Niedersachsen-Wahl: Keine Alternative zu Rot-Grün - Das bürgerliche Lager ist vorübergehend tot

Mit der Landtagswahl in Niedersachen ist „Rot-Grün" als Modell auf der politischen Bühne zurück. Die CDU aber ist als Gegengewicht noch nicht gerüstet. Zu sehr ist sie mit der Vergangenheit beschäftigt. Die FDP hat sich zeitweilig aus dem „bürgerlichen Lager" verabschiedet. Gut bekommen ist ihr das bislang nicht. Wie lange also noch wird sie als Stützrad der Ampel fungieren?

Zwei Wahlverlierer der CDU: Bernd Althusmann und Friedrich Merz
Anzeige

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

So erreichen Sie Volker Resing:

Anzeige

Die Beruhigungspillen für die Wahlverlierer vom Wochenende liegen in Berlin schon bereit. An vorderster Stelle wird die CDU den Amtsbonus des bereits seit 2013 regierenden SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil ins Feld führen, um ihr historisch schlechtes Ergebnis verdaubar zu machen. Doch alles Verharmlosen hilft nichts. In Hannover manifestiert sich vielmehr eine weiter anschwellende massive Krise dessen, was einmal das „bürgerliche Lager“ genannt wurde. Es gibt schlicht keine überzeugende und schlagkräftige Opposition mehr zum herrschenden rot-grünen Narrativ. Was die Wähler von der Rolle der FDP dabei halten, haben sie in Niedersachsen auch klar kundgetan. 

Trotz schwächelnder Ampel-Regierung im Bund, trotz Unzufriedenheit mit dem Bundeskanzler, trotz einer programmatischen Achterbahnfahrt der regierenden Parteien vermag die Union daraus keinen Honig zu saugen. Das liegt gewiss auch an der Größe der Krise, in der wir uns gerade befinden. Die aktuelle Lage stabilisiert die Regierung und weist der Opposition eine besonders zurückgenommene Rolle zu. Doch das entschuldigt nicht die eigene Orientierungslosigkeit der CDU, die in Niedersachsen besonders ausgeprägt scheint und auch ein Jahr nach der Ablösung von Angela Merkel noch nicht eingedämmt ist.

Marode Substanz der CDU

Der niedersächsische CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann hat in dieser Lage das einzig Richtige getan und den Weg für einen personellen Neuanfang in Hannover frei gemacht. Doch noch im Rückzug offenbart er die marode Substanz seiner Partei. Die Fehler, die in 16 Merkel-Jahren in Berlin gemacht worden seien, hätten auch auf den Schultern der Wahlkämpfer gelastet und so die CDU-Schlagkraft vermindert. Doch das ist die falsche Entschuldigung für das eigene Versagen. Wer so argumentiert, hat sich schon in der Propaganda des politischen Gegners verheddert. Derzeit lässt die CDU sich auch im Bundestag allzu bereitwillig mit dem Vorhalt der eigenen Regierungszeit piesacken, als ob die SPD nicht beteiligt gewesen wäre – und als ob die Grünen nicht an eigenen Selbstwidersprüchlichkeiten leiden würden.

Der immer noch recht neue, wenn auch nicht junge, CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat zwischen Nordsee und Harz einen engagierten Wahlkämpfer gegeben, viele Termine auf unterschiedlichen Ebenen. Das zeigt, dass er nicht nur auf dem Parkett des Parlaments, sondern auch in den Niederungen der Marktplätze sichtbar sein will. Deswegen muss er sich nun aber die Niederlage auch zurechnen lassen. Er kam als Gegenmodell zu Angela Merkel ins Amt, der die Partei überdrüssig geworden war, doch das reicht nun noch nicht, die tief verunsicherte Partei zu einen und zu führen. Merz redet auf Veranstaltungen zu viel vom Früher, seine Blick geht zu oft zurück. Damit kämpft er aber die Schlachten vergangener Zeiten und bringt die Partei erst recht in die Bredouille, über das Für und Wider der Merkel'schen Politik zu räsonieren. Doch das führt nicht nach vorne, das ist kein Konzept für die Zukunft.

Nicht die alten Schlachten neu schlagen

Beispiel Energieversorgung: Die CDU hat in Niedersachsen massiv dafür geworben, das Kernkraftwerk Emsland in Lingen weiter zu betreiben. Damit könne die Versorgungssicherheit gewährleistet und der Strompreis reduziert werden. Verblüffenderweise hat sie die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Ansinnen bei sich. Doch zahlt dies kaum auf die CDU ein, wenn es als eine Abkehr von der eigenen Politik kommuniziert wird. Dann wird keine eigene Erzählung daraus.

Ähnlich ist es in der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Für die Verwendung des  Ausdrucks „Sozialtourismus“ mit Blick auf Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat sich Merz entschuldigt. Doch viel schlimmer ist es, dass die Probleme, die durch illegale Migration in diesem Winter auf uns zukommen, nun kaum noch angemessen und auch wirksam von der Union angesprochen werden können. Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ist das Gespenst im Hinterzimmer der CDU-Ortsvereine, es müsste vertrieben werden, ohne die alten Schlachten neu zu schlagen. Friedrich Merz aber wirkt da bisweilen immer noch mal eher unbeholfen, mal trotzig. Ein Neuanfang ist es noch nicht. 

Totales Fortschrittsversprechen

Schließlich fehlt die FDP als „bürgerlicher“ Partner der CDU. Es scheint bisweilen so, dass die CDU auch deswegen so schlecht performt, weil sie mit ihrem eingeübten Politikverständnis inzwischen ganz allein da steht auf dem politischen Parcours, es fehlt der Kumpel im eigenen Terrain, mit dem man sich auch mal zankt, aber der eben zur eigenen Seite gehört. Wie an der Sitzordnung im Bundestag abzulesen, ist die CDU eingeklemmt zwischen den reaktionären und rechtsextremen Kräften auf der einen Seite und den Ex-Bürgerlich-Liberalen auf der anderen Seite, die sich nun in großen Teilen mit einem totalen Fortschrittsversprechen von einem Mitte-Kurs verabschiedet haben. Was die Wähler von dieser FDP halten, scheint am Sonntag  immerhin doch recht eindeutig sichtbar geworden zu sein.

Rot-Grün ist zurück, das ist die Botschaft aus Niedersachsen. Und darauf muss die CDU reagieren. Sie muss ihre Politik als Alternative dazu neu formulieren, dazu muss sie das Gegenmodell bieten. Die CDU darf sich dabei nicht in Selbstfindung bezogen auf die eigenen Merkel-Jahre ergehen und sich sozusagen als eigener Gegenentwurf zur eigenen Regierungszeit erfinden. Und zugleich darf sie sich nicht als besserer Grünen-Partner hübsch machen. Die CDU hat in Kiel und Düsseldorf in diesem Jahr gesiegt und ist schwarz-grüne Bündnisse eingegangen. Aber die Wähler haben auch dort eine erkennbare CDU gewählt, kein grünes Anhängsel. 

Mehr zum Thema:

Anzeige