Trotz aller Proteste „gegen rechts“ - Die AfD bleibt in Thüringen und Sachsen mit Abstand stärkste Partei

Obwohl die Umfragewerte für die AfD leicht rückläufig sind, steht die Partei unverändert stark da. Das wird die Kämpfer „gegen rechts“ nicht davon abhalten, weiterhin aktiv zu bleiben. Deren Kalkül ist leicht zu durchschauen.

Freut sich mit Blick auf die Wahlumfragen: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Anzeige

In den aktuellen Meinungsumfragen liegt die AfD im Bund zwischen 16 und 19,5 Prozent. Bei der Europawahl im Juni kann sie ebenfalls mit 16 Prozent rechnen. In Osten, wo am 1. September neue Landtage gewählt werden, führt die Rechtsaußenpartei in Thüringen mit 29 bis 31 Prozent und in Sachsen mit 34 Prozent die Umfragen an. Die CDU ist jeweils zweitstärkste Kraft: in Sachsen mit 30 und in Thüringen mit 20 Prozent.  

Damit hat die AfD im Vergleich zu früheren Erhebungen an Zustimmung eingebüßt. Im Januar hatten es Weidel, Chrupalla und Co. im Bund noch auf 22 Prozent gebracht, Höcke in Thüringen auf 36. Nur in Sachsen hat sich seit Jahresbeginn nichts verändert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und mit ihm zahllose Politiker von SPD und Grünen, Kirchenvertreter und Manager können sich bestätigt fühlen. Die vielen Demonstrationen gegen die AfD haben nicht nur „Mut gemacht“, wie das Staatsoberhaupt mehrfach lobte. Sie scheinen auch die Stimmung beeinflusst zu haben – zu Lasten der AfD. Viele Kommentatoren waren sich ebenfalls schnell sicher, die Kundgebungen nach Berichten über das „Geheimtreffen“ von Potsdam hätten Wirkung gezeigt.  

„Ursache für die sinkende Zustimmung zur AfD könnten die seit zwei Wochen anhaltenden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sein, die infolge der Enthüllungen des Recherchekollektivs Correctiv organisiert wurden“, schrieb Die Zeit schon Anfang Februar. Da hatte es erst zwei „Demonstrations-Wochenenden“ gegeben.  

Die demokratische Mitte hat von den Aktionen „gegen rechts“ nicht profitiert

Obwohl die Umfragewerte für die AfD teilweise rückläufig sind, steht die Partei unverändert viel stärker da als noch bei der Bundestagswahl 2021. Damals hatte sie es auf 10,3 Prozent gebracht. Die jüngsten Kampagnen haben sie nur bedingt geschwächt. Ein zweiter Blick auf die Zahlen muss alle, die an die Macht dieser Demonstrationen glauben, zusätzlich ernüchtern. Den leichten AfD-Verlusten stehen im Bund nämlich recht ansehnliche fünf bis sieben Prozent für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gegenüber. Die demokratische Mitte hat von den vielen Aktionen „gegen Rechtsextremismus“ beziehungsweise „gegen rechts“ jedenfalls nicht profitiert.

Es spricht also viel dafür, dass weniger der „Aufstand der Anständigen“ potentielle Wähler der AfD beeindruckt hat als das neue Angebot von Sahra Wagenknecht. Der einstige Star der Linken bietet den von der Ampel enttäuschten Bürgern ebenfalls eine Alternative: heftige Kritik an der Wirtschafts-, Sozial- und Zuwanderungspolitik der Ampel gepaart mit der Auffassung, jeder Euro wäre hierzulande besser investiert als in der Ukraine. Für gleichzeitig national wie sozial gesinnte Wutwähler ist das offensichtlich ein attraktives Angebot.  

