Begrenzung der Zuwanderung - „Wir brauchen eine 180-Grad-Wende in der Migrationspolitik“

Der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel sieht Deutschland auf einem „Irrweg in der Migrationspolitik “, von dem er mit einer Bundesratsinitiative herunter will. Die Anreize für Migranten seien viel zu hoch - ebenso wie die Abschiebehindernisse.

Flüchtlinge auf Lampedusa / picture alliance
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Manuel Hagel ist seit 2021 Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. Seit 2023 ist er Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz. 

Herr Hagel, die meisten der in Ihrer Beschlussvorlage erhobenen Forderungen nach Maßnahmen zur Begrenzung der Migration sind nicht völlig neu. Und auch nicht sonderlich revolutionär: „Konsequente Abschiebungen von Straftätern“, das erscheint eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit. Woran liegt es eigentlich, dass so viele straffällig gewordene Asylbewerber nicht abgeschoben werden?

Ich bin fest davon überzeugt: Politik muss immer den Praxistest bestehen. Der deutsche Irrweg in der Migrationspolitik macht das nicht. Wir brauchen deshalb eine 180-Grad-Wende in der deutschen Migrationspolitik. Das ist keine Frage von Moral, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Deshalb müssen wir jetzt Denkmuster und alte politische Grabenkämpfe überwinden und sachlich die dringend notwendigen konkreten Schritte angehen. Wir müssen raus aus dem politischen Ankündigungsmodus und rein ins politische Handwerk. Das meint auch, uns für Dinge zu öffnen, die wir bisher ausgeschlossen haben. Deshalb sind wir in den ‚Deep Dive‘ gegangen und machen ganz konkrete Vorschläge, was jetzt wie und durch wen angepackt werden muss.

Zum einen sind da rechtliche Hürden, zum anderen faktische. Wir sind in Deutschland ein Rechtsstaat. Das ist gut so, darauf sind wir auch zu Recht stolz. Konkret bedeutet das aber auch, dass in der Regel, solange ein Asylverfahren läuft, nicht abgeschoben werden kann. Wir plädieren dafür, dass bei schweren Straftaten, etwa bei Landfriedensbruch, der Schutzstatus direkt entfällt. Auch bei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen muss direkt abgeschoben werden dürfen.

Hier müssen endlich die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Das würde neues Vertrauen schaffen. Wir sind dazu bereit. Mit uns kann man die notwendigen Änderungen sofort angehen. Zum anderen gibt es aber auch faktische Gründe. Etwa wenn die Heimatländer ihre Staatsbürger schlicht nicht zurücknehmen. Daher muss der Abschluss von Rücknahmeübereinkommen in unserer Außenpolitik endlich höchste Priorität haben.

Ein Gedanke noch: Wir sollten beginnen, uns auch für Dinge zu öffnen, die wir bisher ausgeschlossen haben. Wenn ein Mensch vollziehbar ausreisepflichtig ist, muss es für den Rechtsstaat nicht die erste Priorität sein, dass die Person in ihr Heimatland zugeführt wird, es muss erste Priorität sein, dass die Person unser Land verlässt. Ich persönlich meine, wir sollten hier daher auch Abkommen mit Drittstaaten – etwa Transitländern – ins Auge fassen.

Könnte es sein, dass Sie mit ausgerechnet jener Partei, die sich allen Initiativen dieser Art seit jeher entgegenstellt, gemeinsam Baden-Württemberg regieren? Was verführt Sie dazu anzunehmen, dass es jetzt gelingen wird, gemeinsam mit den Grünen eine solche Bundesratsinitiative zu beginnen?

Grün-schwarze oder schwarz-grüne Koalitionen sind dann erfolgreich, wenn Konservative bereit zur Veränderung und Grüne bereit zu Kompromissen sind. Genau das hat uns in Baden-Württemberg bisher sehr erfolgreich gemacht. Ich bin daher hier guter Dinge. Gerade beim Ministerpräsidenten erlebe ich hier eine große Empathie für die Sorgen der Menschen und auch die wirklich nicht mehr zu überhörenden Hilferufe aus den Kommunen. Zudem werden auch grüne Landtagsabgeordnete in den Wahlkreisen mit der Realität vor Ort konfrontiert und müssen doch sehen, dass es so nicht weitergehen kann.

Es ist doch so: Wir müssen uns endlich ehrlich machen. Außer der Bundesregierung merkt es jeder: Unser Land wird den aktuellen Zustrom nicht länger verkraften. Die Menschen wollen und können nicht mehr! Der aktuelle Umgang der Ampelregierung mit der Zuwanderung schürt Ängste und sorgt für eine fatale Entwicklung in unserem Land. Wir müssen unserer Politik das zumuten, was den Menschen im Land tagtäglich begegnet: die Lebenswirklichkeit. Pragmatismus ist jetzt wichtiger als Parteiideologie. Akzeptanz und Solidarität, die wir so dringend brauchen, um den wirklich Schutzbedürftigen zu helfen, schwinden durch den gefühlt zunehmenden Missbrauch unserer Gastfreundschaft immer mehr.

Wir brauchen eine klare Begrenzung der Zuwanderung! Mit machbaren, unbürokratischen Ideen, ohne Schaum vor dem Mund, aber mit klarem, verbindlichem Kurs. Unser Angebot an alle demokratischen Parteien lautet: Lasst uns das zusammen machen.

