spüren, indem sie mit dem Finger auf andere zeigen, da sie selbst schlicht nichts anzubieten haben, was sie in irgendeiner Weise interessant oder irgendwie spannend machen würde als Beteiligte des öffentlichen Diskurses. Deshalb twittert Renate Künast auch so aufgeregt, weil sie eigentlich nichts zu sagen hat. Lautstärke statt Inhalt. 

Mein Joghurt, dein Joghurt

Ich für meinen Teil habe jedenfalls schon genug Probleme (heute Morgen wäre ich beim Rauchen fast von einer Dachlawine erschlagen worden). Da werde ich nicht noch anfangen, meinen Joghurt danach auszuwählen, ob dieser in einer Atmosphäre der reinsten Gesinnung hergestellt, verpackt und ausgeliefert wurde, bloß weil gewisse Leute der Meinung sind, dass sich jetzt auch Molkereien und Banken dem Kampf gegen Rechts anschließen sollten, um sich nicht verdächtig zu machen. 

Exakt so dürfte es auch weiterhin der größte Teil der Bevölkerung handhaben, die derzeit wirklich anderes im Kopf hat als brave Gefolgschaft, wenn Frau Faeser mal wieder Gesinnungsbefehle gibt. Und genau das wünsche ich mir letztlich auch von deutschen Unternehmern: dass sie ausreichend Rückgrat haben, um sich von der Wirtschaftswoche, vom Handelsblatt, von Frau Künast und Frau Faeser nicht moralisch erpressen zu lassen. Betonung auf Ich wünsche, nicht Ich fordere, denn das wäre hochgradig unhöflich und würde obendrein meinem Anspruch, dass wir alle frei und demokratisch zusammenleben, nicht gerecht werden. 
 

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