Olaf Scholz merkelt bei Maischberger - Der Kanzler mit den „unvermeidbaren“ Gedächtnislücken

Sandra Maischberger hat am Mittwoch Olaf Scholz interviewt und sich dabei sichtlich bemüht, echte Antworten vom Bundeskanzler zu bekommen. Auch zu dessen Erinnerungsvermögen. Mit mäßigem Erfolg, weil Scholz Phrasen bestens kann.

Bundeskanzler Olaf Scholz in der ARD-Sendung von Sandra Maischberger am 28.06.2023 / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Wer sich noch an Anne Wills gefällige Interviews mit Angela Merkel erinnert, weiß Sandra Maischbergers kritischen Fragestil zu schätzen. In ihrer 45-Minuten-Spezialsendung mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch über den Krieg in der Ukraine und über die Gegenwart und Zukunft Deutschlands sah dieser gleich mehrfach nicht besonders souverän aus.

So ließ sich Scholz von Maischberger fast dazu drängen, auf seinen persönlichen Inflationsausgleich von rund 3000 Euro, der ihm vermutlich nach einer Tarifvereinbarung für den öffentlichen Dienst zusteht, zu verzichten. Nachdem sie ihn erst dazu brachte zuzustimmen, dass sie beide solches Geld nicht nötig hätten, sagte Scholz zu: „Ich werde das verwenden für gute Zwecke.“

Russland soll sich aus der Ukraine zurückziehen

Aber vor allem bekam der Zuschauer einen Olaf Scholz zu sehen, wie man ihn kennt: Ein Mann, der zwar immer wieder Interviews gibt, dabei aber so gut wie nichts von sich gibt, das über ihn und seine politischen Überzeugungen und Ziele wirklich Aufschluss geben könnte. Das begann schon, als Maischberger ihn fragte, ob er sich am vergangenen Wochenende den Erfolg des Prigoschin-Putsches in Russland gewünscht hätte. Wie sein eigener Diplomat antwortete Scholz, man unterstütze die Ukraine in ihrem Kampf zur Verteidigung, betreibe aber nicht den Regime-Change in Moskau.

Es sei, so Scholz, eine gefährliche Lage gewesen am Wochenende, „weil man nicht weiß, was dabei rauskommt und was das für Russlands Agieren in der Zukunft bedeutet“. Es könne keiner wissen, ob es nach Putin besser oder schlechter werde. Putin sei aber wohl geschwächt. Alles Aussagen, die jeder halbwegs informierte Zeitungsleser ohne dezidierte Haltung ebenso machen könnte.


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Russland müsse sich aus der Ukraine zurückziehen, bevor Verhandlungen infrage kämen, sagte er, aber seine Einschätzung über die ukrainische Offensive klang nicht gerade zuversichtlich. Er habe den Eindruck, dass die ukrainischen Soldaten „gezielt nach Möglichkeiten suchen, die Frontlinie zu verschieben“. Nun ja, zum militärischen Analytiker taugt der Kanzler wohl ohnehin nicht, obwohl er mittlerweile immerhin ein paar Waffensysteme aufzählen kann, die Deutschland der Ukraine geliefert hat.

In der Erinnerung an das monatelange Zaudern des Kanzlers bei der Lieferung von Panzern, kann man seine jetzige Behauptung, dass „die Waffen recht früh zur Verfügung standen“, allerdings als zynisch empfinden. Ebenso wie seinen Versuch, sich als ganz besonders früher Verfechter von LNG-Terminals an den deutschen Küsten darzustellen, den er mit dem großzügigen Geständnis krönte, er wolle nicht so tun, als hätte er es nicht richtig gefunden, die Nord Stream 2 Pipeline fertig zu stellen. Ähnlich umständlich scholzte er auch, als es um Deutschlands Verhältnis zu China ging. Man müsse eben Sorge tragen, auch mit vielen anderen Ländern gute Handelsbeziehungen zu pflegen.

Dass der Kanzler das Heizungsgesetz ein „gutes Gesetz“ nannte und seine Verantwortung für das Erstarken der AfD mit Verweis auf „rechtspopulistische Schlechte-Laune-Parteien“ in anderen Ländern beiseite wischte, war nicht anders zu erwarten. Auch dass er mit Blick auf die Aussicht auf „Klimaneutralität“ ein an Merkels „Wir schaffen das“ erinnerndes „Wir kriegen das hin“ bemühte, konnte nicht überraschen. Mehr als Optimismus simulierende Phrasen sind aus Scholz wohl einfach nicht herauszubekommen.

Der junge Scholz war ein „Besserwisser“

Eine Wiederholung früherer Aussagen des Kanzlers war auch seine Antwort auf die Frage nach dem Kampf gegen die Inflation. Allerdings eine wenig optimistisch stimmende. Während Maischberger ihm vorhielt, der Staat könne doch die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel abschaffen, brüstete sich Scholz gleich zweimal mit den vielen Milliarden Schulden, die der Bund neu aufgenommen habe, um die Gaspreisbremse zu finanzieren. Das ist zweifellos besorgniserregend: Der Kanzler glaubt, mit riesigen neuen Staatsschulden die Teuerung bekämpfen zu können. Als wären nicht gerade Staatsschulden einer der zentralen Faktoren zur Befeuerung der Inflation.

Der einzige Höhepunkt dieses Kanzler-Interviews war die Frage Maischbergers nach „Gedächtnislücken“ in Form des bekannten Sprachspiels, in dem der Befragte einen Satz vervollständigen muss. Das tat der Kanzler, der sich nicht an seine Gespräche mit einem steuersäumigen Bankier in Hamburg erinnern kann oder will, indem er solche Lücken als „unvermeidbar“ bezeichnete. Und der einigermaßen fassungslosen Interviewerin erläuterte er, es gäbe niemanden, der nicht solche Gedächtnislücken habe.

Scholz war dann kurz darauf auch so geschickt, sich nicht daran zu erinnern, welche Comics er als Kind gelesen habe. Scholzens Vater übrigens, das flocht Maischberger raffiniert ein, hatte den jungen Olaf einen „Besserwisser“ genannt. Manches weiß womöglich auch der älter gewordene Scholz besser als er in Interviews behauptet.

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