NRW-Ministerpräsident Wüst stellt sein schwarz-grünes Harmonie-Kabinett  - Alles andere als wüst

Mehr Kompetenz, weniger Glanz, kommentierte ein Beobachter das neue Kabinett von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), das er heute in Düsseldorf vorgestellt hat. Tatsächlich setzt der im Amt bestätigte nordrhein-westfälische Regierungschef in der CDU-Riege auf erfahrene Haudegen und überraschende Neulinge aus der zweiten Reihe. Ähnlich übrigens wie bei den Grünen sind die neuen Minister mehr am Schreibtisch als in den Talkshows zuhause. Und dann ist da noch eine auf Twitter viel diskutierte Personalie. 

Alte Haudegen und Überraschungen: die neue NRW-Landesregierung. /dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Immerhin bleiben mit Innenminister Herbert Reul und Sozialminister Karl-Josef Laumann die auch überregional bekanntesten CDU-Gesichter im Amt. Auf der anderen Seite übernehmen mit Dorothee Feller (Schule) und Silke Gorißen (Landwirtschaft) zwei noch weitgehend unbekannte CDU-Frauen aus der Kommunalpolitik beziehungsweise der Regionalverwaltung Schlüsselressorts der Landesregierung. Was das für die Landespolitik heißt, ob hier Akzente gesetzt werden – oder nur verwaltet wird, das wird sich dann zeigen. 

Insgesamt ist der Start von Schwarz-Grün im größten Bundesland auf maximale Harmonie getrimmt. Bei seiner Ansprache im Landtag nach der Wahl markierte Wüst den Klimaschutz und soziale Sicherheit als seine wichtigsten Ziele und war bemüht, neben CDU und Grünen auch noch die SPD und die FDP mit an den allgemeinen Konsenstisch zu ziehen. Auch bei der Vorstellung der Landesminister kamen vom Regierungschef nur staatstragende Beteuerungen. „Ökologie und Ökonomie versöhnen“ ist die knappe Formel allen Wüst’schen Redens. Ob das zur Profilierung ausreicht – und auch den gegenwärtigen Problemen des Landes gerecht wird, ist fraglich. Inflation, Infrastruktur, Re-Industrialisierung, Krise des ländlichen Raums, Bildungsnotstand – alles Probleme, die allein mit Harmonie nicht zu lösen sein werden. 

 

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Liminski: Differenz zwischen Innen- und Außenwahrnehmung

Überraschenderweise war im Vorfeld der neue und alte Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), zur meist-diskutiertesten Personalentscheidung der neuen schwarz-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geworden. Er war gerüchteweise als Schulminister gehandelt worden, steigt nun als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten auf und bleibt zugleich Chef-Koordinator des Regierungsgeschehens. Sein Aufstieg zum Minister ist eine klare Anerkennung für seine strategische und moderierende Funktion schon in der Vorgängerregierung, unter Armin Laschet (CDU). Viele sagen: Ohne Liminski läuft der Laden nicht. Und Liminski steht für die maximale Differenz zwischen Binnen- und Außenwahrnehmung.

Der bekennende und praktizierende Katholik Liminski ist wegen früherer Äußerungen als Jugendlicher unter anderem zur Homosexualität und wegen seines Engagements für die papstfreundliche „Initiative Benedikt“ fast zu einer Art Hassfigur in einem bestimmten linken Milieu geworden – weitgehend unabhängig von seinen heutigen Äußerungen und Handlungen. Der Gipfel der auf sozialen Medien verbreiteten Anfeindungen war ein Tweet des ARD-Journalisten und Leiters des Politmagazins „Monitor“, Georg Restle.

Nun hat Liminski seinen zentralen Platz in der Regierung - und ist auch noch für Medien zuständig. Übrigens unter ausdrücklicher Zustimmung der Grünen, die Liminski für seine vertrauensvolle und konstruktive Art intern immer wieder loben, wie in Düsseldorf zu hören ist. 

Der grüne Bundestagsabgeordnete und Rechtspolitiker Konstantin von Notz übrigens verteidigt Liminski explizit auf Twitter:

Keine Berliner in Düsseldorf

Ein Schlüsselressort in Zeiten knapper Kassen ist das Finanzministerium. Auch hier gab es wilde Gerüchte, Wüst könnte einen bekannten Kopf aus Berlin holen. Tatsächlich berief er den Finanzfachmann Marcus Optendrenk, den keiner „auf dem Zettel“ der Spekulationen hatte. Der Volljurist und promovierte Historiker war schon 2005 Büroleiter von Finanzminister Helmut Linssen. Er gilt als strenger Verfechter der Schuldenbremse. 

Doch die politischen Beobachter und Strippenzieher hatten doch in Düsseldorf mit dem Finanzministerium was anders vor. Wäre etwa der frühere Union-Fraktionsvorsitzende und Ostwestfale Ralph Brinkhaus nicht die bessere und „glänzendere“ Personalie gewesen – am ansonsten etwas zu provinziellen Düsseldorfer Kabinettstisch? In der politischen Deutungsmaschinerie wäre eine Berufung von Brinkhaus ein Win-Win-Manöver gewesen. Brinkhaus, der nach der verlorenen Bundestagswahl bei den Berliner Personal-Rochaden leer ausgegangen war, hätte ein neues anspruchsvolles Aufgabenfeld bekommen und wäre nicht schon auf dem Abstellgleis geparkt geblieben. 

Auf der anderen Seite hätte Wüst seinen bundespolitischen Aktionsradius demonstriert. Nach dem Motto: Wenn in Berlin für die CDU das Kanzleramt verloren geht, wandern die Spitzenleute zum „Düsseldorfer-Kanzler“ im 18-Millionen-Land NRW ab. Doch gegen all diese strategischen Spielereien zeigte sich Wüst immun. Auch andere Ex-Minister von Angela Merkel, wie der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn und die frühere Bildungsministerin Anja Karliczek bleiben lieber in der Opposition als auf die Landesebene zu wechseln. Wer weiß, vielleicht auch eine Win-Win-Situation für die Beteiligten.

Das neue Kabinett von Hendrik Wüst muss jetzt auf jeden Fall sich noch seine Wahrnehmung und seine Anerkennung erarbeiten. „Wir haben Lust auf Zukunft“, sagte Wüst und gab den Spirit seines neuen Teams damit vor.

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