Papst und Bischöfe im Konflikt - Die Lebenslügen des Synodalen Weges

Der Konflikt der Deutschen Bischofskonferenz mit Papst Franziskus eskaliert. Der Vatikan hat ein Reformvorhaben der Bischöfe vorerst gestoppt. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn warnt nun vor einer Kirchenspaltung. Gelingt der Katholischen Kirche ein Neuanfang?

In Augsburg versammeln sich die deutschen Bischöfe zur Vollversammlung und debattieren unter anderem über den Konflikt mit Rom /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Der Begriff „Reform“ ist in der Katholischen Kirche längst zu einer oft wiederholten Hohlformel verkommen. Übrig bleibt nach jahrelanger Debatte nur der immer neue Streit der deutschen Bischöfe mit der römischen Zentrale, der so unnötig wie schädlich ist. Der Vatikan hat nun per Brief an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, die Einrichtung eines „Synodalen Ausschusses“ vorläufig untersagt. Es gab Vorwarnungen. Die Vollversammlung der deutschen Bischöfe, die in dieser Woche in Augsburg tagt, musste eine entsprechende Abstimmung zu dem Thema von der Tagesordnung nehmen. Im Kern geht es darum, ob Laien, also Nicht-Priester, in der Kirche mitentscheiden oder nur mitberaten dürfen. Die Deutschen sind hartnäckig. Nun steht das Schreckgespenst eines Schismas wieder im Raum. 

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) klagt unmittelbar, Rom habe die „Reformbremse“ gezogen. Aber ob die Schaffung eines neuen Gremiums durch die Bischofskonferenz schon so etwas wie Reform wäre, ist die Frage. Bischöfe und ZdK wollten mit dem „Synodalen Ausschuss“ mehr Partizipation erreichen. Die Leitungsfunktion der Bischöfe würde keiner in Frage stellen, so der Theologe und ZdK-Vize Thomas Söding, aber jeder vernünftige Bischof würde doch längst nicht mehr „für sich allein im stillen Kämmerlein entscheiden", erklärte er. Tatsächlich gibt es schon viele Gremien, so dass Außenstehende leicht den Überblick verlieren. Ganz so harmlos sollten die neuen Ausschüsse und Räte eben wohl doch nicht sein.

Kardinal sieht Verfassung der Kirche bedroht

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat sich am Montag überraschend in den Konflikt eingemischt. Der frühere Vertraute von Papst Benedikt XVI. ist so etwas wie das Bindeglied zwischen den Römern und den Deutschen und gilt gemeinhin nicht als Hardliner. Doch im Interview mit der katholischen Zeitschrift Communio weist er das Handeln seiner Mitbrüder in die Schranken. Bei der Einrichtung eines „Synodalen Ausschusses“ werde ein „Kernpunkt der Verfassung der Katholischen Kirche“ berührt. Wenn die deutschen Bischöfe das nicht einsähen, würden sie sich eben doch vom Papst trennen und auf eine Kirchenspaltung zulaufen. Kurz gesagt: Die Katholische Kirche gibt es nur mit Papst und Bischöfen. Alles andere ist Meuterei oder Revolution.

In Wahrheit weiß die Katholische Kirche in Deutschland nicht mehr, wohin sie will. Die Revolution will sie nicht ausrufen, aber sich der römischen Linie zu unterwerfen, passt ihr auch nicht. Papst Franziskus, wahrlich ein Reformer, will die Glaubensgemeinschaft für die säkulare Gesellschaft neu aufstellen. Aber viele deutsche Katholiken misstrauen ihrem Oberhaupt, sehen in Macht- und Moralfragen und bei der Gleichberechtigung zu wenig Bewegung. Doch zugleich mangelt es ihnen am Blick für das Wesentliche. Sie suchen jahrelang auf einem „Synodalen Weg“ die Zukunft und finden am Ende vor allem nur neue Strukturen, Geschäftsordnungen und Sitzungen.

