Koalitionsausschuss der Ampel-Parteien - Welch göttliche Fügung!

Spitzenvertreter der Regierungsparteien haben verzweifelt versucht, bei umstrittenen Themen zusammenzufinden. Doch der am Sonntag begonnene Koalitionsausschuss wollte und wollte kein Ende finden. Kein Wunder, denn die Positionen im selbsternannten Fortschritts-Bündnis stehen einander teilweise diametral entgegen. Da half am Ende nur noch Beten!

Die Grünen-Delegation auf dem Weg in den Ausschuss / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Kirchturmglocken läuten, die Menschen liegen einander vor Freude in den Armen, Vögel tirilieren, Kinder tanzen mit bunten Bändern durch die Straßen, die Sonne durchbricht jene dichte Wolkendecke, unter der das Land so lange im Dunkeln lag! Nein, es gilt nicht, den Frühling willkommen zu heißen – der lässt den Außentemperaturen nach zu schließen noch ein bisschen auf sich warten. 

Ein viel größeres Ereignis darf stattdessen vermeldet werden: Der Koalitionsausschuss unserer heißgeliebten Bundesampel will nach schier endlosen (und noch dazu von einer beschwerlichen Reise nach Rotterdam unterbrochenen) Verhandlungen an diesem Dienstagabend weißen Rauch über dem Kanzleramt aufsteigen lassen und seine Ergebnisse präsentieren. Der Geist von Versöhnung und Zusammenhalt liegt dann hoffentlich beinahe schon zum Greifen in der Luft, wenn Kanzler oder Konsorten (In diesem Fall die drei Parteichefs) erschöpft vor die Mikrofone marschieren und dem Volk verkündigen, wie und wo und warum überhaupt künftig noch mehr Fortschritt gewagt werden wird, als dies ohnehin schon seit Inauguration des himmlischen Dreierbündnisses geschehen ist. Mit dem kleinen Makel freilich, dass nicht alle Wähler samt und sonders von der Richtung und dem Tempo dieses Fortschreitens überzeugt sind – weil es ihnen schlicht an Einsichtsfähigkeit mangelt, um politische Großtaten wie Heizungsverbote und ähnliche Errungenschaften gebührend zu würdigen.

„Ideenreichtum, Schlafmangel – Koalitionsausschuss“

Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte schon am Montag perfektes Erwartungsmanagement betrieben, als er jenen Tweet absetzte, der von den Medien begeistert als Prophezeiung des nun anbrechenden goldenen Zeitalters (und wohl auch in Ermangelung weiterführender Informationen) interpretiert worden war: „Ideenreichtum, Schlafmangel – Koalitionsausschuss“, lautete die sibyllinische Botschaft des Liberalen im Original. Drei Worte nur, und doch die Vorboten eines Feuerwerks an Staatskunst, wie man sie seit dem Westfälischen Frieden und der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr erleben durfte? „Ideenreichtum, Schlafmangel – Koalitionsausschuss“: Alte Weiber besticken womöglich schon bald ganz ehrfürchtig ihre Sofakissen mit diesem Spruch, junge Mädchen tragen ihn vor als melodiösen Gesang, während Journalisten und andere verhinderte Poeten versuchen, sich seit mehr als 24 schier endlosen Stunden einen Reim darauf zu machen. Die Welt hält den Atem an – und kann doch wieder Luft holen. Schauet her und staunet!

 

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Es sind denn auch die ganz großen Steine, die unsere göttliche Trias den Berg hochrollen muss: Die den Deutschen heilige Autobahn stand auf der To-talk-about-Liste, die Wärmepumpe als neuer Heilsbringer ebenfalls, dieses und jenes sowieso – aber alles stets vor dem Ziel der Rettung des Weltklimas, wie von den Grünen befohlen. Jener Partei also, die sich zwischen düsterem Endzeitdenken und hoffnungsvollem Erlösungsversprechen derzeit auf eine Art eschatologischen Kompromiss geeinigt zu haben scheint nach dem Motto: „Amen, amen, ich sage euch: Es kommt die Stunde und sie ist schon da“ (Evangelium nach Johannes, Kapitel 5).

