Wolfgang Kubicki zu Migration, Islamismus und Grenzkontrollen - „Die Bundesländer müssen ihre Zusammenarbeit mit DITIB überprüfen“

Wolfgang Kubicki, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, will verhindern, dass DITIB-Imame in Deutschland predigen. Rückweisungen sollten nicht nur an den EU-Außengrenzen möglich sein. Die Maßnahmen der Bundesregierung reichen für ihn nicht aus.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki /dpa
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Herr Kubicki, die Bundesregierung hat sich dazu durchgerungen, einen härteren Kurs in der Migrationspolitik einzuschlagen. Doch der ist innerhalb der Ampelkoalition umstritten. Wie sehen Sie die Lage?

Es werden jetzt gesetzliche Maßnahmen eingeleitet, die aus Sicht der FDP zwar noch nicht ausreichend sind, aber immerhin ein erster Schritt. Man will die Verfahren beschleunigen, die zur Anerkennung oder Nichtanerkennung von Flüchtlingen führen, und vor allem den Ausreisegewahrsam auf 28 Tage verlängern, damit die Ausreise auch durchgesetzt werden kann. Der zweite Schritt muss sein, dass wir die Länder identifizieren, die Personen, die ausreisepflichtig sind, aufnehmen. Dazu gehören Herkunftsländer, aber auch sichere Drittstaaten.

Abschiebungen erleichtern, Abkommen mit anderen Ländern schließen. Geredet wird über solche Dinge schon lange, passiert ist kaum etwas.

Deshalb werden wir als Freie Demokraten bei dem Druck auch nicht nachlassen. Es spricht nichts dagegen, dass wir ähnlich verfahren wie unsere dänischen Nachbarn, die straffällig gewordene ausreisepflichtige Asylbewerber oder sonstige Schutzsuchende ihre Haftstrafe im Kosovo absitzen lassen und nicht in Dänemark. Und es spricht auch nichts dagegen, mit aufnahmewilligen Drittstaaten wie Ruanda Verträge darüber zu schließen, dass man dort Ausreisepflichtige unter menschenwürdigen Bedingungen unterbringt, damit wir das Mengenproblem in Deutschland in den Griff bekommen. Damit signalisieren wir auch, dass wir es ernst meinen.

Ist das mit Grünen und SPD durchzusetzen?

Das Problem ist die Zerrissenheit dieser Parteien, wie sie am Wochenende offensichtlich geworden ist. Wenn der stellvertretende Juso-Vorsitzende zu Aussagen des eigenen Bundeskanzlers erklärt, er würde das Kotzen kriegen, weil dessen Ankündigung einer schärferen Migrationspolitik Rassismus und Rechtsradikalismus Vorschub leisteten, dann sehen wir das Problem, vor dem wir stehen. Das gleiche gilt für die Grüne Jugend im Verhältnis zu den Realpolitikern der Grünen innerhalb der Ampelkoalition. Ich bin aber guter Dinge, dass sich aufgrund des faktischen Drucks die Positionen von Robert Habeck und Olaf Scholz in ihren jeweiligen Parteien durchsetzen werden.

Bei den aktuell geplanten Verschärfungen geht es darum, ausreisepflichtige Ausländer, die schon längst im Land sind, wieder loszuwerden. Das andere Problem ist, dass nach wie vor Migranten unbegrenzt hereinkommen. Was ist da aus Ihrer Sicht notwendig?

Zunächst einmal, dass wir sichere Herkunftsländer definieren. Wir sind gerade dabei, dass mit Moldawien und Georgien zu machen. Aber auch die Maghrebstaaten bieten sich da geradezu an. Was dazu führen könnte, dass wir rechtlich bereits an der Grenze Zurückweisungen vornehmen und darauf verweisen, dass die entsprechenden Asylverfahren auch aus ihren jeweiligen Heimatländern heraus durchgeführt werden können. Denn die Anerkennungsquoten sind momentan sowohl bei den Maghrebstaaten als auch bei Georgien und Moldawien im kaum nennenswerten Bereich. Das ist eine der Möglichkeiten. Und selbstverständlich müssen Sie, wenn Sie erklären, die Außengrenzen müssen besser geschützt werden, dann auch besseren Schutz gewährleisten. Das kann auch dazu führen, dass wir Grenzzäune ziehen.

Sie meinen an den europäischen Außengrenzen?

Ja, wir müssen die Außengrenzen schützen. Zwischen Spanien und Marokko gibt es seit Jahrzehnten einen Grenzzaun, ohne dass sich jemand beschwert hat. Und Außengrenzschutz heißt eben auch: Zurückweisung dort, wo es möglich ist.

Solange der Außengrenzschutz nicht funktioniert, ist Deutschland zunächst einmal für seine eigenen Grenzen zuständig. Stationäre Kontrollen gibt es dort inzwischen fast überall, allerdings werden Schutzsuchende nicht zurückgewiesen.

