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Jan van Aken

Jan van Aken - Vom Schlauchboot in den Plenarsaal

Jan van Aken war Greenpeace-Aktivist und UN-Biowaffeninspekteur. Jetzt streitet er im Bundestag für ein Verbot deutscher Rüstungsexporte

Autoreninfo

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John Bolton? Jan van Aken schnaubt verächtlich: „Ein Arschloch!” Trotzdem erinnert er sich gerne an die Begegnung mit dem amerikanischen Diplomaten: „Ich liebe dieses intellektuelle Florettfechten!“

Im Jahr 2000 ist Bolton Chefunterhändler der USA bei den Biowaffenverhandlungen in Genf. Jan van Aken ist zu diesem Zeitpunkt – ja, was eigentlich? Ein ehemaliger Greenpeace-Aktivist, der mit zwei Gleichgesinnten einen Verein zur Ächtung von Biowaffen gegründet hat und kurz entschlossen nach Genf gekommen ist. Sein Ziel: Die Amerikaner sollen im Kampf gegen die kolumbianischen Drogenkartelle auf Biowaffen verzichten.

Van Aken redet, Bolton hört zu. Und schweigt. Ein paar Monate später untersagt US-Präsident Bill Clinton per Dekret den Einsatz von Biowaffen im Kampf gegen die Kartelle.

„Ist das nicht super?“ Van Aken strahlt. „Drei dahergelaufene Leute schaffen es, den US-Präsidenten zum Verzicht auf Biowaffen im Drogenkrieg zu bringen!“

Das Clinton-Dekret ist der vorläufige Höhepunkt eines politischen Lebens, das zum größten Teil abseits der Parteipolitik verläuft. Denn erst 2007 wird van Aken einer Partei beitreten. Lange Zeit war seine politische Arena nicht der Plenarsaal, sondern das Schlauchboot bei Greenpeace-Aktionen.

Das ist inzwischen anders: Seit bald vier Jahren sitzt der wortgewandte Hamburger für die Linke im Bundestag. Dort setzt er sich vor allem für ein Verbot deutscher Rüstungsexporte ein. Im kommenden Bundestagswahlkampf soll er als einer von acht Spitzenkandidaten um Fraktionschef Gregor Gysi auftreten.

Wie aber wurde aus van Aken, dem parteilosen Polit-Aktivisten, van Aken, der Spitzenkandidat? Eine Spurensuche.

Seite 2: „Langhaarig und ungewaschen waren wir damals sowieso”

Berlin, ein grauer Donnerstagnachmittag im Januar. Jan van Aken trägt Jeans und Kapuzenpulli. Sein helles Büro ist spärlich eingerichtet. Hinter dem Schreibtisch ein paar Postkarten, mit Tesafilm an die Wand geheftet. Von der Straße dringt gedämpft der Nachmittagsverkehr. Leise surrt der Laptop. Entspannt sitzt der dreifache Familienvater auf der schwarzen Couch: ein großer Mann mit breitem Gesicht, wachen Augen und zerzaustem Haar. In weichem hanseatischen Tonfall erzählt er von seinem Werdegang.

Als Schüler geht er demonstrieren: gegen Nazis, gegen Atomkraft. „Das waren Selbstläufer.“ Während des Abiturs wohnt er vier Wochen lang im „Dorf 1004“ im Wendland, einer Zeltstadt an einer Probebohrungsstätte für ein atomares Endlager. Zwischendurch trampt er für einen Tag nach Hamburg und absolviert die mündliche Prüfung. Den Lehrern fällt nicht auf, woher er kommt: „Langhaarig und ungewaschen waren wir damals sowieso.“

Im Biologiestudium in Hamburg beginnt er, sich für Gentechnik zu interessieren. Nach Abschluss seiner Promotion arbeitet er Mitte der Neunziger zunächst an der Universität; dann geht er zu Greenpeace Deutschland, wo er Kampagnen gegen Gentechnik organisiert. „Eines der schönsten Projekte war der Butterfinger“, erzählt er: Branchenriese Nestlé will ausloten, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel in Deutschland markttauglich sind. Dazu soll der Butterfinger, ein Schokoriegel aus den USA, testweise in ausgewählten Supermärkten verkauft werden. Van Aken und sein Team sorgen dafür, dass der Test zum Fiasko gerät: Wann immer der Schokoriegel in einem Supermarkt angeboten wird, sind sie zur Stelle – mit Protestaktionen, mit Presse. „Wir waren gut vernetzt und wussten immer ein paar Tage im Voraus, wo der Butterfinger auftauchen würde.“ Nach sechs Monaten gibt Nestlé auf. Der Schokoriegel verschwindet aus den Regalen.

