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(picture alliance) Ob Gregor Gysi glaubt, was seine Partei in ihr Programm schreibt?

Marx und Murks - Verfassungsschutz beobachtet die Linke zu Recht

Die Linke verherrlicht und verharmlost den real existierenden SED-Sozialismus samt seiner Marx- und Murks-Wirtschaft. Hugo Müller-Vogg zur Debatte über die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz

„Zu den Erfahrungen der Menschen im Osten Deutschlands zählen die Beseitigung von Erwerbslosigkeit und die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen, die weitgehende Überwindung von Armut, ein umfassendes soziales Sicherungssystem, ein hohes Maß an sozialer Chancengleichheit im Bildungs- und Gesundheitswesen und in der Kultur sowie die Umstrukturierung der Landwirtschaft in genossenschaftliche und staatliche Betriebe.“

Ob Gregor Gysi diese Verherrlichung und Verharmlosung des real existierenden SED-Sozialismus samt seiner Marx- und Murks-Wirtschaft selber glaubt? Wohl kaum. Aber so steht’s halt im neuen Parteiprogramm der Linken. Warum? Damit alle DDR-Nostalgiker sich in ihren Reihen heimisch fühlen. Auch dürfen mit Blick auf die vielen Genossinnen und Genossen, die wie ihre Vorsitzende Gesine Lötzsch „neue Wege“ zum Kommunismus suchen, die Errungenschaft der DDR nicht schlecht gemacht werden.

Eines muss man der Linken konzedieren: Sie ist eine pluralistische Partei. Da wirken Männer und Frauen mit, die durchaus in die SPD passen würden. Es gibt aber auch Anhänger einer grundlegenden Umgestaltung der herrschenden Verhältnisse, wobei die „neue Ordnung“ bewusst nie genau beschrieben wird. Obendrein tummeln sich dort jede Menge Wirrköpfe, die die „Menschenrechte“ auf Kuba preisen, das Selbstbestimmungsrecht arabischer Despoten gegen den US-Imperialismus verteidigen und mit kurdischen oder palästinensischen Terroristen sympathisieren.

Darf der Verfassungsschutz eine solche Partei beobachten? Ja, er muss es sogar. Jedenfalls dann, wenn die Behörde ihren gesetzlichen Auftrag ernst nimmt, Informationen zu sammeln und auszuwerten über „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (…) gerichtet sind“.  

Dürfen dabei auch frei gewählte Abgeordnete ins Visier der Verfassungsschützer geraten? Selbstverständlich! Um zu wissen, welche Vorstellungen von einer anderen Republik in einer Partei herumgeistern, muss man auch auf deren führende Köpfe schauen und nicht nur das Treiben des Hausmeisters beobachten.

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Würde übrigens ein politisches Mandat seinen Inhaber gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz immunisieren, dann müssten auch Abgeordnete von NPD oder DVU denselben Schutz genießen. Das hat nichts mit einer Gleichsetzung von Braunen mit Tiefroten zu tun, sondern mit rechtsstaatlichen Grundsätzen. Auch wenn das politisch als nicht korrekt angesehen werden mag: Ein Linksextremist ist nicht per se ein besserer Mensch als ein Rechtsextremist.

Ganz abgesehen davon: Das Bundesverwaltungsgericht hat im Juli 2010 eine entsprechende Klage des Linken-Abgeordneten Bodo Ramelow abgeschmettert. Mandatsträger dürfen also beobachtet werden. Nicht statthaft wäre hingegen der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, solange die Immunität nicht aufgehoben ist.

Der Verfassungsschutz genießt kein allzu hohes Ansehen. Zu Recht: Denn beim Kampf gegen rechtsextremistische Mörder hat er versagt. Auch mutet die Auswahl der beobachteten Linken-Abgeordneten fragwürdig an. Wobei niemand weiß, ob das, was bekannt wurde, den Tatsachen entspricht. Und natürlich lassen sich leicht Witze reißen über „Schlapphüte“, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch intensive Zeitungslektüre und Text-Exegese verteidigen.

Das alles ändert aber nichts an der Notwendigkeit, dass der Staat eine solche Einrichtung braucht. Die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Rechtsextremismus wird zu Recht mit den Erfahrungen der Weimarer Republik begründet. Zu den Lehren aus der deutschen Geschichte gehört aber auch, dass die Kommunisten die junge deutsche Demokratie zwischen den beiden Kriegen nicht stärken, sondern abschaffen wollten. Nur wer das vergessen hat, findet die Suche nach neuen Wegen zum Kommunismus nicht verwerflich.
 

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