Maximilian Krah als AfD-Spitzenkandidat für Europa nominiert - Rechter Durchmarsch

Unter dem Eindruck blendender Umfragewerte lösen sich die parteiinternen Konflikte in der AfD in Luft auf. Mit großer Mehrheit machte diese einen ausdrücklichen Rechtsausleger zum Spitzenkandidaten für die Europawahl. 

„Deutsche Märchen und deutsche Lieder“: Maximilian Krah / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Für die AfD sind der gestrige Bundesparteitag und die Europawahlversammlung vom laufenden Wochenende gleich ein doppeltes Fest. Einerseits feierten die Delegierten das zehnjährige Bestehen der Rechtspartei, vor allem aber ihr derzeitiges Umfragehoch. Es ist dieser äußere Umstand, der Ruhe in die Partei gebracht hat. Von fundamentalen Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs keine Spur. 

Alice Weidel war sich daher ganz sicher: Die Brandmauer gegen die AfD müsse und werde eingerissen werden. An einer AfD mit einer Wählerzustimmung von mehr als 20 Prozent komme niemand mehr vorbei. Nächstes Ziel sei es, auch in Regierungsverantwortung einzutreten. Vielleicht schon im nächsten Jahr in einem der ostdeutschen Bundesländer, machte Weidel ihren Parteimitgliedern Mut. 

Dass es sich dabei eher um einen Wunschtraum handeln dürfte, liegt auch an der derzeitigen Ausrichtung der AfD. Bei den bürgerlichen Parteien gilt die AfD vor allem aufgrund ihres strammen Rechtskurses nicht als koalitionsfähig. Jahrelang hatte ihr Vorsitzender Jörg Meuthen bis zu seinem Ausscheiden aus der Partei für deren Verbürgerlichung gekämpft und gab irgendwann entnervt auf. 

Kein Richtungsstreit zwischen Bürgerlichen und Radikalen

Selbst Alice Weidel hatte sich noch vor ein paar Jahren an dem Versuch beteiligt, das enfant terrible Björn Höcke per Parteiausschluss loszuwerden. Damals ging es darum, sich auf diese Weise für mögliche Koalitionspartner und die Medien bettfein zu machen. Heute hat sie stattdessen mit dem Rechtsausleger aus Thüringen ihren Burgfrieden gemacht. 

Für den AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla ist genau das der Schlüssel zum Erfolg. Mit Meuthen würde die AfD bei Umfragen wahrscheinlich weniger als 10 Prozent erreichen, mutmaßte er gestern, heute seien es mehr als doppelt so viel. Genau so müsse man weiter machen: Geschlossenheit, keinen Keil in die Partei treiben lassen und vor allem keinen Richtungsstreit zwischen den Bürgerlichen und den Radikalen führen. 

 

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Mit Spannung war daher auch erwartet worden, wer die AfD als Spitzenkandidat in die Europawahl führen wird. Schon früh hatte der Europaabgeordnete Maximilian Krah Interesse angemeldet. Er selbst ist dabei aus zwei Gründen auch im eigenen Lager nicht unumstritten. Erst Anfang des Jahres wurde Krah aus der rechten Europafraktion ausgeschlossen. Angeblich sei es bei der Vergabe eines PR-Auftrages zu Unstimmigkeiten gekommen

Entscheidender ist allerdings, dass sich Krah ausdrücklich zum rechten Flügel der Rechtspartei zählt. Erst vor wenigen Wochen hat er zum Beispiel im Verlag Antaios ein Buch über die Frage veröffentlicht, was es eigentlich bedeute, „rechts“ zu sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält den Verlag und das ihm zugehörige „Institut für Staatspolitik“ (IfS) dabei für „erwiesen extremistisch“

„Dreckwerfern“ die „rote Karte“ zeigen

Krah allerdings scheint all das nicht geschadet zu haben, im Gegenteil. Bei seiner Kandidatur um Listenplatz 1 zur Europawahl trat mit dem Berufsoffizier Andreas Otti nur ein einziger Gegenkandidat gegen ihn an. Und Otti verlor deutlich. Er kam nur auf 25,2 Prozent aller Stimmen, Maximilian Krah hingegen auf 65,7 Prozent. 9,1 Prozent der Delegierten stimmten für keinen der Kandidaten. 

Dazu beigetragen haben dürfte auch, dass Krah in seiner Vorstellungsrede das Gemüt der Partei und ihrer Delegierten ausgiebig streichelte. Nur wenn sich die AfD dem auf sie von außen ausgeübten Druck nicht beuge, sondern unbeirrt standhalte, werde sie profitieren: „Dafür kriegt man Prozente.“ Den parteiinternen „Dreckwerfern“, gemeint waren die eher gemäßigten Kräfte, müsse man stattdessen die „rote Karte“ zeigen. 

Spätestens als Krah die Einheit des deutschen Volkes beschwor, zu der es auch gehöre, deutschen Kindern „deutsche Märchen und deutsche Lieder“ vorzusingen, auf dass deren Herzen tanzten, geriet der Saal außer sich. Als er dann zum Schluss seiner Rede noch prophezeite, „Wenn wir es schaffen, Deutschlands Herz zu erobern, wird es ein neues Europa“, hielt es zahlreiche Delegierte nicht mehr auf ihren Plätzen. 

Fast alles hängt in Sachen AfD von den Gegnern der Partei ab

Die Wahl Krahs hat dabei mehr als nur symbolische Bedeutung. Der über Jahre schwelende Streit zwischen Bürgerlichen und Radikalen ist mit einem machtvollen Votum der Delegierten vorerst entschieden. Man täusche sich allerdings nicht: Dieser Burgfrieden ist in erster Linie durch die guten Umfragewerte und die schlechte Performanz des politischen Gegners verursacht. Der momentane politische Erfolg entzieht den Gemäßigten der Partei alle Argumente. Das alles könnte aber schon bald auch wieder ganz anders sein.  

Der Versuch, die Rechtspartei allein mit Ausgrenzung, Brandmauern und Verfassungsschutz unter Kontrolle zu bringen, darf daher vorerst als gescheitert angesehen werden. Das alles hat, in Verbindung mit der Politik der Ampel, zahlreiche Wähler aus Überzeugung oder Protest dennoch in die Arme der Rechtspartei getrieben.  

Sie von dort wieder zurückzuholen, kann nicht dadurch gelingen, deren Wähler als „braunen Bodensatz“ und damit „Nazis“ zu beschimpfen, wie es der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes im Rahmen einer amtlichen Entgleisung erst unlängst tat. Kein Wähler wird sich für eine Beleidigung auch noch dadurch bedanken, dass er sich anschließend selbst durch den Kakao zieht. Vieles, fast alles, hängt daher in Sachen AfD am Ende von den Gegnern der Partei ab und nicht von dieser selbst. 

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