Neues Infektionsschutzgesetz  - Der Sieg der German Corona-Angst

Mit dem Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz macht der zu Hysterie und Fehlentscheidungen neigende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach augenscheinlich Zugeständnisse an die Einwände seiner zahlreichen Kritiker. Dennoch bleibt Deutschland in einem Irrgarten gefangen, aus dem offenbar auch Bundesjustizminister Marco Buschmann nicht mehr herausfindet.

Frisst sich selbst in liberale Köpfe: Die German Angst vor dem Corona-Exit / dpa
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Autoreninfo

Philipp Fess hat Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften studiert und arbeitet als Journalist in Karlsruhe.

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„Es gibt ein absolutes Ende aller Maßnahmen – und alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022.“ Diesen Satz sagte Marco Buschmann (FDP) in einer Pressekonferenz am 27. Oktober 2021. Vielleicht hätte der amtierende Bundesjustizminister dieses Versprechen nicht geben sollen, denn einhalten konnte er es ja bekanntermaßen nicht.

Dabei hatte Buschmann eigentlich nur den scheidenden Gesundheitsminister Jens Spahn paraphrasiert, der sich für eine Aufhebung der (damals noch für eine Notstands-Regierung zwingend nötigen) epidemischen Lage ausgesprochen hatte. Ein Beispiel an Spahns legendärem gebrochenen Versprechen vom Herbst 2020 – „mit dem Wissen heute [würde man] keine Frisöre und keinen Einzelhandel mehr schließen“ – hätte er sich ja nicht gleich nehmen brauchen.

2021 war Spahn allerdings so schlau gewesen, sein vollmundiges Versprechen mit einer Bedingung zu versehen: Sollte sich die Lage, also „die Zahlen“ der positiv auf Sars-CoV-2 Getesteten (nicht nur: der erkrankten oder gar deshalb Hospitalisierten) besorgniserregend entwickeln oder eine gefährlichere Variante des Virus auftreten, müsse es weiterhin die Möglichkeit geben, Maßnahmen einzusetzen, warnte er. Und wie wir alle wissen, war der ehemalige Gesundheitsminister in der Fähigkeit des Warnens schon damals von seinem späteren Nachfolger weit übertroffen worden.

Lauterbachs leere Drohungen

Eigentlich hätte es deshalb niemanden wundern dürfen, als Karl Lauterbach dann am 18. März, zwei Tage vor dem historischen Datum des vermeintlichen Maßnahmen-Endes, erklärte: „Die Pandemie ist leider noch nicht vorbei, wir brauchen weiterhin wirksame Schutzmaßnahmen. Unseren Freedom Day können wir erreichen, wenn wir die Pandemie beenden, indem wir die allgemeine Impfpflicht beschließen.“ Das war die Geburtsstunde der sogenannten Basis-Schutz-Maßnahmen, die uns bis heute begleiten – zumindest diejenigen von uns, die etwa mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren oder ihre Angehörigen im Pflegeheim besuchen möchten.

Die vormals als „Flickenteppich“ verunglimpften Länder durften nun wieder nach Belieben selbst Maßnahmen festlegen. Ja, nach Belieben, denn manche, wie Winfried Kretschmanns Baden-Württemberg, wollten sich offensichtlich am liebsten gar nicht mehr von Grundrechtsbeschränkungen wie 3G und 2G trennen. Andere, wie etwa Hamburg, entschieden sich dafür, über Gebühr die sogenannte Hotspot-Regelung auszureizen.
 

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Dabei waren die „steigenden Zahlen“ aufgrund der anlasslosen Testung und den finanziellen Anreizen zur Versorgung von „Covid-Patienten“ schon lange als Trugbilder enttarnt. Und auch Lauterbachs Mutmaßungen über eine drohende Killer-Variante mochten nicht mehr so recht verfangen. Bei Cicero und anderswo mehrten sich die Stimmen derjenigen, die das zuvor Undenkbare wagten und Corona mit der Grippe verglichen. Sich sogar erdreisteten, auf „Eigenverantwortung“ zu setzen, was bei den radikalsten Anhängern des „Team Vorsicht“ ja mittlerweile zum Schimpfwort verkommen ist. Und? Schlagen sich diese ganzen Aspekte im neuen Infektionsschutzgesetz nieder?