Deshalb sage ich ja: Maghrebstaaten und andere Länder als sichere Herkunftsländer auszuweisen, würde eine Rückweisungsmöglichkeit eröffnen – auch an der deutschen Grenze. Wir müssen dazu die Befugnisse der Bundespolizei etwas erweitern. Das wäre der nächste Schritt.

Die Bundespolizei könnte nach nationalem Recht derzeit schon jeden Asylsuchenden zurückweisen, der über den Landweg einreisen möchte. Das sehen unsere Gesetze vor, die Angela Merkel 2015 irgendwie außer Kraft gesetzt hat.

Wir haben eine EU-Flüchtlingsrichtlinie, die es nach europäischem Recht sehr schwer machen würde. Aber selbstverständlich kann man bei denjenigen, die ohne Papiere kommen, die über ihre Identität täuschen, auch Maßnahmen gegen den Übertritt in das deutsche Staatsgebiet ergreifen. Dazu müssen wir jetzt neue Grundlagen im nationalen Recht schaffen oder wieder in Kraft setzen. Wo EU- oder internationales Recht uns hindert, praktikable Lösungen zu finden, müssen wir auf eine entsprechende Reform dringen. Und ich glaube, dass der Migrationsdruck, der sich noch verstärken wird, dazu beitragen wird, dass wir das machen müssen. Gleichzeitig glaube ich: Wenn wir klarmachen, dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, auch wirklich abgeschoben werden, wird der Migrationsdruck ins Land nachlassen. Momentan ist klar: Wenn Sie einmal einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt haben, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Sie dauerhaft hierbleiben können. Und das ist nichts, was wir weiter zulassen können. Denn das erhöht den Migrationsdruck.

In den vergangenen Jahrzehnten ist in Deutschland eine regelrechte Asylbranche gewachsen, aus spezialisierten Anwälten, NGOs, Kirchen, Sozialverbänden mit besten politischen Verbindungen. Meinen Sie, das wird so einfach durchzusetzen sein, auch gegen diese mächtigen Interessenverbände?

Sie sehen ja bereits die Wahlentscheidungen der Menschen in Deutschland. Diese mächtigen Interessenverbände sind nicht in der Lage, politische Mehrheiten zu organisieren, wenn der Problemdruck zu groß wird. Das Überlastungssyndrom ist mittlerweile auch bei sehr vielen ehrenamtlichen Helfern festzustellen, wie ich aus meinem persönlichen Umfeld weiß. Irgendwann wird es einfach zu viel. Und an diesem Zeitpunkt sind wir jetzt gerade. Wir haben seit 2015 fünf Millionen Menschen mehr in Deutschland. Wir haben trotzdem nicht entsprechend mehr Schulen, Kitas oder Wohnungen. Und das lässt sich jetzt auch nicht mehr verbergen. In dem Moment, in dem Sie nicht mehr integrative Möglichkeiten ergreifen können, entstehen Parallelgesellschaften, was für jede Gesellschaft eine kritische Bedeutung hat.

 

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Welche Rolle spielen jetzt die israelfeindlichen Proteste bis Ausschreitungen in deutschen Großstädten?

Sie weisen darauf hin, dass es uns nicht gelungen ist, Menschen, die zu uns gekommen sind, die teilweise schon in dritter Generation hier leben, wirklich zu integrieren. Und es zeigt auf, dass wir nicht mehr davon haben dürfen. Noch ist die Situation beherrschbar. Aber es wird problematisch. Wenn Sie sich überlegen, dass wir alleine fast vier Prozent der syrischen Bevölkerung mittlerweile in Deutschland haben, deutet das darauf hin, dass eine Bewegung stattgefunden hat, die Herausforderung ist für die heimische Gesellschaft. Und wenn das Gefühl vorherrscht, man kann das nicht mehr in den Griff bekommen, dann werden politisch Radikale gewählt und damit das demokratische System in Frage gestellt.

War es ein Fehler, dass man in Deutschland das Treiben von Islamverbänden viel zu lange geduldet oder sogar gefördert hat?

Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Das habe ich schon deutlich gemacht, als ich noch Fraktionsvorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein war. Dass wir nicht zulassen können, dass radikale Imame in Hamburg den Glaubenskrieg predigen und wir tatenlos zusehen.

Aber Sie wurden nicht gehört.

Das Problem war nicht drängend genug. Wir wurden nicht gehört. Ich bin nicht der Einzige gewesen, der darauf hingewiesen hat. Wir haben früher schon erklärt, dass wir mit Islamverbänden, die sich nicht zu unserer Verfassung bekennen, nicht zusammenarbeiten können. Aber unter dem Aspekt kulturelle Eigenheit ist es, auch weil es anders als heute kein drängendes Problem war, beiseitegeschoben worden.

Sehen Sie da schon eine Trendwende?