1998 gibt er seine Vollzeit-Stelle auf und beginnt, sich intensiver mit Biowaffen zu beschäftigen. Ein Jahr später gründet er mit der kolumbianischen Anwältin Susana Pimiento und dem amerikanischen Politologen Edward Hammond das „Sunshine Project“ gegen Biowaffen. Nach dem Coup bei den Biowaffenverhandlungen in Genf ist er ein gefragter Mann: 2003 gründet er an der Universität Hamburg eine Forschungsstelle zu Biowaffen; von 2004 bis 2006 ist er Biowaffeninspekteur bei den Vereinten Nationen in New York.

Seite 3: „Die sozialen Themen habe ich aus dem Bauch heraus gemacht”

Nach seiner Rückkehr nach Hamburg  tritt er dem Arbeitskreis des Völkerrechtlers und Linken-Abgeordneten Norman Paech bei. Zur Parteimitgliedschaft in der Linken ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Als Paech im Herbst 2008 erklärt, auf eine erneute Kandidatur verzichten zu wollen, tritt van Aken an seine Stelle.

Für einen, der Politik immer als Experte flankierte, ist der Wahlkampf ein Sprung ins kalte Wasser. „Die ganzen sozialen Themen“, erzählt er, „habe ich mehr so aus dem Bauch heraus gemacht.“  Im Herbst 2009 zieht er über die Hamburger Landesliste der Partei in den 17. Deutschen Bundestag ein.

Wie erlebt er als Quereinsteiger den Berliner Politikbetrieb? Er zögert. „Ich glaube, es gibt viele Abgeordnete, für die ist das Bundestagsmandat ein Karrierebaustein“, sagt er. Und fügt grinsend hinzu: „Außer bei der Linken. Da ist es wohl eher ein Karrierehindernis.“ Höchstens zwei Legislaturperioden will er im Bundestag bleiben: „Dann bin ich auf jeden Fall weg hier.“

Im Parlament tritt er mit einer Mischung aus Sachverstand und Polemik auf. Den Friedensnobelpreis für die Europäische Union nennt er einen „Hohn“, die Stationierung deutscher Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze „erschreckend“, den stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Martin Lindner als „eierkraulenden Macho“.

Viel Aufsehen hat sein Auftritt in Stefan Raabs Polit-Talkshow „Absolute Mehrheit” erregt. Nach rund einstündiger Diskussion lag van Aken, der Anfänger, in der Zuschauergunst auf dem zweiten Platz, knapp hinter dem Talkshow-Veteranen Wolfgang Kubicki. Jede Menge Vorbereitung habe die Sendung ihn gekostet, erzählt er. Seine Strategie: „Wenn ich derjenige im Raum bin, der mehr weiß als alle anderen, dann habe ich eine Chance zu gewinnen.“

Van Aken ist intelligent, polemisch, gewitzt. Sein Hintergrund als Wissenschaftler und Greenpeace-Aktivist macht ihn wählbar auch für Menschen, die ihr Kreuz sonst eher bei Grünen oder Sozialdemokraten machen würden. Von manchen wird er längst als potenzieller Gysi-Nachfolger gehandelt.

Die Linke wird die Rüstungsexporte zum Wahlkampfthema machen. 78 Prozent der Deutschen lehnen Waffenlieferungen ins Ausland ab. Das hat das Meinungsforschungsinstitut Emnid herausgefunden. Als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien ist die Linke für ein kategorisches Verbot. In Jan van Aken, dem erfahrenen Biowaffengegner, hat sie jetzt einen glaubwürdigen Repräsentanten.

Darum wird er in den kommenden Monaten viel unterwegs sein in der Republik. Er wird für seine Position streiten, gegen die Politik einer Regierung, die – wie die Linkspartei es ausdrückt – den Tod exportiert.

Ein erster Termin steht unmittelbar bevor:  Beim Politischen Aschermittwoch in Ingolstadt soll van Aken auftreten. Der Termin wird eine Generalprobe, sowohl für den Kandidaten als auch für seine Partei. Können sie miteinander?

Van Aken ist zuversichtlich.

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