Schönbohm-Affäre - ZDF: Böhmermann hat keinen Exklusivvertrag mit Sonderrechten

Das ZDF verneint eine Sonderstellung Jan Böhmermanns im öffentlich-rechtlichen Sender. Während eine Sprecherin des Senders bestreitet, in der Skandal-Sendung seien Arne Schönbohm Russland-Kontakte unterstellt worden, bekräftigt der Moderator selbst genau diese Anschuldigungen.

Jan Böhmermann bei der Verleihung des Grimme-Preises, 21.04.2023 / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Im Zusammenhang mit der Affäre um die Versetzung des Spitzenbeamten Arne Schönbohm durch Bundesinneministerin Nancy Faeser nach einer diskreditierenden Sendung des ZDF Magazin Royale wurde in der Presse auch berichtet, deren Macher Jan Böhmermann habe beim ZDF einen „Exklusivvertrag mit besonderen Freiheiten“. Dieser beinhalte auch, so behauptete das Fach-Magazin Clap-Club, „dass ihm die Ausstrahlung einzelner Inhalte der Sendung „Magazin Royale“ seitens des ZDF nicht untersagt werden könne.“ Auf Anfrage von Cicero, ob das zutreffend sei, antwortete eine Sprecherin des öffentlich-rechtlichen Sender: „nein“.

Andere Fragen von Cicero zu der betreffenden Sendung vom 7. Oktober 2022 und deren Umständen beantwortete das ZDF gar nicht oder nur ausweichend. So zum Beispiel die Frage, warum diese Sendung weiterhin ohne Hinweis auf die mehr als zweifelhafte Faktenlage hinter den Vorwürfen und die Untersuchungsergebnisse im BMI, die Schönbohm entlasten, öffentlich abrufbar ist. Auf der betreffenden ZDF-Website steht sogar unter der Sendung eine Meldung mit der Überschrift „BSI-Chef Schönbohm muss gehen“ – wie eine Trophäe. Auch die Frage, ob in Böhmermanns Redaktion die Identität der Leute bekannt sei, die hinter dem an der Sendung maßgeblich beteiligten anonym auftretenden Recherchenetzwerk „Policy Network Analytics“ stehen, lässt das ZDF unbeantwortet.

Gleichzeitig entwertet die Sprecherin die extremen Anschuldigungen Böhmermanns in der Sendung gegen Schönbohm mit dem Satz: „In der Sendung wird weder direkt noch indirekt behauptet, dass Arne Schönbohm bewusst in Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland oder anderen Ländern gestanden habe.“ Genau diese Verdächtigung war allerdings die These des Beitrags. In der Mediathek des ZDF wird der Beitrag schon mit dem Satz „Die Spur führt in den Kreml“ angekündigt.

Böhmermanns „abschließende Anmerkungen“

Mittlerweile hat auch Böhmermann persönlich sich in der Sache geäußert. Der Mann, der manchmal als Komiker oder Satiriker und manchmal als Journalist bezeichnet wird, verzichtet in „abschließenden Anmerkungen“ im sozialen Netzwerk Mastodon auf jegliche Selbstkritik. Kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung gegenüber Schönbohm, obwohl sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen, wie das Bundesinneministerium dem Beamten im Mai attestierte.

Böhmermann: „Die @zdfmagazin Redaktion bleibt weiterhin bei ihrer Meinung, dass die scharfe Kritik am ehemaligen BSI-Chef angemessen war und ist.“ Und weiter:  „NEIN, wir haben im @zdfmagazin KEINE ‚falschen Vorwürfe‘ erhoben oder gar ‚Unwahrheiten‘ oder ‚Falschbehauptungen‘ verbreitet“. Wie sich das mit dem oben zitierten Satz der ZDF-Sprecherin verträgt, ist allerdings rätselhaft. Offenbar unterstellt man Schönbohm unbewusste Kontakte.

 

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Die Sendung und die Recherche seien „weder inhaltlich widerlegt worden noch juristisch angefochten noch presserechtlich zu beanstanden“, behauptet Böhmermann. Schönbohms Anwalt Markus Hennig widerspricht ihm gegenüber Bild: „Das ZDF hat eine Löschungs- und Schadenersatzforderung von Herrn Schönbohm über mich erhalten und diverse Programmbeschwerden von aufmerksamen Bürgern. Ich gehe mal davon aus, dass das nach knapp anderthalb Wochen eigentlich durchgedrungen sein müsste. Und dass mein Mandant die erlittene Verleumdung selbst ,inhaltlich widerlegen‘ müsste, ist rechtlich grob falsch. Es greift hier eine sogenannte Beweislastumkehr.“

Neues Dokument belastet Faeser

Kurz: Nicht Schönbohm muss nachweisen, dass Böhmermann falsch liegt mit seinen Vorwürfen, sondern Böhmermann muss nachweisen, dass stimmt, was er behauptet. Dass es nicht stimmt, hat aber mittlerweile, wie gesagt, auch das Innenministerium festgestellt, obwohl man sich dort, wie eine öffentlich gewordene Notiz belegt, offenbar auf Wunsch der Ministerin große Mühe gab, Belastendes gegen Schönbohm zu finden. Ein neues, heute in Bild veröffentlichtes Dokument aus dem Ministerium enthält sogar den Satz: „Das Ziel der Abberufung des Herrn Schönbohm als Präsident des BSI wurde erreicht.“

Böhmermann streitet die Zusammenarbeit mit dem Ministerium ab: „Uns schäumend-schwurbelnd einen geheimen ‚Komplott‘ mit dem WTF? Bundesinnenministerium zu unterstellen, ist ziemlich bösartiger Bullshit und natürlich komplett frei erfunden.“ Der Verdacht ist allerdings nicht allzu weit hergeholt, weil durch Antworten des Bundesinnenministeriums auf parlamentarische Anfragen ein direkter Telefonkontakt zwischen Faesers Staassekretärin Juliane Seifert und Böhmermann belegt ist und es auch einen wahrscheinlichen weiteren Kontakt zwischen einer Böhmermann-Mitarbeiterin und Faesers Büroleiter Bastian Fleig gibt.

Neben einer vermutlich bald eingehenden Klage Schönbohms und Ermittlungen des Staatsschutzes wegen möglicherweise illegalen Recherchen für eine andere Sendung Böhmermanns müssen sich das ZDF und Böhmermann mittlerweile auch scharfe Generalkritik am Gebahren des Magazin-Royale-Machers gefallen lassen. Der Bonner Staatsrechtsrechtsprofessor Christian Hillgruber sagte gegenüber Bild: „Es ist höchste Zeit, diesem Politclown in einem öffentlichen-rechtlichen Sender, den wir mit unserem Rundfunkbeitrag mitfinanzieren, seine Spielwiese zu nehmen.“

Nicht nehmen will ihm jedenfalls das Grimme-Institut den diesjährigen Grimme-Preis in der Kategorie „Unterhaltung“. Man habe der Begründung der Jury vom Mai dieses Jahres nicht hinzuzufügen, sagte eine Sprecherin des Instituts auf Nachfrage. Mit den alljährlich in mehreren Kategorien verliehenen Preisen sollen Produktionen ausgezeichent werden, die „nach Form und Inhalt Vorbild für die Fernsehpraxis“ sind.

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