Nordrhein-Westfalen - Grüner Justizminister entmachtet Cum-Ex-Staatsanwältin

Für Bundeskanzler Olaf Scholz sind die Strafverfahren zum Cum-Ex-Steuerbetrug gefährlich. Denn es könnte noch mehr über seine Verbindungen zu einem angeklagten Hamburger Bankier herauskommen. Eine eifrige und erfolgreiche Ermittlerin wurde nun ausgebremst.

Dem Kanzler auf der Spur? Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker / dpa
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Als Nordrhein-Westfalen im vergangen Jahr einen neuen Landtag wählte, gab es in bundesweiten CDU-Kreisen folgende Befürchtung: Sollte die SPD die Wahl gewinnen und die Regierung anführen, würde es nicht lange dauern, und Anne Brorhilker wäre kaltgestellt. Um Olaf Scholz zu schützen. Denn die Kölner Staatsanwältin ermittelt erfolgreich und hartnäckig im Cum-Ex-Skandal um Steuerbetrug in Milliardenhöhe, in den der Bundeskanzler während seiner Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg womöglich verwickelt war.

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ging für die CDU gut aus. Ministerpräsident Hendrik Wüst führt seitdem eine schwarz-grüne Koalition an. Doch jetzt geschah trotzdem genau das, wovor Christdemokraten vor der Wahl gewarnt hatten: Cum-Ex-Ermittlerin Brorhilker wurde entmachtet. Von einem ehemals sozialdemokratischen und jetzt grünen Justizminister.

Top-Ermittlerin soll Verfahren abgeben

Benjamin Limbach, Sohn der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach, war bis 2018 Mitglied der SPD und wechselte dann zu den Grünen. Er hat nun veranlasst, dass die von Brorhilker geleitete Hauptabteilung der Staatsanwaltschaft Köln aufgespalten wird. Als Chef der zweiten Hauptabteilung soll der renommierten und gefürchteten Spezialistin ein Staatsanwalt gleichberechtigt zur Seite gestellt werden, der aus dem Jugendstrafrecht kommt und mit den äußerst komplexen Cum-Ex-Ermittlungen bisher nichts zu tun hatte.

Limbach behauptet zwar, dass die Aufspaltung der Cum-Ex-Abteilung, die der von ihm eingesetzte neue Chef der Staatsanwaltschaft Köln vorgeschlagen habe, keine Entmachtung Brorhilkers sei, sondern ihrer Entlastung diene. „Es ist für einen zu viel. Es geht darum, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen und zu vermeiden, dass die Taten verjähren. Das ist meine Sorge“, erklärte der Grünen-Politiker. Deswegen habe er dem Vorschlag zugestimmt, die Hauptabteilung, die sich um die 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren mit 1700 Beschuldigten kümmert, in zwei Hauptabteilungen aufzuteilen.

Generalstaatsanwalt war dagegen

Doch Anne Brorhilker selbst sieht das offenbar anders. Das Handelsblatt berichtet über eine interne Stellungnahme der Kölner Staatsanwältin, in der sie dem Justizminister irreführende und falsche Darstellungen vorwirft. Zudem hat sich der zuständige Kölner Generalstaatsanwalt gegen die Umstrukturierung ausgesprochen. Er äußerte Zweifel an der erhofften Wirkung und befürchtet eine Schwächung der Ermittlungsarbeit.


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Bei den Cum-Ex-Geschäften schoben Investoren Aktien rund um den Dividendenstichtag mit (cum) und ohne (ex) Ausschüttungsanspruch hin und her. In der Folge erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand so ein Schaden von geschätzten zehn Milliarden Euro. Brorhilkers Ermittlungen und Anklagen haben dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof diese trickreichen Geschäfte als strafbare Steuerhinterziehung verurteilt hat.

Hamburger Bankier Olearius angeklagt

Olaf Scholz selbst war nicht an diesen Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Aber es gibt Indizien dafür, dass er seine schützende Hand über einen der Beteiligten gelegt hat: den einflussreichen Hamburger Bankier Christian Olearius, gegen den gerade ein Prozess vor dem Landgericht Bonn läuft. Chefanklägerin ist Anne Brorhilker.

Scholz hat es bisher geschafft, die Affäre durch Schweigen und den Verweis auf angebliche Erinnerungslücken auszusitzen. An seine Treffen mit Olearius in den Jahren 2016 und 2017 könne er sich nicht erinnern, behauptete er, nachdem diese durch Tagebucheinträge des Bankiers bekannt geworden sind. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft versucht herausfinden, ob der heutige Bundeskanzler damals als Erster Bürgermeister der Hansestadt Einfluss auf die Hamburger Finanzbehörden genommen hat. Denn die verzichteten nach den Gesprächen zwischen Scholz und Olearius auf eine millionenschwere Rückforderung der zu Unrecht erstatten Steuern gegenüber dessen Privatbank M.M.Warburg & CO. 

Untersuchungsausschuss wartet auf E-Mails von Scholz

Eine merkwürdige Rolle spielt Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach nun auch bei der Aufklärungsarbeit dieses Hamburger Untersuchungsausschusses. Denn der will Unterlagen der Kölner Ermittler einsehen, wartet darauf aber schon lange. Im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags erklärte Limbach laut eines von Apollo News veröffentlichten Protokolls: „Es handelt sich unter anderem um das E-Mail-Postfach des ehemaligen Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg.“

Warum genau die Unterlagen noch nicht in Hamburg sind und ob Limbach die Überstellung bewusst verzögert, um Scholz zu schützen, ist unklar. Chefermittlerin Brorhilker jedenfalls soll laut Handelsblatt dem Minister in ihrer internen Stellungnahme diesbezüglich erhebliche Vorwürfe gemacht haben.

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