Klara Geywitz - Im Rampenlicht unsichtbar

Während sich die Republik über das Heizungsgesetz aufregt, bleibt die mit zuständige Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im Hintergrund. Was kann sie erreichen?

Bauministerin Klara Geywitz steht nicht im Zentrum der Kritik für das Heizungsgesetz / dpa
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Lukas Koperek ist Journalist und lebt in Mannheim und Berlin.

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An einem Freitagmorgen Mitte Mai steht Klara Geywitz am Pranger, doch es hat niemand Lust, sie zu schmähen. Der Pranger ist das Rednerpult im Plenarsaal des Bundesrats. Auf der Tagesordnung: die Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes. Das Heizungsgesetz, wie es im Volksmund heißt, oder auch: „Heizhammer“. Dass der umstrittene Entwurf auch aus Geywitz’ Feder stammt, scheinen sogar die Ratsmitglieder vergessen zu haben. Deren Schelte gilt vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck – wieder einmal.

Es ist ein Phänomen, das emblematisch für Geywitz’ Politikstil steht. Ihre Arbeit ist in aller Munde, doch die 47-Jährige bleibt im Hintergrund. Seit 2021 leitet sie das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, dessen Neubildung Olaf Scholz noch am Tag seiner Ernennung zum Bundeskanzler anordnete. Der Sozialdemokratin obliegt damit eines der wichtigsten Versprechen der Ampelregierung: bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das Ziel: 400.000 Wohnungen pro Jahr. Schon im ersten Jahr der Legislaturperiode wurde es um 100.000 Wohnungen verfehlt. Auch 2023 sieht es kaum besser aus. Geywitz hält es für realistisch, erst „2024 und 2025 an diese Zahl heranzukommen“.

Warum Geywitz neben Habeck verblasst

An Eifer mangelt es der gebürtigen Potsdamerin allerdings nicht. Seit Januar 2023 greift die von ihr initiierte Wohngeldreform. 4,5 Millionen Bürgern in zwei Millionen Haushalten steht das neue „Wohngeld Plus“ zu, auch Haushalte mit niedrigen Einkommen oberhalb der Grundsicherung werden in den Empfängerkreis einbezogen.

Dass den Kommunen zur Umsetzung Personal und Mittel fehlen, bringt Geywitz nicht in Verlegenheit. „Es ist völlig klar, dass diese Mehrbelastung in den Ämtern nicht überall reibungslos aufgefangen werden kann“, stellte sie zur Einführung der Reform nüchtern fest.

 

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Ist es diese Kühle, die sie neben dem rührseligen Habeck verblassen lässt? Ihm jedenfalls kreiden Kritiker an, dass auch für eine Umstellung auf klimafreundliche Heizungen, die mit dem Gebäudeenergiegesetz forciert werden soll, die Voraussetzungen fehlten.

Ihre politische Karriere vor dem Aus

Immerhin: Der Flaute auf dem Neubaumarkt will Geywitz mit einer Neuformulierung der Bedingungen begegnen. Die sind derzeit noch Ländersache: Es gibt 16 Landesbauordnungen, genauso viele Brandschutzgesetze, fast 4000 Baunormen. Um den Markt in Gang zu bringen, will Geywitz die Vorschriften angleichen und den digitalen Bauantrag einführen. Sie ist optimistisch: „Noch in diesem Jahr soll mehr als die Hälfte der Behörden das neue System nutzen.“

Geywitz steht unsichtbar im Rampenlicht der Bundespolitik. Dabei drohte ihre politische Karriere noch vor wenigen Jahren in einer Sackgasse zu enden. Mit 16 Jahren war sie der SPD beigetreten, hatte 2004 zum ersten von drei Malen ein Landtagsmandat in Brandenburg gewonnen, war einige Jahre lang stellvertretende Fraktionsvorsitzende gewesen. 2019 dann kündigten sie und Olaf Scholz, damals noch Bundesfinanzminister, ihre gemeinsame Kandidatur für den SPD-Vorsitz an. Eine „sehr starke Frau“ nannte Scholz seine Mitstreiterin damals.

Es hätte Geywitz’ bislang erfolgreichstes Jahr werden können. Stattdessen geriet es zur Zäsur. Im September unterlag sie bei der Landtagswahl gegen die Grünen-Kandidatin Marie Schäffer. Kurz darauf wurden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bei der Stichwahl in den Parteivorsitz gewählt. Geywitz, die stellvertretende Bundesvorsitzende wurde, suchte sich einen neuen Job. Seit 2020 arbeitete sie als Prüfgebietsleiterin beim Landesrechnungshof Brandenburg.

Geywitz will sich nicht festlegen

Vermutlich wäre sie da noch immer und würde Prüfberichte schreiben, hätte Scholz sie nicht 2021 ins Kabinett geholt. Überrascht waren allenfalls diejenigen, bei denen die Diplom-Politologin wegen ihres unaufgeregten Naturells unter dem Radar geblieben war. Dieses eint sie mit dem Kanzler, stößt aber bisweilen auch auf Kritik. Als das Duo 2019 für den Parteivorsitz antrat, monierte ihr SPD-Kollege Harald Sempf, Geywitz könne „von der zwischenmenschlichen Wärme her auch eine 10.000er-Geflügelfarm leiten“.

Ihre radikale Gefasstheit ist wohl auch auf Geywitz’ DDR-Vergangenheit zurückzuführen. „Man denkt: Was immer kommt, wir kriegen das schon hin“, hat sie einmal über das Lebensgefühl als Ostdeutsche gesagt. Über ihre eigene Zukunft will sie so recht keine Auskunft geben. Ob sie sich ein Bundestagsmandat vorstellen könne? Sie sagt weder Ja noch Nein. Bei ihr zu Hause in Potsdam ist Olaf Scholz ihr Bundestagsabgeordneter. Der Platz ist besetzt. Die Protestantin Geywitz bietet zur Klärung einen Bibelvers an: „So Gott will und wir leben, werden wir dieses oder jenes tun.“

 

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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