Hubert Aiwanger spricht mit der Jüdischen Allgemeinen - „Zerrüttetes Vertrauen wieder aufbauen“

Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler in Bayern, hat sich in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen ausführlich zur Flugblatt-Affäre und zu Antisemitismus-Vorwürfen geäußert. In dem Gespräch bekennt er sich zum Kampf gegen Judenhass und zur Zusammenarbeit mit Israel. Mit der jüdischen Gemeinschaft will er den Dialog suchen.

Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident: Hubert Aiwanger / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Nach heftiger Kritik unter anderem von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), wegen seines Umgangs mit der Flugblatt-Affäre hat der bayerische Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger jetzt dem neuen Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman Engel, ein ausführliches Interview gegeben. Darin bekräftigt er, dass er auch in seiner Jugend nie Antisemit gewesen sei; die Formulierung, er sei „seit dem Erwachsenenalter“ kein Antisemit mehr, sei missverständlich gewesen.

Über Kritik vonseiten der jüdischen Gemeinschaft sagt Aiwanger: „Ich kann diese Reaktion sehr gut verstehen, es waren ja harte Vorwürfe. Aber ich konnte mich eben bezüglich der Urheberschaft des scheußlichen Papiers nicht entschuldigen, weil ich es nicht war.“ Und er bekräftigt: „Das jüdische Leben zu schützen und zu fördern und eine starke Zusammenarbeit mit Israel ist wichtiger Teil unserer Politik, was wir auch vielfach mit unserer Landtags- und Regierungsarbeit unter Beweis gestellt haben. … Beispielsweise bei der Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Israel und verschiedenen Gesprächen von mir und jüdischen Vertretern zum Beispiel im Bereich Startups und Wasserstoff in meiner Zeit als Wirtschaftsminister.“ Zudem habe es im Mai 2022 einen Kabinettsbeschluss „Gesamtkonzept Jüdisches Leben und Bekämpfung des Antisemitismus“ unter Federführung von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) gegeben.

Wissensvermittlung über jüdisches Leben

„Im November 2022 konnten wir das Schulportal ,Bayern gegen Antisemitismus‘ als bedeutendes Handlungsfeld eröffnen“, führt Aiwanger weiter aus. Auch die Mittel für die Bildungszusammenarbeit mit Israel seien in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt worden, von 140.000 auf 300.000 Euro. „Mir persönlich war wichtig“, so Aiwanger, „die Wissensvermittlung über jüdische Geschichte und jüdisches Leben, jüdische Kultur und Religion in den Lehrplänen zu stärken.“

 

Mehr zum Thema:

 

Darauf angesprochen, dass die IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch seine Entschuldigung nicht akzeptieren wolle, antwortet Aiwanger: „Auch diese Reaktion von Frau Knobloch, die ich sehr schätze, kann ich bestens nachvollziehen. Ich suche natürlich weiterhin das Gespräch. Tatsächlich habe ich Anfragen von zwei israelitischen Kultusgemeinden aus Bayern zum Gespräch erhalten, die ich gerne annehmen will.“ Auch mit Zentralratspräsident Schuster werde er sich „in geplanter Weise noch vor der Wahl treffen. Wenn möglich diskret, um die sensible Thematik nicht zum Spielball des Wahlkampfs in Bayern zu machen. Und auch nach der Wahl werde ich nichts unversucht lassen, zerrüttetes Vertrauen wieder aufzubauen.“

Vertrauen in den Schutzraum Schule

Zu den damaligen Ereignissen und seinen diesbezüglichen Erinnerungslücken erklärt Aiwanger: „Mir wurde damals von der Schulleitung wegen des Flugblattes in der Schultasche mit der Polizei gedroht, was das alles überlagernde, einschneidende Erlebnis in diesem Zusammenhang war. … Es wurden ja nicht mal meine Eltern hinzugezogen, und ich war auch vor keinem Disziplinarausschuss. … Mein Bruder war selbst im Nachhinein über den scheußlichen Inhalt beschämt und hat die Sache sehr bereut, und wir wollten nicht mehr darüber reden. Meine Eltern haben den Inhalt des Papiers erst jetzt in der Zeitung gelesen.“

Den Vorwurf, es habe sich bei der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung um eine gezielte Kampagne gehandelt, zieht Aiwanger nicht zurück: „Wir müssen hier zwei Dinge voneinander trennen: Zum einen das widerliche Flugblatt, das nicht in die Öffentlichkeit hätte kommen dürfen. Und zum anderen eben die Berichterstattung der SZ, die mir ohne Beweise die Urheberschaft daran andichten wollte und das widerliche Zeug ohne zwingende Not in die Öffentlichkeit brachte, entgegen journalistischer Sorgfaltspflicht. … Auch das Vertrauen in den Schutzraum Schule wurde durch das offenbar gesetzwidrige Verhalten des Lehrers schwer erschüttert. … Und sehr viele Bürger sehen das eben als Instrumentalisierung, das kann man nicht wegdiskutieren. … [V]iele Eltern fürchten jetzt, dass Verfehlungen auch ihrer Kinder an der Schule eventuell Jahre später in den Medien landen könnten.“

Das vollständige Interview lesen Sie hier.

Anzeige