Lauterbach im Gespräch
Böse Miene zum schlechten Spiel: Lauterbach vor der Pressekonferenz / dpa

Krankenhausreform - Die Revolution frisst ihre Kinderkliniken

Mit großem Vokabular und viel Tamtam feierte Karl Lauterbach die Einigung auf die Eckpunkte seiner Krankenhausreform. Doch das Verbal-Lametta hält der Wirklichkeit nicht stand: Die Reform dürfte kaum etwas zum Besseren wenden.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Immerhin, er ist gelandet. Und das sogar pünktlich vor der Sommerpause. Viele hatten ja schon befürchtet, dass er gar nicht mehr runterkäme – der Tiger, der da Anfang Dezember 2022 mit großen Gebrüll in die Luft ging, und der dann vorgestern in Berlin erneut auf dem Boden aufprallte. Dabei ist aus der gefährlichen Raubkatze innerhalb der letzten sieben Monate nicht einmal der sprichwörtliche Bettvorleger geworden. Denn mit einer solch schlafnahen Flauschmatte hätte man sich wenigstens beim morgendlichen Aufstehen ein wenig die Füße wärmen können. Die Eckpunkte der am Montag zwischen Bund und Ländern vereinbarten Krankenhausreform aber spenden derart wenig soziale Grundwärme, dass man wohl allenfalls vom plötzlichen Wiederaufprall einer zerzausten Straßenkatze sprechen müsste.

Doch man will das Bild auch nicht überstrapazieren: Ein halbes Jahr lang hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schließlich mit seinen Länderkollegen um eine Reform des maroden deutschen Kliniksystems gerungen. Und während aus der anfänglich angekündigten „Revolution“ am Ende nun nur noch eine „Art Revolution“ (Lauterbach nach der Einigung auf Twitter) geworden ist, fragen sich seit Anfang der Woche vor allem kleinere Klinikbetreiber, wie lange sie ihr Haus wohl noch werden offen halten können. 

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Ingo Frank | Mi., 12. Juli 2023 - 08:20

Danke für diese „Wortschöpfung“ die nicht nur die Krankenhausreform, sondern alle anderen „angepackten“ Projekte der Hampel - Ampel beschreibt.
Gerade im Gesundheitswesen und in der Pflege liegt so vieles im Argen und das „abzocken“ der Patienten & Pflegebedürftigen geht munter weiter. Beispiel: da ich meine 1927 geb. Mutter pflege, gemeinsam mit einem Pflegedienst in Kombinationsleistung bin ich wieder auf so ein Abzockbeispiel gestoßen: Die Medikamentengabe erfolgt auf Rezept und wird von der KK getragen. Der Pflegedienst rechnet immer eine An& Abfahtspauschale gegenüber der KK ab. Aber, neben der Medikamentengabe erfolgt zum Beisiel die Mittagsversorgung, Toilettengang usw. nach Leistungsbeschreibung der Pflegekassen. Auf meine Anfrage wie es sich mit der An& Abfahrt verhält, die Antwort: ist in der Pauschale nach Leistungsbeschreibung enthalten. ergo wird 1x die KK und 1xdie Pflegekassen für ein und die selbe Leistung zur Kasse gebeten. Vernetzung KK - Pflege?
M f G a d E Republik

Die Medikamentengabe und die Versorgung erfolgen ohne Unterbrechung hintereinander =Fahrkosten 2xabrerechnet, 1x gefahren

Jens Böhme | Mi., 12. Juli 2023 - 08:58

Gesundheitskosten sind neben Pflegekosten ein riesiger Moloch im Bundeshaushalt. Dem wird man grundsätzlich nie beikommen können, es sei denn, man kippt das System komplett, z.B. in Richtung USA. Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte scheiterten in Deutschland wiederkehrend. Lauterbachs Krankenhausreform hat das dänische Modell als Vorbild (Qualität statt Nähe). Dänemark bearbeitet die Umsetzung seiner Reform seit 15 Jahren ab, insbesondere die Superkrankenhäuser haben es in sich. Wichtig für eine Gesundheitsreform ist das leidige Thema Datenschutz. Ohne elektronische Krankenakte kommt Deutschland nicht in die Zukunft, da führt kein Weg vorbei. Das hilft den Bürgern wie den Ärzten, letztere bei dem ganzen Aufwand, Dokumentation, Faxe, Briefe, Kontakte zu anderen Fachärzten. Wenn Bürger bei einem Leiden, zwanzigmal von vornseine Geschichte erzählen muss und die vielen Ärzte fünfzehn- bis zwanzigmal die Diagnostiken wiederholen, ist das so effektiv, wie ein Windrad bei Windstille.

gehtdichnixan | Do., 13. Juli 2023 - 11:43

Antwort auf von Jens Böhme

Am Datenschutz liegt es nicht das es noch keine digitale Krankenakte gibt. Es liegt eher am mangelnden Willen der Dienstleister für solches ein datenschutzkonformes System aufzubauen.

