Nach der Wahl in Bremen - Wie nützlich ist für Bovenschulte ein Bündnis mit der CDU?

Nach dem Sieg der SPD bei der Wahl in Bremen ist die Regierungsbildung noch völlig offen. Wechselt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die Partner und regiert künftig mit der CDU, oder setzt er sein Linksbündnis fort? Alles ist möglich, das zeigt der Blick in andere Länder.

Neue Bündnisse? Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) /dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Am 8. Mai vor einem Jahr wurde in Schleswig-Holstein gewählt. Es war Ministerpräsident Daniel Günther, der zwei sicher geglaubte Regeln des deutschen Politikbetriebs brach und damit mehr oder weniger eine neue strategische Ordnung schuf. Nichts ist mehr vorgegeben, nichts geht über den eigenen Erfolg. Günther hatte seit 2017 in einer Jamaika-Koalition regiert. Er hatte das davor noch ungeübte Modell aus CDU, FDP und Grünen seetauglich gemacht. Der neue politische Dampfer zog dann auf dem Land zwischen den Meeren recht unaufgeregt seine Bahnen. Dennoch war damit nach der Wahl Schluss. 

Es waren ausgerechnet die Grünen, die im ersten Günther-Kabinett für Kontinuität sorgten, denn sie hatten zuvor schon unter dem SPD-Ministerpräsidenten Thorsten Albig in einer rot-grünen Regierung gewirkt. Und es war der aufstrebende Politiker Robert Habeck, der in Kiel seine ersten administrativen Erfahrungen machen konnte, erst unter der SPD, dann unter der CDU, dann zog er nach Berlin weiter. 

Am Abend des 8. Mai 2022 also war klar, Günther würde weiter regieren können, er hatte für die Union sensationelle 43,4 Prozent errungen. Und noch besser: Er benötigte kein Dreierbündnis mehr, sondern sowohl ein schwarz-gelbes als auch ein schwarz-grünes Bündnis würden ihm eine Mehrheit bescheren.

Was tat also der CDU-Wahlsieger? Er ging ein schwarz-grünes Bündnis ein, obwohl es für Schwarz-Gelb gereicht hätte. Seine Begründung: Eine Koalition mit dem Wahlverlierer FDP hätte im Land keiner verstanden und auch strategisch gesehen langfristig die CDU geschwächt. 

Günther hat damit deutlich gemacht, dass Schwarz-Gelb keine quasi-natürliche Wunschkonstellation mehr ist, dass Schwarz-Grün nicht mehr wirklich weh tut, sogar angenehm sein kann. Bundesweit hat ihm das in seiner Partei nicht nur Freunde eingebracht. Aber er hat auch noch ein zweites Axiom touchiert, nämlich dass Regierungen, die im Amt bestätigt werden, auch weitermachen. Denn theoretisch hätte er ja auch das Dreierbündnis fortsetzen können, auch wenn die Grünen gemault hätten. Auch das tat er nicht. Schwarz-Grün war seine Wahl, Grün ist für ihn keineswegs ein automatischer strategischer Gegner mehr. 

Kiel und Berlin gehen neue Wege

Nun hat Günthers neue Praxis erstaunlicherweise schon Nachahmer gefunden, auch auf der anderen Seite. Sogar noch drastischer als in Kiel wechselte die regierende SPD Anfang dieses Jahres nach der Wahlniederlage in Berlin einfach die Pferde und koaliert nun mit der CDU, obwohl sie dafür sogar das Amt des Regierungschefs verliert und obwohl sie die bisherige Koalition hätte fortsetzen können. Strategisch sah es SPD-Chefin Franziska Giffey als sinnvoller an, nach der herben Wahlniederlage auch Konsequenzen zu ziehen, anstatt mit einem „Weiter so“ ein Signal der politischen Unbelehrbarkeit zu senden. Kiel und Berlin zeigen: Die politischen Lager zählen immer weniger, konkrete strategische Überlegungen zählen mehr. Vielmehr gilt sogar das Lager-Durchbrechen inzwischen als höhere Form der Staatskunst. Auch wenn man bei den eigenen Leuten einige verprellt.

Was aber bedeutet dies nun für Bremen? Der amtierende Bürgermeister von der SPD, Andreas Bovenschulte, wird klar im Amt bestätigt. Ausschlaggebend sind seine persönlichen Werte und ein Mangel an Alternativen. Tatsächlich sieht es derzeit so aus, als könnte er seine rot-grün-rote Koalition fortsetzen. Doch hätte er es mit einem Bündnis der Verlierer zu tun. Vor allem die Grünen wurden schmerzlich getroffen. In den urbanen Milieus, dem Biotop ihrer Wähler, verloren sie 5,5 Prozentpunkte. Die Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer hat schon ihren Rückzug bekannt gegeben. Sie stehe für ein Senatorenamt nicht mehr zur Verfügung. Gerade zwischen SPD und Grünen hatte es auch immer geknirscht. In den Feldern Verkehrspolitik und Innere Sicherheit waren SPD und Linke näher beisammen und pragmatischer unterwegs als die Grünen, heißt es.

Scherbenhaufen Linksbündnis

Die beiden Linken-Senatorinnen sind sogar allgemein recht anerkannt. Sie liegen jetzt in Bremen mit den Grünen gleichauf, auch das würde in der Neuauflage des bestehenden Bündnisses doch eine andere konfliktträchtigere Aufteilung ergeben. Und die Linken stehen bundesweit vor einer Zerreißprobe; sind sie ein stabiler Partner? Will Bovenschulte mit diesem Sacherbenhaufen also in seine nächste Amtszeit starten?

 

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Nimmt man also die Logik von Daniel Günther als Blaupause, müsste Bovenschulte ein neues Regierungsbündnis schmieden. Denn ein „Weiter so“ mit den Grünen will der Wähler offenbar nicht. Die CDU war bei der Wahl 2017 schon als stärkste Fraktion hervorgegangen. Damals schmiedete Bovenschulte als Zweitplatzierter ein Linksbündnis. Nun hat er die Chance, die bürgerlichen Kräfte an sich zu binden und sich damit strategisch zu stärken. Aus Sicht des CDU-Landesvorsitzender Carsten Meyer-Heder die naheliegende Variante. „Die Wechselstimmung von 2019 ist noch da“, meint er. 

Modell für die Bundesregierung?

Eine Große Koalition im Zweistädte-Staat Bremen wäre ein Signal der Sozialdemokratie: Wir haben den Grünen-Frust verstanden und regieren wieder aus der Mitte heraus. Im Berliner Willy-Brandt-Haus würde allerdings so eine Logik mit Sorge aufgenommen. Denn nach Berlin würde ein weiteres grün-linkes Bündnis enden, zugunsten einer rot-schwarzen Liaison. Bovenschulte müsste dann erklären, dass so eine Langfriststrategie allen helfen könnte. Vielleicht sogar auf Bundesebene auch.  

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