Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen - Schwarz-Grün ist die Paarung der Sieger

Der CDU ist entgegen vieler Unkenrufe mit ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz nach der verlorenen Bundestagswahl ein guter Neustart gelungen. Nach dem Doppel-Wahlsieg von Grünen und Union in Nordrhein-Westfalen ist die dortige Grünen-Chefin Mona Neubaur die Königsmacherin in Düsseldorf. Wenn sie den Erfolgskurs ihrer Partei verstetigen will, dürfte sie - trotz Drucks aus Berlin - auf eine Ampel-Koalition mit den Wahlverlierern verzichten.

Hendrik Wüst, der bisherige NRW-Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat, kommentiert das Wahlergebnis. /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Das sich abzeichnende Ergebnis der so genannten „kleinen Bundestagswahl“ in Nordrhein-Westfalen ist auch eine parteipolitische Zeitenwende. Mehrere Überraschungen zeichnen sich ab. Es bahnt sich ein starker Sieg des amtierenden Ministerpräsidenten Henrik Wüst und seiner CDU an. Zugleich aber wird die schwarz-gelbe Landesregierung abgewählt, weil die FDP bei den Wählern deutlich an Zuspruch verliert. Die SPD wiederum verbucht ihr schlechtestes Ergebnis seit 1947  in ihrem einstigen Stammland. Die Milieubindung schwächt sich weiter ab. Der immer noch neue SPD-Kanzler Olaf Scholz zieht offenbar seine Genossen und Genossinnen an Rhein und Ruhr im Ansehen mit hinab. Die Grünen ficht das hingegen nicht an. Sie gewinnen in Nordrhein-Westfalen deutlich.

Es könnte also zu der bisher ungewöhnlichen Konstellation kommen, dass ein CDU-Ministerpräsident im Amt bestätigt wird, nur eben von Gelb auf Grün gewechselt hat. Diese Option, die nach der Aufholjagd von Wüst in den zurückliegenden Monaten im Raum stand, eine schwarz-grüne Regierung im größten deutschen Bundesland, hat die Wähler an den Urnen weder auf der konservativen Seite noch im grünen Lager geschreckt. Vielmehr zeichnet sich ab, dass Schwarz-Grün die Paarung der Herzen werden könnte. Erstmals seit 1962 würde an Rhein und Ruhr dann eine CDU-geführte Landesregierung zwei Wahlperioden in Folge an der Macht bleiben können.

Zwangsläufigkeit zu Rot-Grün gibt es längst nicht mehr

Tatsächlich wäre auch ein Ampel-Bündnis möglich, wenn die FDP den Einzug in den Landtag schafft. Wenn sich im Laufe des Abends zeigen sollte, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringt, wäre wohl auch ein rot-grünes Bündnis möglich. Die Grünen-Vorsitzende in Düsseldorf, Mona Neubaur, wird also zur Königsmacherin. Doch derzeit scheint es weniger wahrscheinlich, dass sie den Wahlverlierer und SPD-Chef Thomas Kutschaty ins Amt des Ministerpräsidenten hievt. Mit einem Wahlverlierer lässt sich schwer der vielversprochene Aufbruch verkaufen. Mehr noch aber zeigt sich bei der Nordrhein-Westfalen-Wahl wieder einmal, dass sich die alten Blöcke auflösen. Die Wähler denken offenbar nicht mehr so stark in Lagern. Das einst als Projekt gestartete Modell Rot-Grün hat längst seinen Zauber verloren. Es ist für die Grünen keine absolute Zwangsläufigkeit mehr, mit der SPD eine Regierung zu bilden, auch wenn dieses rechnerisch möglich wäre.

