Wahlkampfabschluss der CSU - Ein letztes Aufbäumen 

Bei der Abschlusskundgebung der CSU am Münchner Nockherberg waren am späten Freitagnachmittag Angela Merkel und Armin Laschet zu Gast. Die Warnung vor einem Linksrutsch zog sich wie ein roter Faden durchs Programm – und viel Optimismus, dass es am Ende doch noch reicht. 

Zum Wohl: Söder, Merkel und Laschet in der Festhalle am Münchner Nockherberg / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Die Trommeln und Rufe der Demonstranten draußen vor dem Gelände schweben durch die Luft über den Kiesboden des Biergartens und verhallen vor den gläsernen Eingangstüren.

Drinnen, im großen Saal am Münchner Nockherberg, stecken CSU- und Deutschland-Fähnchen in Maßkrügen, die auf langen Tischen stehen. „Damit Deutschland stabil bleibt“, prangt in großen Lettern hinter der Bühne. Was nicht stabil bleiben soll – aus Unions-Perspektive, versteht sich – ist der knappe Vorsprung für die SPD, der sich noch immer aus den Prognosen für Sonntag lesen lässt. 

Zwei Tage vor der Bundestagswahl, die jetzt schon eine historische ist, hat die CSU zu ihrer Abschlusskundgebung geladen. Am Nockherberg, so etwas wie die Münchner Kathedrale des Starkbiers oberhalb des Isarufers, will man noch ein letztes Mal Stärke zeigen. Dafür bietet die Union alles auf, was sie hat: CSU-Chef Markus Söder sowieso, aber auch Kanzlerin Angela Merkel, Kanzlerkandidat Armin Laschet und zahlreiche Unions-Prominenz sind gekommen. Eine Blaskapelle spielt den Defiliermarsch, während das Trio Söder, Merkel und Laschet, umringt von Presse und Security, Schulter an Schulter den Saal betritt.

„Nicht egal, wer unser Land regiert“

Laute „Armin, Armin, Armin“-Rufe fluten kurz darauf den Saal, als CSU-Generalsekretär Markus Blume gemeinsam mit seinem Pendant von der CDU, Paul Ziemiak, Kanzlerin und Kanzlerkandidat begrüßen. Auch Theo Waigel und Edmund Stoiber sind gekommen. Merkel betritt die Bühne und spricht beide direkt an: „Es ist nicht egal, wer regiert“, sagt die Kanzlerin, „und deshalb haben wir uns auch immer wieder zusammen gerauft für das Wohl Deutschlands und der Menschen in unserem Land“. Sie meint das legendäre Wolfratshauser Frühstück, unter anderem. 

Diesen Satz, dieses „Es ist nicht egal, wer unser Land regiert“, wird Merkel in ihrer gut 15-minütigen Rede ganze fünf Mal wiederholen. Zu viel sei im Wahlkampf vom Verteilen gesprochen worden, findet Merkel, zu wenig vom Erwirtschaften. Und die Kanzlerin warnt vor einer rot-grün-roten Regierung, die den Wohlstand der Bürger gefährde. „Damit Deutschland stabil bleibt, muss Armin Laschet Bundeskanzler werden“, sagt sie.  

„Wir werden das Spiel noch drehen“

Nach einem kurzen Intermezzo durch Dorothee Bär, Alexander Dobrindt und Ralph Brinkhaus, die auf der Bühne eine Art Zukunftspitch veranstalten, ist Markus Söder dran: „Ja, es ist sehr eng. Ja, es wird so knapp wie nie“, sagt der Bayerische Ministerpräsident, „aber ja, liebe Freunde, wir werden am Sonntagabend das Spiel noch drehen, die SPD abfangen und die Wahl gewinnen.“ Söder gibt den Kämpfer und poltert: „Deutschland darf nicht erneut zum Experimentierfeld linker Spinnereien werden.“ Die einzige Chance, dies zu verhindern, sei eine „bürgerliche Führung“ unter Armin Laschet, findet Söder. 