Die römische Kurie mag mit ihrer 2000 Jahre alten Geschichte etwas Hartleibiges an sich haben, aber die deutsche Kirche mit ihrem vielen Geld, ihren großen Verwaltungen und unzähligen bereits bestehenden Gremien kann sich nicht vor der Frage drücken, die ihnen der Papst stellt: Wollt ihr auch noch in einer modernen Gesellschaft für den unbequemen christlichen Glauben einstehen und ihn verkünden oder in Selbstbeschäftigung euch nur um eure eigene Achse drehen?

Vorgeschichte: Missbrauchskrise

Der aktuelle Konflikt hat tiefere Ursachen und seine Vorgeschichte. Seit 2009 schwelt und eskaliert die Missbrauchskrise in der Katholischen Kirche in Deutschland. Immer neue Fälle von sexueller Gewalt und deren Vertuschung werden aufgedeckt. Einige Bistümer starten eigene Aufklärungsaktionen. Die Bischöfe geben schließlich eine gemeinsame Untersuchung in Auftrag, die fortan unter dem Begriff MHG-Studie firmiert, benannt nach den Anfangsbuchstaben der Orte, aus denen die Experten stammen. 2018 werden die Ergebnisse präsentiert und lösen eine Schockwelle aus. Zugleich wird klar, dass auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen das schreckliche Tabu schlummert.

Vor fünf Jahren, bei der Frühjahrsversammlung 2019 in Lingen, starteten die Bischöfe gemeinsam mit dem ZdK den sogenannten Reformprozess „Synodaler Weg“. Er wird als direkte Antwort auf die Missbrauchskrise aufgesetzt und soll sich mit den sogenannten „systemischen Ursachen“ von Missbrauch beschäftigen. Die Idee war, dass die Bischöfe und „Laien“, also Nicht-Priester, gemeinsam beraten sollen und auch Beschlüsse fassen. Zunächst waren drei Themenbereiche vorgesehen: Macht und Missbrauch, Priester und Zölibat, Sexualmoral und Lehre. Schließlich kam noch ein sogenanntes viertes Forum hinzu: die Frage der Rolle der Frau in der Kirche.

Webfehler im Reformprozess

Von Anfang an lag ein Webfehler in der Konstruktion dieses Synodalen Weges. Nicht die Fragen nach der Missbrauchskrise selbst, das Gespräch mit Betroffenen, Konzepte zur Prävention und Ideen zur Aufarbeitung standen an der Wiege dieses Beratungsprozesses, sondern die Themenbereiche, in denen viele Gläubige, Engagierte und Funktionäre sich Veränderungen in der Kirche wünschen. Doch diese Indienstnahme der Missbrauchskrise für den verständlichen Wunsch nach Reformen erwies sich als problematisch und angreifbar. Auch wenn der Synodale Weg sich unterwegs noch mal verändert und gehäutet hat, blieb dieser falsche Gründungsmythos sein größter Hemmschuh.

Der aktuelle Machtkampf zwischen deutscher Bischofskonferenz und römischer Kurie müsste nun Anlass für die Katholische Kirche in Deutschland sein, sich von zwei wesentlichen Lebenslügen zu befreien. Zum einen lassen sich aus der Missbrauchskrise eben keineswegs auf diesem Wege direkte Reformnotwendigkeiten destillieren. Man kann mit guten Gründen für die Abschaffung oder Aufweichung der Zölibatsverpflichtung für katholische Priester sein. Diese Forderung herzuleiten aus den nun aufgedeckten Straftaten von Klerikern an Kindern oder deren Vertuschung durch Bistumsverwaltungen, ist argumentativ zu kurz gegriffen und deswegen fatal. Das zeigt spätestens die aktuelle Studie der Evangelischen Kirche zu ihren zahlreichen Missbrauchsfällen.

„Man wird eher vom Küssen schwanger als vom Zölibat pädophil“, befand der Kriminalpsychiater Hans-Ludwig Kröber in pointierter Weise schon 2010 in Cicero. Auch verhindern partizipativere Strukturen und das Ende des männlichen Klerikalismus nicht zwangsläufig Straftaten und die Vereitelung von deren Verfolgung. Gleichwohl kann man sich mit Recht und auch mit Argumenten für entsprechende Veränderungen in der Katholischen Kirche einsetzen. Letztlich hat die Verknüpfung des Reformdiskurses mit der Missbrauchsproblematik dem Anliegen aber wohl mehr geschadet als genutzt.