Gibt es denn schon Reaktionen von Ihren Stuttgarter Koalitionspartnern? Sind die baden-württembergischen Grünen in einwanderungspolitischen Fragen, etwa wenn es um Ihre Forderung nach der Festlegung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer geht, einsichtiger als die Berliner Parteispitzen?

Ich erlebe die meisten Kolleginnen und Kollegen unseres grünen Partners nahe an der Realität. Wir werden zügig die notwendigen Gespräche führen. Das Ziel ist klar. Wir müssen die Dinge zum Besseren verändern.

 

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Zu den konkreten Inhalten: In Ihrem Papier ist zwar die Forderung nach Grenzkontrollen enthalten, aber von Zurückweisungen an den Grenzen ist nicht die Rede. Wirken Kontrollen wirklich hemmend auf den Zustrom von Migranten, wenn letztlich doch niemand daran gehindert wird, deutsches Territorium zu betreten und dort einen Asylantrag zu stellen?

Klar ist, nationalstaatliche Grenzkontrollen werden das Problem nicht alleine lösen. Sie sind kein Allheilmittel. Aber es ist ein Baustein von vielen. Grenzkontrollen sind etwa auch nötig, um Wiedereinreisesperren durchzusetzen. Wir wollen nicht, dass einmal abgeschobene Straftäter einfach wieder über die grüne Grenze einreisen. Hinzu kommt, dass man durch Grenzkontrollen frühzeitig entsprechende Migrationsströme erkennen und entsprechende grenzüberschreitende Maßnahmen einleiten kann. Gerade wir in Baden-Württemberg mit unseren Grenzen zu den europäischen Freunden leben den Traum eines einigen und offenen Europas jeden Tag. Das soll und muss gewahrt bleiben. Beides ist auch kein Gegensatz, sondern bedingt einander. Ich sage daher ganz klar: Keine Grenzkontrollen sind keine Alternative.

Aus der Bundestagsfraktion Ihrer Partei ist auch schon die Idee vorgebracht worden, das individuelle Recht auf Asyl, das aus dem Grundgesetz abgeleitet wird, abzuschaffen. Das wollen Sie ihren grünen Koalitionspartnern offenbar nicht zumuten. Aber steckt da nicht einer der Hauptgründe für die besondere Attraktivität Deutschlands im Vergleich mit anderen potentiellen Zielländern, neben der vergleichsweise großzügigen Versorgung?

Um das auch ganz klar zu sagen: Gegenüber Kriegsflüchtlingen, wie aus der Ukraine, werden wir unserer Pflicht nachkommen und Schutz gewähren. Aber eine so unkoordinierte und grenzenlose Migration gerade aus Ländern des globalen Südens gefährdet unseren gesellschaftlichen Frieden. Hier brauchen wir endlich eine geordnete Migrationspolitik mit Herz und Härte. Außerdem geht es hier überhaupt nicht um irgendwelche Zumutungen gegenüber dem Koalitionspartner. Die Leute haben dieses politische Geplänkel einfach satt und wollen jetzt Lösungen sehen.

CDU-Politiker Hagel / dpa

Hinzu kommt, was man verstehen muss: Das Recht auf Asyl hat in unserem Grundgesetz einen sehr hohen Stellenwert, auch aus den Lehren deutscher Geschichte heraus. Aber in den vergangenen Jahren bekamen weniger als ein Prozent der Antragsteller Asyl aufgrund der Rechte im Grundgesetz. All das, was wir derzeit erleben, hat also mit dem Grundrecht auf Asyl nahezu nichts zu tun. Wir reden hier vornehmlich von europäischem Recht, und in Europa sind – so klug ich den Vorschlag von Thorsten Frei auch finde – extrem dicke Bretter zu bohren. Thorsten hat aber recht – da müssen wir ran. Wir brauchen jetzt aber auch konkrete, schnelle und unbürokratische Maßnahmen, die zeitnah Abhilfe schaffen.

Meinen Sie damit auch, die Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu verringern?

Die Wahrheit ist doch, die Anreize, die Deutschland aussendet, sind viel zu hoch. Nur ein Beispiel: Die Aussicht auf 2355 Euro Bürgergeld plus Zuverdienstmöglichkeiten für eine fünfköpfige Familie – ein Vielfaches eines Monatsverdiensts in den Herkunftsländern – zieht zu viele Menschen nach Deutschland. Wer kann es ihnen denn auch verdenken?! Deshalb ist es nie ein Vorwurf an die Menschen, es ist vielmehr ein Problem, das wir selbst geschaffen haben. Die Ampel weitet diese Pullfaktoren ja noch aus. Sie leistet da echt ganze Arbeit.

Hinzu kommt die unübersehbare Vollzugsschwäche in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Einmal in Deutschland angekommen, ist die Wahrscheinlichkeit, zurückgeführt zu werden, doch verschwindend gering. 2022 sind rund zwei Drittel aller Abschiebungen aus Deutschland gescheitert. An all das müssen wir ran – nicht mit Reden, sondern mit Taten. Das bedeutet international gleiche Standards bei den Leistungen, die Abkehr von reinen Geldleistungen, die Rückabwicklung des Rechtskreiswechsels sowie endlich erleichterte und schnellere Abschiebungen sowie eine echte Rückführungsoffensive. Für all das stehen wir.

Das Gespräch führte Ferdinand Knauß. 

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