Aber nicht nur die Linken bekommen ihr Fett weg, auch die Querdenker knöpft sich Söder vor, ebenso die „Sprachpolizei“, die eine „Umerziehung durch das Gendern“ wolle – und auch die Freien Wähler, mit denen die CSU nach wie vor in Bayern regiert, und die hoffen, am Sonntag die Fünf-Prozent-Hürde für Berlin zu nehmen. Söder unterstellt der Aiwanger-Partei, dass sie in Bayern schon zur Genüge überfordert sei. „Was wollen die in Berlin?!“, ruft Söder. Bei diesem letzten Aufbäumen kennt die Union nur Parteifreund oder Feind. 

„Egal, was die schreiben“ 

Armin Laschet spricht als Letzter. „Armin, Armin, Armin”, rufen die Menschen im Saal erneut, als er die Bühne betritt. Gerade so, als wären CDU und CSU in den vergangenen Monaten ein Herz und eine Seele gewesen; gerade so, als hätte man im Süden nicht jede Gelegenheit genutzt, zu betonen, dass Söder der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre. Laschet selbst peitscht erstmal nicht ein. Das Poltern und Inszenieren auf Knopfdruck, es ist nicht seins. Zum Warmwerden liefert er Anekdoten.

Laschet erzählt von seinem Studium in München, von Gerd Müller, Paul Breitner und anderen Helden der WM 1974, die damals beim FC Bayern spielten, lobt das bayerische „Laptop und der Lederhose“ und bedankt sich für den freundlichen Empfang. Laschet sagt: „Wenn wir das jetzt falsch machen, kann alles verspielt werden, was wir in 16 Jahren geleistet haben.“ 

Während Laschet spricht, wird das Gemurmel im Saal lauter. Die Jungunionisten sind bei der zweiten Maß, mindestens. Da wird anderes interessanter, die feschen Damen in ihren Dirndln etwa und die Brotzeitbrettl. Es ist lauter im Saal als bei Söder und Merkel. Selbst der Applaus kommt nicht mehr verlässlich aus allen Winkeln. Manchmal muss er sich erst langsam durch die Reihen aufbauen. Dann muss einer den Vorklatscher machen, damit alle an der richtigen Stelle mitgehen. Nur wenn’s gegen die Linken geht, dann sind alle dabei, dann wird der Bierkrug abgestellt, gejohlt und geklatscht. 

„Wir stehen zusammen, Markus und ich“ 

Laschet wettert in seiner Rede gegen die Planwirtschaft, gegen Annalena Baerbock, die Verbote „Innovationstreiber“ nennt, und gegen die Forderungen der Linken, den Verfassungsschutz abzuschaffen, aus der Nato auszutreten und anderes. Im stärksten Teil seiner Rede spricht er über Antisemitismus. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ist auch gekommen. Laschet betont, es sei immer wieder bewegend, Knobloch zu treffen, mit ihr über die Schrecken der Nazizeit zu reden, die sie, Jahrgang 1932, noch miterlebte. Dann schlägt er eine Brücke zur AfD: „Die AfD muss aus den Parlamenten verschwinden!“, ruft er. Wieder Applaus im Saal. 

Ein bisschen erinnert seine Rede, mit allen Stärken und Schwächen, an die drei Trielle der letzten Wochen, weil Laschet ganz viele Themen auf der Liste hat. Zwei, drei Themen zu viel. Wer die eigene Aufmerksamkeit kurz auf anderes lenkt, auf Bierkrüge, Dirndl oder Brotzeitbrettl, verliert schnell den Anschluss. „Was auch immer die Leute sagen, jetzt stehen wir zusammen, Markus und ich“, sagt Laschet irgendwann in dieser Rede, bei der nie ganz klar wird, was Show ist, was echter Optimismus. „Egal, was da geschrieben wird.“

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