Papst wünscht sich praktische Veränderungen

Zur zweiten Lebenslüge des Synodalen Weges gehört die Vorstellung, dass die deutschen Auseinandersetzungen mit dem Vatikan insgesamt der nicht nur in Deutschland vorhandenen Reformer-Fraktion innerhalb der katholischen Weltkirche nützen würden. Das Gegenteil scheint bislang der Fall zu sein. Bereits 2019 hat Papst Franziskus in seinem in seiner Art einmaligen „Brief an das pilgernde Volk Gottes“ deutlich gemacht, dass er die deutsche Fokussierung auf Strukturen und dogmatische Fragen zugunsten eines pastoralen Angangs und eines lebensweltlicheren Ansatzes kritisch sieht.

 

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Man mag dem nun entgegenhalten, der Papst habe die Deutschen missverstanden; man mag auch argwöhnen, die reaktionären Kräfte in Rom bremsten den Heiligen Vater aus, aber im Ergebnis zeigt sich, der Konfrontationskurs hat sich nicht ausgezahlt. Mahner, auch gutmeinende Freude der deutschen Katholischen Kirche, gab es genug, doch die Strategie der Bischofskonferenz sah weitgehend anders aus.

Spätestens mit der Eröffnung des vom Papst initiierten weltweiten synodalen Prozesses im Jahr 2021 hätten die deutschen Akteure merken müssen, dass das eigene Vorhaben zum Sonderweg wird, zumindest als solcher gedeutet werden kann. Im vergangenen Herbst hat nun die erste Synode in Rom stattgefunden, in diesem Oktober findet die zweite und finale Runde statt. Man wird kaum bezweifeln können, das diese auch „Reformen“ dienen! Dennoch: Bischof Bätzing kam im Oktober aus Rom zurück und erklärte, es gebe Offenheit, aber zu wenig Mut. Mit solchen Äußerungen macht man sich keine Freunde im Vatikan.

Kluitmann: „In Rom finden wir kein Gehör“

Die Lebenslüge der deutschen Akteure lautet, dass Rom sozusagen weit weg ist. Dieser Irrtum wird jetzt offenbar. Vereinfacht gesagt ist der Papst der Chef und Rom die Zentrale, auch wenn das theologisch und kirchenhistorisch sicher differenzierter zu erörtern ist. Der deutsche Synodale Weg hat sich zu sehr als eigenständig gesehen und zu wenig einbinden lassen in den Veränderungsprozess des Papstes; das Ergebnis lässt sich nun bewundern.

Schwester Katharina Kluitmann sieht das übrigens ganz anders. Die katholische Ordensfrau ist Autorin geistlicher Bücher und engagiert sich seit Jahren im Synodalen Weg. Sie schreibt nun in einem offenen Brief an den Papst, veröffentlicht auf kirche-und-leben.de, sie bleibe zwar in der Kirche und dem Glauben treu, aber wisse „nicht mehr weiter“. Ihr Vorwurf an das Kirchenoberhaupt: Gesprächsverweigerung. „Von Ihnen und aus der Kurie werden unserem Mühen, in Deutschland synodale Kirche zu sein, immer wieder neue Hindernisse in den Weg gelegt.“

Die derzeitige Zerrissenheit der Katholischen Kirche zeigt sich in diesen gegensätzlichen Sichtweisen. Kluitmann sagt: „In Rom finden wir kein Gehör.“ Kardinal Schönborn hingegen sagt, er sei beeindruckt von der „Geduld“, die der Papst mit den Deutschen habe.

Wenn die Katholische Kirche in Deutschland aus ihrer seit Jahren andauernde Paralyse herausfinden will, braucht es ein Innehalten und vor einem Weiter-so des Synodalen Weges einen Versöhnungsprozess. Der gut gemeinte Anlauf zu einem Neuanfang ist in einer Sackgasse – oder vielleicht besser in einem Labyrinth gelandet. Heraus findet man nur in einer gemeinsamen Anstrengung, nicht im Kampfmodus sich gegenüberstehender Kombattanten. Bätzing müsste zum Versöhner werden – oder die Aufgabe an einen anderen übergeben.

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