Der CDU ist entgegen vieler Unkenrufe mit ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz nach der verlorenen Bundestagswahl ein guter Neustart gelungen. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen konnte Merz von zwei Spitzenkandidaten profitieren, die für eine CDU der Post-Merkel-Ära stehen und zugleich nicht alle ehemaligen Merkel-Fans unter den CDU-Wählern verschrecken. Merz, der angetreten war, gegen das Partei-Establishment die CDU durchaus auch mit einem konservativen Geist zu alter Stärke zurückzuführen, hat sich nun im Amt eher als der Moderator gegeben, der der Partei Zusammenhalt und Geschlossenheit verordnet, aber keine ideologischen Grabenkämpfe. Somit ist es in seinem Heimat-Bundesland heute auch sein Wahlsieg. 

Neue schwarz-grüne Nähe

Es ist schon erstaunlich, wie freundlich alle CDU-Vertreter am Wahlabend über die Grünen reden. Hier hat sich nicht nur in der politischen Arithmetik, sondern auch kulturell etwas verändert. Der einstige Merkel-Kritiker und konservative CDU-Veteran Wolfgang Bosbach lobt in einer ersten Stellungnahme die Performance der grünen Bundesminister Annalena Baerbock und Robert Harbeck. Sie seien für die Grünen auch im Westen des Landes Zugpferde gewesen. Hier lässt sich eine tieferliegende tektonische Verschiebung erahnen. Noch vor wenigen Monaten hat die CDU in Berlin mit der SPD regiert, die Grünen galten noch als die Ideologen oder Träumer, die SPD aber doch als staatstragende Partei mit pragmatischem Kern. Nun wenige Ampel-Monate später erscheinen vielen in der Union, auch jenen, die „die Alternativen“ einst heftig bekämpft haben, die Grünen doch als die weitaus besseren potentiellen Partner. Die schwarz-grüne Einigkeit in Berlin in der Auseinandersetzung um die Ukraine-Politik und die Waffenlieferungen hat auch bei der Landtagswahl beiden geholfen und sie zum Wahlsieger-Duo gemacht.

Krise der Liberalen auch in Berlin

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner nennt das Ergebnis seiner Partei desaströs. Und die Lage der Liberalen ist nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Berlin nach der Wahl zumindest krisenhaft. FDP-Landeschef Joachim Stamp hat zwar alle Schuld auf sich gezogen. Auch die FDP-Bildungspolitik hat viele in NRW nicht überzeugt und Minuspunkte gebracht. Doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rolle der FDP in der Bundesregierung den Stammwählern der Liberalen nicht gefallen dürfte. Es ist die extreme Schuldenpolitik, die auch angesichts der dramatischen Krisensituation vielen aufstößt. Zumindest wird in der Ampel die FDP nicht als das ordnungspolitische Gewissen wahrgenommen; diese Rolle in der Dreierkonstellation hatten sich aber viele Wähler vorgestellt. Während also den Grünen das schlechte Ansehen der Ampel in Berlin nicht schadet, macht es der FDP ordentlich zu schaffen. Lindner muss aus dem Desaster entsprechende Schlüsse für sein Handeln in Berlin ziehen.

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP war mit einem Aufbruchs- und Erneuerungsversprechen in Berlin gestartet, das sie bisher nicht einlösen konnte. Die „Zeitenwende“, die Deutschland und Europa durch den Ukraine-Krieg erfasst, hat daran sicher auch ihren Anteil. Nicht nur die Außen- und Sicherheitspolitik muss in Deutschland grundlegend neu gedacht werden. Allein den Grünen mit ihren Ministern gelingt bisher das Durchmessen der neuen Zeit. Wenn also die „Idee“ der Ampel gerettet werden soll, müssten die Grünen Hendrik Wüst doch einen Korb geben – und die Verlierer von Düsseldorf müssten sich unterhaken und eine Regierung bilden. Doch ob das den Grünen auf dem Weg zur Volkspartei helfen würde, ist fraglich. Denn ob solch ein Schritt von den Wählerinnen und Wählern verstanden werden würde, das kann mit guten Gründen bezweifelt werden.

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