 

Mehr zum Thema:

 

Dies alles wird die überwiegend im linksgrünen Spektrum verorteten Kämpfer „gegen rechts“ nicht davon abhalten, weiterhin aktiv zu bleiben. Deren Kalkül ist leicht zu durchschauen. Selbst wenn der zum Teil von Regierungsparteien orchestrierte „Kampf“ viele AfD-Wähler in ihrer Anti-Haltung eher bestärken könnte, so bauen Sozialdemokraten, Grüne, linke und linksextreme Gruppen darauf, wenigsten von der Ampel frustrierte Wähler links der Mitte mobilisieren zu können. Auf diese Weise ließe sich immerhin die CDU, die beim „Kampf gegen rechts“ stets mitgemeint ist, schwächen.  

Auf diesen „Kollateralnutzen“ der gegen die AfD gerichteten Kampagnen spekulieren offenbar die sieben thüringischen Hochschulen, die Wählermobilisierung auf ihre Weise betreiben. Sie haben unter ihren Studenten, die im Freistaat nur ihren Zweitwohnsitz haben, ein „unausgeschöpftes Stimmpotenzial“ erkannt. Deshalb wird diesen Studenten empfohlen, doch schnell den Hauptwohnsitz nach Thüringen zu verlegen, um dort bei den Kommunalwahlen, der Europawahl und der Landtagswahl ihre Stimme abgeben zu können.

Mit Geld Wähler zu fangen, gehörte bisher nicht zu den hierzulande üblichen Methoden

Das kann sich für diese Neu-Thüringer sogar finanziell lohnen. Wer sich als Auszubildender oder Student für eine thüringische Gemeinde als Hauptwohnsitz entscheidet, erhält eine sogenannte Ausbildungsprämie. So zahlt die Stadt Weimar Studenten bei Verlegung des Hauptwohnsitzes eine einmalige Prämie von 300 Euro, in Schmalkalden gibt es 50 Euro pro Semester. Mit Geld Wähler zu fangen, gehörte bisher allerdings nicht zu den hierzulande üblichen Methoden.

Zweifellos gibt es Bürger, die bei allen diesen Anti-AfD-Aktionen mitmachen, weil sie ernsthaft um Sorge um unsere Demokratie sind. Dieses Engagement soll auch nicht abgewertet werden. Sich einer Demonstration für eine „gute Sache“ anzuschließen, führt aber nicht zwingend zum gewünschten Ergebnis. Umfragen sind das eine, Wahlergebnisse das andere. Die Wiederholungswahl in Berlin war begleitet von Massendemonstrationen gegen den Rechtsextremismus. Am Ende war die AfD die einzige Partei, die bei deutlich gesunkener Wahlbeteiligung absolut mehr Stimmen bekam als bei der Bundestagswahl 2021.

Man muss kein Prophet sein, um sich die Folgen der unverändert hohen Umfragewerte für die AfD auszumalen. Mit ihnen wird die Notwendigkeit begründet, weiterhin zu demonstrieren. SPD und Ampel werden die Zahlen zum Anlass nehmen, ihr umstrittenes Demokratiefördergesetz unbedingt durchzusetzen. Die ihr nahestehenden linken Organisationen sollen mehr Steuergelder für den „Kampf gegen rechts“ bekommen. Schließlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits vor einiger Zeit dazu aufgerufen, die anstehenden Wahlen zu Protestwahlen „gegen rechts“ zu machen. Wobei er mit „rechts“ alles gemeint haben dürfte, was nicht links ist.  

Bei allem verständlichen Entsetzen über die Stärke der in Teilen rechtsextremen AfD sollte eines nicht vergessen werden: Das wirkungsvollste Instrument, um die AfD auf ihren rechtsextremen Kern zu reduzieren, wäre eine andere Politik – weniger ideologisch aufgeladen, mehr an den wahren Sorgen der Menschen orientiert. Dann stünde auch die SPD besser da als jetzt mit 15 bis 16 Prozent im Bund und gerade noch sechs bis neun Prozent in Thüringen und Sachsen.  

Anzeige