Ich persönlich achte sehr stark auf meinen digitalen Fußabdruck und minimiere diesen wo es nur geht. Das Umsetzen einer digitalen Akte anhand eines Air-Gapped Netzwerkes in das nur authorisierte Rechner von Praxen, Verwaltungen und allen anderen die darauf zugreifen müssen, den Zugriff gewährt. Hier muss es keine Dienstleister geben die Telemetrie fahren oder irgendwelche "anonymisierte"(lol) Daten weiterverkauft.

Da aber der Hauptgrund hinter der digitalen Akte nicht die Vereinfachung von Prozessen für den Patienten oder die Ärzte bedeutet sondern als hoch sensible Datenquelle für Big-Data Firmen ausgenutzt werden wird, wettert die Big-Data Lobby mal wieder gegen den bösen bösen Datenschutz.

Weil Sorry, nicht alles was digital ist muss auch in der "Cloud" liegen oder ans öffentliche Internet angebunden sein. Wird schon seit 20+ Jahren so praktiziert nur seit dem Aufstieg von Big-Data/Telemetrie und Abo-Modellen wird das Konzept von datenschutzkonformen selbstgehosteten/abgeschotteten Systemen abgesägt.

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 12. Juli 2023 - 09:03

Es werden ca. 30 % der Krankenhäuser schließen (in Nds. & NRW bereits beschlossen), die z. T. bereits heute Wartezeiten haben. Der Vorschlag des Regierungs-Ökonomen Lauterbach geht weiter: Von knapp 1700 K-Häusern bleiben 232 Großkliniken in D, außerdem Versorgungszentren, tw. mit Arzt und Betten für Notfälle. Ein gigantischer Bettenabbau wäre die Folge, eine Behandlung wird zum Glücksfall (nur für Großstädter?), weil sowohl Betten wie auch Behandlungskapazitäten fehlen. Es glaubt doch niemand, dass die Betten (während Corona Mangelware) verlagert werden, dass das Pflegepersonal und Ärzte täglich mit dem ÖPNV ins nächste Zentralklinikum fahren. Lauterbachs „Triagegesetz“ würde dann evtl. zur Regelanwendung.
Dazu kommt, dass die Ausbildung künftiger Ärzte kaum noch zu gewährleisten ist, weil sich diese dann auf wenige (Uni-) Kliniken stützt, die schon heute sehr gefragt sind.
Deutschland wird mit dieser Reform noch mehr als bisher zum medizinischen Notstandsgebiet.

Bernhard Marquardt | Mi., 12. Juli 2023 - 11:10

Eine „Zusammenlegung“ geschieht zu Lasten der Facharztpraxen.
Das war das lang geplante Ziel der SPD und von K.L (damals Aufsichtsrat der Rhön-Kliniken):
Die fachärztliche Versorgung via MVZ in die Kliniken zu zwingen, da Fachärzte im unlauteren Wettbewerb mit dem i.d.R. quersubventionierten MVZ mittelfristig untergehen und jedenfalls keinen Nachfolger finden werden.
In dieser Not geben sie zugunsten des MVZ Ihre Selbstständigkeit auf.
Teilziel erreicht(„Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit“ Ulla Schmidt).
Dahinter stand und steht das Streben von Klinikkonzernen nach regionalen fachärztlichen Monopolen, ohne Hausbesuche selbstredend.
Früher galt aus Kostengründen „ambulant vor stationär“. Bis zu 90 % der Fälle wurden in Praxen versorgt, 10% wurden in die Klinik überwiesen.
Die Kliniken sind weder technisch und schon gar nicht personell dem Ansturm einer umfassenden ambulanten Versorgung gewachsen.
Wie täglich zu besichtigen ist.
Plan gescheitert.

Heidemarie Heim | Mi., 12. Juli 2023 - 12:51

Und wenn man das Pech hat irgendwo in der Walachei zu wohnen, wo der Rettungswagen und Notarzt schon ein paar Minütchen länger braucht im Fall der Fälle, braucht man wahrscheinlich auch keine 50 km entfernte Klinik oder die 100 km entfernte stroke unit oder den nicht vorhandenen Herzkatheter-Spezialisten mehr. Und die Liste der Rettungssanitäter, die heute schon bei mindestens 3 Kliniken um ein freies Bett oder eine Aufnahme betteln müssen, wird auf ein Cave! "gesundes" Maß geschrumpft. Und schafft man es bis in die Notfallaufnahme, kann es sein, dass der schon seit 20 Stunden diensthabende Assistenzarzt schlechter drauf ist als man selbst und man ihm am liebsten sein Bett anbieten möchte;). Während die ebenfalls sichtlich gestresste Pfleger/innen durch alle Abteilungen telefonieren wo noch ein Bett verfügbar ist. "Tut uns leid, aber die Abteilung wurde geschlossen, diese Behandlung können wir nicht mehr anbieten/ abrechnen, nun stabilisieren wir Sie für den Weitertransport zur UK."