In der Bevölkerung definitiv, aber auch im politischen Geschehen. Wir sind ja mittlerweile dabei, dass wir erklären, dass wir solche Predigten in Deutschland nicht mehr zulassen wollen. Das ist keine Frage der Religionsfreiheit. Wer als Imam predigt, dass man Israel auslöschen muss, der hat auf deutschem Boden nichts verloren. Das ist auch eine Straftat.

Nun finden solche Predigten – vielleicht nicht in der ganz radikalen Variante, aber in der rhetorisch etwas geschickter ausgedrückten – auch in den in den offiziellen DITIB- Moscheen statt, werden also vom türkischen Staat verantwortet.

Ja, das ist ein Problem. Mit DITIB müssen wir uns noch mal intensiver beschäftigen. Die Bundesländer müssen umgehend ihre Zusammenarbeit mit DITIB überprüfen. Wenn es rechtlich nötig ist, muss man untersagen, dass DITIB auf deutschem Boden tätig sein kann.

Und das hat aber wieder außenpolitische Konsequenzen, oder vor was schreckt man da zurück?

Die Türkei ist Nato-Mitglied, war lange Zeit ein Land, das in die Europäische Gemeinschaft drängte. Aber so wie sich die Türkei dagegen wehrt, dass auf ihrem Boden Dinge passieren, die nach ihrem Rechtsverständnis unzulässig sind, müssen andere akzeptieren, dass auf deutschem Boden solche Sachen nicht stattfinden dürfen, die gegen unser Rechtsverständnis und gegen die Grundlagen unserer Verfassung verstoßen. Das muss jetzt konsequent durchgesetzt werden. Wenn wir jetzt sehen, dass auf deutschem Boden antiisraelische und antijüdische Parolen skandiert werden von Zehntausenden von Menschen aus dem Nahen Osten, dann ist höchste Zeit, dagegen etwas zu tun. Und nicht nur verbal, sondern auch rechtlich.

Was genau schwebt Ihnen im Hinblick auf DITIB vor?

Zu verhindern, dass die DITIB weiterhin in Deutschland mit ihren Imamen Hass in den Moscheen predigt und versucht, aus dem religiösen Islam einen politischen Islam zu machen, der sich auch in die politische Gestaltung in Deutschland negativ einmischt.

Und zwar durch ein Betätigungsverbot?

Überall dort, wo es gegen die Grundlagen unserer demokratischen Grundordnung verstößt, ist das die notwendige Konsequenz. Wir verbieten ja auch radikalen sonstigen Organisationen die Betätigung. Abgesehen davon, dass es im Aufenthaltsgesetz vorgesehen ist, dass politische Betätigung von Ausländern auf deutschem Boden untersagt werden kann.

Das wird innerhalb der SPD und der Grünen schwierig durchzusetzen sein. Wie erklären Sie sich eigentlich das generelle Phänomen, dass westeuropäische Linke den konservativen bis reaktionären politischen Islam verteidigen und schützen?

Das kann ich mir überhaupt nicht erklären. Vor allen Dingen von Minderheiten, von Queeren, Lesben und Schwulen. Denn die werden im politischen und religiösen Islam unterdrückt. Ich kann niemandem empfehlen, sich in diese Richtung zu bewegen, der noch bei Trost ist. Wenn man sich über Ausgrenzung in Deutschland beschwert, dann ist diese Ausgrenzung, die auch Verfolgung bis hin zur Todesstrafe beinhaltet, noch viel schlimmer. Deshalb ist mir völlig unbegreiflich, warum Intellektuelle in Deutschland sich davon angezogen fühlen.

Lassen Sie uns kurz noch zum Nahostkonflikt kommen. Aus der FDP gab es deutliche Wortmeldungen, nach diesen furchtbaren Terrorangriffen auf Israel alle Hilfszahlungen in Richtung Gaza zu stoppen beziehungsweise zu überprüfen. Kurz darauf hat Außenministerin Baerbock das Gegenteil verkündet, nämlich die Hilfen um 50 Millionen Euro aufzustocken.

Ich halte es für naiv, zwischen Hilfe für die Hamas und Hilfe für die Bevölkerung zu differenzieren. Denn man muss wissen: Die Administration im Gazastreifen wird von der Hamas vorgenommen. Und solange die dortige Administration zulässt, dass auf deren Staatsgebiet über 220 Geiseln gehalten werden, ist jeder Anspruch auf Hilfe jedweder Art erloschen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man auf die Idee kommen kann zu differenzieren zwischen einigen wenigen Terroristen der Hamas und der Administration des Gazastreifens. Da gibt es keine Differenzierung. Humanitäre Hilfe ist lobenswert, aber solange nicht sichergestellt werden kann, dass sie nicht der Terrorunterstützung dient, kann ich meine Hand dafür nicht heben, weitere Hilfe zu leisten.

Das Gespräch führte Daniel Gräber.

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