Mögliche Rückkehr der Test- und Maskenpflicht an Schulen

Der Gesetzentwurf sieht einerseits verbindliche Regeln vor, die bundesweit gelten sollen. Im Wesentlichen betrifft das eine Maskenpflicht in Innenräumen und eine Testpflicht für Gesundheitseinrichtungen. Alles, was darüber hinausgeht, und dazu beitragen kann, „die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten“, ist Sache der Länder. Hervorzuheben ist dabei besonders die Möglichkeit, wieder Test- und Maskenpflicht in Schulen und Kitas einzuführen – gegen die berechtigten Bedenken von Kritikern an der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme.

Und dann soll es noch eine weitere Eskalationsstufe geben, die als sogenannte „Schneeketten“ die mediale Runde machte. Diese sieht eine Maskenpflicht bei Veranstaltungen in Innenräumen vor sowie in Außenbereichen, falls der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. So weit, so vorsichtig. Besonders interessant sind aber die Ausnahmen, die der Gesetzesentwurf vorsieht.

Diskriminierungsproblem bleibt

Personen nämlich, deren Impf- oder Genesenen-Nachweis nicht älter ist als 90 Tage, müssen weder einen tagesaktuellen Test in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen vorlegen, noch außerhalb des ÖPNV eine Maske anziehen. Abgesehen davon, ob auch nur eine dieser Regelungen gegenüber der Eigenverantwortung notwendig ist, auf die die meisten unserer europäischen Nachbarn setzen, beinhaltet sie zwei Aspekte, die an Buschmanns Beteuerung zweifeln lassen, dass diesmal Grundrechte und Infektionsschutz unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit in Einklang gebracht worden sind.

Denn einerseits werden Sie künftig genau erkennen, wer sich das Privileg der Maskenbefreiung erimpft hat und wer nicht, andererseits bedeutet die Regel für diejenigen, die ihrem Ansehen keinen Schaden, ihrem Körper aber auch nicht den neuesten Booster zumuten möchten, defacto eine Rückkehr zu 3G. Und dabei bleibt es nicht.

Denn sollten Booster-Unwillige, die ihre Verwandten im Pflegeheim besuchen möchten, für Ihre Tests selbst aufkommen müssen, wäre das eine astreine finanzielle Benachteiligung und damit ein – man glaubt es kaum – bisher noch nicht erprobtes Druckmittel, sie zu einer Impfung zu bewegen. Die andere Variante – ein kostenloser Bürgertest – wäre auch nicht besser, denn der würde die Kassen der ohnehin schon geschröpften Steuerzahler unnötig belasten.

Interessant auch: Dafür, dass der Justizminister in der Öffentlichkeit (zu recht) gegenüber dem aktionistischen Karl Lauterbach den Dickkopf markierte und die Ergebnisse des Evaluationsberichts abwarten wollte, entspricht der neue Gesetzentwurf der Forderung der Sachverständigenkommission, Testungen als Zugangsbeschränkung unabhängig vom Impfstatus (!) vorzunehmen, nicht. („Frisch“) Geimpfte genießen also weiterhin Privilegien, die laut Evaluationsbericht eigentlich nicht zu rechtfertigen, oder besser: nicht zu verantworten sind.

Der Zug ist abgefahren

„Unser Schutzkonzept ist die richtige Antwort auf die jetzige Pandemielage“, glaubt der Justizminister. Obwohl Deutschland nachweislich und ausweislich der Einschätzung renommierter Experten wie Klaus Stöhr mit seiner Panik-Politik in Europa völlig alleine dasteht – und vom völlig zu unrecht viel gescholtenen „schwedischen Sonderweg“ wollen wir gar nicht erst anfangen.

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz ist endgültig der letzte Zug abgefahren, auf den die Bundesregierung hätte aufspringen müssen, um sich nicht international der Lächerlichkeit preiszugeben. Dass der Justizminister zuletzt auch eine Maskenpflicht für eine drohende Grippe-Welle erwogen hat, zeigt, wie weit sich die pandemische Logik selbst in liberale Köpfe gefressen hat. Es ist eine Art Stockholm-Syndrom. Die „German Angst“ hat auch im neuen Infektionsschutzgesetz obsiegt – und leider deutet nichts darauf hin, dass das bei den vielen Krisen, die uns noch bevorstehen, anders sein wird.
 

Hören Sie zum Thema auch den Cicero-Podcast mit Klaus Stöhr: „Wissenschaftler haben Verantwortung“

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