Ernst-Günther Konrad | Mi., 12. Juli 2023 - 13:14

Das Fehlen kritischer Expertisen, das offene und ehrliche Einbeziehen unmittelbar von den Reformen betroffener Institutionen und Gesellschaften und schon gar nicht die Belange der Patienten zu berücksichtigen, zieht sich doch bei allen Themen der Ampel Politik wie ein roter Faden. Lauterbach kommt mir vor wie ein Kind, dass seinen erfolgreichen Gang zur Toilette allen und jedem lauthals mitteilt, aber eben vergisst sein Geschäft auch wegzuspülen.
Er ist gelernte Gesundheitsökonom und weiß was die Profiteure von Krankheiten und Versorgung brauchen. Dieses Staat ist nicht mehr zu retten. Es braucht dem kompletten Zusammenbruch, um etwas neues zu kreieren. Die Politik versucht mittels Sandstreuen in die Augen, Pflastern der Klebestreifen ausgetrocknet sind ihre Chaos auf allen Gebieten irgendwie zu flicken. Lauterbach macht nichts anderes, wie seine Kollegen auch. Keine wirklich kritische Diskussion und andere Meinungen zulassen. Augen zu und durch. Die Bürger sind gefragt zu reagieren.

Alexander Brand | Mi., 12. Juli 2023 - 14:20

ein als zu sagen das ist eine weitere Katastrophe aus dem Hause Rot-Grün!

Diese "Reform" wird uns noch sehr wehtun, denn die Gesundheitsversorgung wird dadurch für alle deutlich schlechter werden. Das dieser Lauterbauch sich für diesen Mist feiert zeigt wie weit er von der Realität weg ist, Hohn und Spott für alle Bürger dieses Landes!

Sabine Lehmann | Mi., 12. Juli 2023 - 17:29

Regiert es sich ganz ungeniert. Lauterbach tut das was er am besten kann: Katastrophen auf den Weg bringen.
Ich habe nichts anderes erwartet von einem Lobbyisten und Dilettanten. Während der Corona Zeit glänzte Karl schon mit sehr viel medizinischem und virulogischem "Fachwissen", das er sich durch "anlesen" autodidaktisch selbst beibrachte. Denn wirklich promoviert hat er ja nur in Ökonomie. So spart er das letzte bisschen Versorgung, das der deutschen Kartoffel noch geblieben ist, auch noch kaputt. Dann setzt er sich mit seiner "lebensbejahenden" verkniffenen Hackfresse bestimmt morgen bei Lanz in die Sendung und inszeniert sich als Retter des Planeten.
Dass er sich mit katastrophalen Sparmaßnahmen auskennt, hat er lange vorher unter Beweis gestellt, als er mit "Ullalala" Schmidt die letzte Gesundheitsreform ins Rollen brachte. Wie unglaublich effektiv und gesundheitsfördernd das war, konnte Jeder während der Corona-Pandemie in deutschen Krankenhäusern erleben. Wenn er überlebte!

Astrid Schmidt | Do., 13. Juli 2023 - 12:15

Für Außenstehende nicht leicht ersichtlich wird das Gesetz nicht nur die Krankenhauslandschaft massiv verändern, sondern viel entscheidender, die ambulante Versorgung durch niedergelassene Ärzte. Hier finden nämlich 90% der Behandlungen statt und das Gesetz verlegt die Versorgung in die Krankenhäuser ohne Spezialisierungsmöglichkeit Level Ii, es soll ein Polikliniksystem entstehen. Die Niedergelassenen Ärzte werden per Gesetz in diesen Kliniken zum Zwangsdienst verpflichtet, mitnichten korrekt angestellt. Die Bezahlung soll aus der Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung erfolgen, z.B. 20 Euro Grundpauschale für 12 Wochen Behandlung. Als Scheinselbständige werden die Ärzte dann bald in eigener Praxis die Türen schließen müssen. Statt eingespielte Effizienz in der Praxis bleibt ein planwirtschaftliches Gesundheitssystem a la DDR übrig. Die Bürger werden den Werten der Freiberuflichkeit nachtrauern . Es ist fünf nach zwölf für die ambulante Versorgung. Aufpassen