Wagenknechts „Aufstand“ - Diese Linke kann für Demokraten kein Koalitionspartner sein

Sowohl die Grünen als auch die SPD haben keine Berührungsängste mit den Linken. Doch solange die Linke Putin-Fans eine politische Heimat bietet, können aufrichtige Demokraten mit ihr nicht koalieren.

Sahra Wagenknecht hält vor dem Brandenburger Tor eine Rede auf der umstrittenen Friedensdemo / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Anzeige

Business as usual: Die drei Berliner Wahlverlierer SPD, Grüne und Linke haben am Montag ihre Sondierungen fortgesetzt. Ein „Weiter so!“ des rot-grün-roten Pannensenats unter Führung von Franziska Giffey ist weiterhin wahrscheinlich, zumal man bei Thema „Enteignungen“ von Wohnungsbauunternehmen sich angenähert haben soll. Warum soll die SPD auch auf den Bürgermeistersessel verzichten, wenn sie doch stolze 53 Stimmen mehr hat als die Grünen?

Was sich am Samstag unter Beteiligung prominenter Linken-Politiker vor dem Brandenburger Tor abspielte, nämlich der faktische Schulterschluss von linkem und rechtem Rand, scheint bei den Rot-Grünen in der Hauptstadt niemanden zu irritieren. Danyal Bayaz, der grüne Finanzminister Baden-Württembergs, sieht das anders. „Was sich da Friedensdemo nennt, ist die hässlichste Fratze Deutschlands und eine Schande für unser Land“, empörte er sich auf Twitter. „Wagenknecht hat die Enden des Hufeisens endgültig zusammengeschweißt – mit Rechtsextremen, Antisemiten & Reichsbürgern. Was bedeutet das für Koalitionen mit Linkspartei?“

Bayaz kleidet sein Entsetzen über die Linkspartei in eine rhetorische Frage. Volker Beck hingegen, langjähriger Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag und heute Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagt es auf Twitter noch deutlicher: „Nach dem heutigen Tag verbietet sich meines Erachtens jede Koalition mit der Linke. Wer Wagenknecht, Dieter Dehm & Co. in der Partei hat, kann für Demokrat:innen kein Kooperationspartner sein.“

Rot-braun-gesprenkelte Querfront

Nun ja, tatsächlich regieren die Grünen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen mit der Linken. Und scheinen ebenso wenig wie die SPD auf Distanz zu einer Partei zu gehen, in der führende Köpfe dafür plädieren, die Ukraine Putins Aggressions- und Mordlust wehrlos auszuliefern. Und das alles Seit an Seit mit AfD-Mitgliedern, Querdenkern, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern, von denen sich Wagenknecht und Genossen bewusst nicht distanzierten. Schließlich gibt es beim „Aufstand für den Frieden“ keine „Gesinnungsprüfung“, wie Oskar Lafontaine versicherte. Seine Frau Sahra wurde geradezu pathetisch. Wer „ehrlichen Herzens“ für den Frieden sei, sei willkommen. Nun ja, auch Rechtsextremisten unterstützen hierzulande „ehrlichen Herzens“ einen Frieden à la Putin.   

Es ist eben nicht nur Sahra Wagenknecht, die da gezielt eine rot-braun-gesprenkelte Querfront aufbaut. Da sind auch andere prominente Linke dabei wie Fraktionschefin Amira Mohamed Ali oder die Abgeordnete Sevim Dağdelen. Ex-Parteichef Klaus Ernst unterstützt ebenfalls den Wagenknecht-Kurs. Er hatte im Vorfeld der Kundgebung kritisiert, dass die Linke sich nicht offiziell am „Aufstand“ beteilige.

Mehr von Hugo Müller-Vogg:

Nun können Grüne und Sozialdemokraten darauf verweisen, die Führung der Linken mache eben nicht gemeinsame Sache mit Wagenknecht. Auch hat die Führung der Berliner Linken – die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot fest im Blick – sich von der Kundgebung distanziert. Fragt sich nur, was solche Bekenntnisse wert sind, wenn „Aufstand“-Unterstützer in der Linken herausgehobene Positionen innehaben können?

Will die Linkspartei glaubwürdig auf Distanz zu Wagenknecht gehen, müsste sie die Edel-Linke aus der Fraktion ausschließen und Mohamed Ali zumindest als Co-Fraktionsvorsitzende absetzen. In diesem Fall würden aber mehrere Wagenknecht-Getreue ebenfalls aus der Fraktion ausscheiden. Dann könnte die Linke mit bisher 38 Abgeordneten ihren Fraktionsstatus einbüßen, wofür mindestens 31 Abgeordnete notwendig sind. Das bedeutete nicht nur weniger Einfluss auf das parlamentarische Geschehen. Als Gruppe verlören die Linken auch viel Geld, das nur Fraktionen zusteht. Und beim Geld hört der Sozialismus bekanntlich schnell auf. 

Das freilich sind Schwierigkeiten, mit denen sich in erster Linie die umbenannte SED herumzuschlagen hat. Zumal sie damit rechnen muss, dass Wagenknecht zur Europawahl 2024 mit einer eigenen Liste antreten wird. Die neue Friedensbewegung, die sie am Samstag beschwor, soll in Wirklichkeit der Kern einen Wagenknecht-Bewegung, einer neuen Partei werden.

Der Feind steht rechts – aber nicht nur dort

Grüne und SPD reden bekanntlich gern von der Brandmauer „gegen rechts“ – und beziehen gleichzeitig die Linke in den Kreis der aufrechten Demokraten ein. Umgekehrt werfen sie der CDU vor, sich von ihrem Mitglied Hans-Georg Maaßen nicht viel früher distanziert zu haben. Für den inzwischen angestrebten Parteiausschluss Maaßens gibt es gute Gründe. Der Einfluss des Anführers der nur 4000 Mitglieder zählenden Werte-Union ist indes nicht zu vergleichen mit der Stellung von Wagenknecht & Genossen innerhalb der Linken. Da messen Grüne und SPD ganz bewusst mit zweierlei Maß.

Wagenknecht oder Mohamed Ali stehen nicht für die gesamte die Linke. Aber wenn sie für die am Samstag gezeigte „hässlichste Fratze Deutschlands“ (Bayaz) verantwortlich sind, dann können Grüne und Linke nicht so tun, als wäre die Linke eine Neuauflage der guten alten SPD aus der Vor-Schröder-Zeit. Nein, solange die Linke mit Wagenknecht & Co. Putin-Fans eine politische Heimat bieten, können Demokraten mit ihr nicht koalieren – weder in Berlin noch in Schwerin, Erfurt oder Bremen. Der Feind steht rechts – aber nicht nur dort.

Anzeige