„Grüne zunehmend bockig“

Nicht ganz so bei der Ampel: Es wollte die langersehnte Stunde einfach nicht kommen, allen Stoßgebeten verzweifelter Mitglieder der Koalitionsfraktionen wie Matthias Miersch (SPD) oder Konstantin Kuhle (FDP) zum Trotz. Bis zuletzt sei die Stimmung im Kanzleramt dem Vernehmen nach denn auch alles andere als himmelhochjauchzend gewesen, wie böse Stimmen behaupten. Die Rede ist zwar nicht von knallenden Türen oder Selbstentleibungsdrohungen, aber doch davon, dass insbesondere der grüne Habeck sich von dem roten Scholz und dem gelben Lindner gehörig in die Zange genommen fühlte. Nichts da mit dem im Wirtschaftsministerium vorgesehenen Aus für sämtliche Öl- und Gasheizungen im Jahr 2045; auch ein entsprechendes Einbau-Verbot schon vom 1. Januar nächsten Jahres an wollte die sozialliberale Anti-Grünen-Front offenbar keineswegs einfach durchwinken.

Die Bild-Zeitung berichtet, der Kanzler habe längere Übergangsfristen und Sonderregelungen gefordert, woraufhin sich die düpierten Grünen zu Beratungen zurückgezogen hätten. „Die Grünen werden zunehmend bockig, weil sie sich in die Enge gedrängt fühlen“, will das Blatt „aus Koalitionskreisen“ erfahren haben. Was durchaus plausibel klingt, soll doch auch der bündnisgrüne Wunsch nach einem Ende des Autobahnneubaus von den Koalitionspartnern abschlägig beschieden worden sein. Die Kluft zwischen umweltpolitischem Fluch und infrastrukturellem Segen lässt sich eben in einer selbsternannten Fortschrittskoalition mit frommen Formelkompromissen nicht umstandslos überbrücken. Und auch nicht mit dem Hinweis auf eine „leidenschaftliche Debatte“, mit dem die grüne Außenministerin dem massiven Ampel-Krach eine positive Wendung zu geben versuchte. Wobei Baerbocks Betonung hier wohl mehr auf dem Adjektiv zu suchen ist.

Alles nur Erwartungsmanagement?

Handelt es sich beim Scheitern der Ampel-Granden, nach immerhin zwei Klausurtagen mit einem vorzeigbaren Ergebnis an die Öffentlichkeit zu treten, also um eine veritable „Regierungskrise“, wie Unionsfraktionschef Friedrich Merz meinte? Der Oppositionsführer kann sich jedenfalls „kaum vorstellen, dass es noch eine ausreichend sichere Grundlage für den Fortbestand dieser Koalition gibt“. Kanzler Scholz, der die langen Verhandlungen von Rotterdam aus noch mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben bei der Modernisierung Deutschlands begründet hatte, steht zweifellos gehörig unter Druck – noch zwei weitere Runden dieser „leidenschaftlichen Debatte“ würden sein einstiges Führungsversprechen hohl erscheinen lassen. Aber womöglich folgt dieser Marathon ja tatsächlich einem wohlkalkulierten Erwartungsmanagement. Das Schlusssignal wäre demnach: SPD, FDP und Grüne scheuen keine auch noch so schwierige Aussprache, um schließlich zu einem für alle Beteiligten verträglichen Kompromiss zu kommen. Schlaflosigkeit inklusive. Halleluja!

Die – im Wortsinn – Deadline hierfür lag allerdings nicht mehr weit entfernt. Denn dass die Fliehkräfte in diesem Bündnis zwischen marktliberalen Freidemokraten, arbeitnehmerorientierten Sozialdemokraten und ökoplanwirtschaftlichen Grünen schwer kontrollierbar sein würden, stand eigentlich von Anfang an fest. Ohne Blessuren findet da allerdings keiner mehr raus – und die Angst vor dem Untergang könnte der eigentliche Kitt sein, der diese Ampel überhaupt noch zusammenhält. Da liegt kein Segen drauf. Aber immerhin: Der nächste Frühling kommt bestimmt.

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