Wahlkampfauftakt in Bochum - Bei der SPD herrscht gute Laune

In Bochum starteten die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz und viel Parteiprominenz in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Scholz präsentierte sich als kommender Macher der 2020er Jahre.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz lässt sich in Bochum feiern. / dpa
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Autoreninfo

Stefan Laurin ist freier Journalist und Herausgeber des Blogs Ruhrbarone. 2020 erschien sein Buch „Beten Sie für uns!: Der Untergang der SPD“.

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1.300 Besucher, eine Partyband spielt Lionel Richies „Fiesta forever“ und Olaf Scholz ist nach allen Umfragen zurzeit der beliebteste aller Kanzlerkandidaten. Die gesamte SPD-Spitze war am Samstag gut gelaunt zum Wahlkampfauftakt nach Bochum gekommen: Die Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich, Umweltministerin Svenja Schulze und NRW-Parteichef Thomas Kutschaty saßen lächelnd in der Sonne.

Als Lars Klingbeil sagte: „Wir wollen, dass Olaf Scholz der nächste Kanzler der Bundesrepublik wird“, klang das selbstbewusst und nicht nach Selbstbeschwörung. Bei Martin Schulz war das 2017 noch ganz anders.

Kandidat und Kampagne passen zusammen

Die SPD und Olaf Scholz sind im Aufwind. Der Kandidat und die Wahlkampagne passen zusammen wie lange nicht mehr, und auch die beiden Spitzensozis fielen in Bochum nicht aus der Rolle: „Die erste Geige dieser Republik spielt man nicht auf einer Larifari“, witzelte SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans in Richtung von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Er betonte die inhaltlich Nähe zu den Grünen, verwies aber darauf, dass deren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock keine Regierungserfahrung habe.

Saskia Esken, die Scholz im Nachrichtenmagazin Spiegel als ministrabel bezeichnete, sagte, man stehe vor gewaltigen Aufgaben. Das Ziel der SPD sei es, Arbeit und Wohlstand zu sichern. Das Programm der Partei fasste sie knapp zusammen: „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.“

Zur Unterstützung von Scholz war auch DGB-Chef Reiner Hoffmann gekommen. In einer kurzen Rede lobte er die Bilanz der großen Koalition, verwies aber darauf, dass die SPD in vielen Fällen der Ansprechpartner der Gewerkschaften gewesen sei.

Seitenhieb auf die urbane Hipster-Kultur

Olaf Scholz, lässig im Hemd ohne Krawatte, hielt dann eine moderne Interpretation der klassischen sozialdemokratischen Rede. Er wandte sich an alle, die am Morgen früh aufstehen und arbeiten gehen. Bevölkerungsgruppen also, die von großen Teilen der Linken immer weniger beachtet werden: „Wir machen alle unterschiedliche Dinge, aber wir machen gleichwerte Dinge“, sagte Scholz. Auch eine Handwerkerin in einer Kleinstadt mache nichts falsch. Ein Seitenhieb auf die Arroganz der urbanen Hipster-Kultur, als deren Vertreter die Grünen gelten.

„Die kommenden Jahre werden entscheiden“, beschwor Scholz sein Publikum, „ob die 20er Jahre gut werden oder nicht.“ Der Kanzler, der dafür sorgen würde, dass sie gut werden, daran ließ Scholz keinen Zweifel, sei er.

Steuersenkungen für Besserverdiener seien unmoralisch

Steuersenkungen für Menschen, die „so gut verdienen wie ich“, lehnte er ab und bezeichnete sie als unmoralisch. Ein Mindestlohn von zwölf Euro und eine Ausweitung von Tarifverträgen auf mehr Unternehmen und Branchen sollen helfen, die Einkommen zu heben. Zu viele Menschen verdienten zu wenig. Allein von einer Erhöhung des Mindestlohns würden zehn Millionen Menschen profitierten.

Scholz will auch die Wohnungsnot bekämpfen. Neben einer Mietpreisbremse setzt er auf Bauen: 400.000 neue Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderte, sollen künftig im Jahr geschaffen werden. „Das ist kein Hexenwerk“, sagte Scholz. In den 1970er Jahren seien mehr Wohnungen gebaut worden.

Den Berufseinsteigern versprach er, dass das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren bleiben werde. Eine mutige Aussage angesichts der demografischen Entwicklung.

Spott über Wirtschaftsminister Altmaier

Über Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte sich sein Kabinettskollege lustig: Der sei nicht einmal in der Lage, den künftigen Strombedarf zu berechnen. Allein die chemische Industrie benötige, wenn sie in 25 Jahren CO2-neutral sein soll, zusätzlich soviel Strom, wie bislang ganz Deutschland verbrauche.

Die CDU, fasste Scholz zusammen, verstehe nun einmal nichts von Wirtschaft. Als Kanzler werde er innerhalb eines Jahres eine Berechnung der Strommenge vorlegen, die das Land benötige, um CO2-neutral zu werden.

Um das Ziel zu erreichen, müsse man auch Entscheidungen treffen, die „ungemütlich“ seien. Dass das bedeuten könne, dass Genehmigungsverfahren beim Bau von Stromtrassen und Windrädern beschleunigt und Einspruchsrechte von Bürgern eingeschränkt werden, sagte er dann aber doch nicht deutlich. Dagegen forderte Scholz: „Alle müssen an einem Strang ziehen.“

Die CDU, die Partei, auf die sich Scholz konzentrierte, sei nicht in der Lage, das Land in die Zukunft zu führen. Keine Ideen, keine Tatkraft. Es käme nun darauf an, die Weichen richtig zu stellen: „Durchwursteln, das hilft nicht.“

Migration war Scholz kein Wort wert

Migration, eines der Themen, das den Wählern am wichtigsten ist und deren negative Auswirkungen oft stark in den Arbeiterbezirken der Städte, die einst SPD-Hochburgen waren, zu spüren sind, war Scholz kein Wort wert. Auch über den drohenden Zusammenbruch Afghanistans, die Machtübernahmen durch die Taliban und die Auswirkungen, die all das auf Deutschland haben wird, verlor er kein Wort.

Scholz Rede konzentrierte sich auf Wirtschaft und Sozialpolitik. Klima ist für ihn ein Industriethema, keines, das den Menschen einen neuen Lebensstil abverlangen wird. Kommt das bei den Wählern an? In Bochum wurde Scholz bejubelt. Der Wahlkampfstart ist der SPD gelungen.

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