Kretschmann und Fücks - Prominente Grüne wenden sich von Habecks Verbotspolitik ab

Robert Habecks Stern sinkt auch in der eigenen Partei. Ausgerechnet sein „Vorbild“ Winfried Kretschmann schulmeistert ihn als Hitzkopf. Und der grüne Vordenker Ralf Fücks hält ein flammendes Plädoyer für den Markt und gegen lähmende Verbotspolitik.

Kritik aus Stuttgart: Wirtschaftsminister Robert Habeck neben Baden-Württembergs Ministerpäsident Winfried Kretschmann / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Dass es in der Ampel-Koalition nicht rund läuft angesichts der vom grünen Klimaschutzminister Robert Habeck beziehungsweise seinem geschassten Staatssekretär Patrick Graichen forcierten „Wärmewende“, ist offenkundig. Aber wer darin nur einen Streit zwischen den drei beteiligten Parteien erkennt, unterschätzt die politische Sprengkraft des Themas. Denn auch innerhalb der Grünen melden sich Kritiker des Heizungsgesetzes im Speziellen und der Verbotspolitik im Generellen zu Wort – sie zielen auch mittelbar auf den eigenen Parteifreund im Bundeskabinett. 

Die frühere grüne Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae, Chefin des Energieverbands BDEW, hat in der Süddeutschen Zeitung kritisiert, dass nicht frühzeitig das Gespräch mit den Praktikern gesucht wurde. Das wirkt fast wie konzertiert mit dem jüngsten FAZ-Gastbeitrag des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz und des Grünen-Vordenkers Ralf Fücks. Wenn sie „die Steuerung mit Geboten und Verboten“ als „technokratisches, bürokratisches und ökonomisch lähmendes Unterfangen“ bezeichnen und die „Innovations- und Koordinationsleistung von Märkten“ loben, dürfte nicht nur Robert Habeck erkennen, wer damit kritisiert wird, obwohl sein Name im Text nicht vorkommt. Vielleicht auch kein Zufall, dass fast gleichzeitig Bayaz’ Chef, nämlich Baden-Württembergs grüner Ministerpäsident Winfried Kretschmann ebenso deutlich wird.

Habeck – mit dem Kopf durch die Wand

Er nutzt dazu ein Interview in der Zeit, dessen Redakteur ihm die perfekte Vorlage gibt mit dem Hinweis, „ganz besonders der Bundeswirtschaftsminister“ sinke im öffentlichen Ansehen. Und Kretschmann bewertet ihn wie ein Trainer seinen aus der Form gekommenen Spieler: „Er hatte keinen guten Lauf und war zu schnell.“ Auf ein paar Monate komme es nicht an. Mit anderen Worten: Habecks Heizungsgesetz sollte in jedem Fall zunächst verschoben werden. „Politik ist nun mal eine sehr pragmatische Veranstaltung, man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand.“ Schärfer kann man einen Parteifreund (der Kretschmann einmal ein Vorbild nannte) kaum abwatschen: Der Ministerpräsident attestiert dem Bundesminister Scheitern aus politischer Unreife. Es sei eine „Frage von Weitsicht, auf Kritik einzugehen und dann Lösungen und Kompromisse zu erarbeiten.“ Da klingt es fast zynisch, wenn er anschließend Habeck scheinbar in Schutz nimmt: „Alle diejenigen, die jetzt Robert Habeck beharken, sollen mal sagen, was sie in der knappen Zeit, die wir haben, anders machen würden.“

Am erstaunlichsten ist Kretschmanns Aussage, das sei „alles ein bisschen übertrieben mit der Heizungsdebatte. Man muss ja sehen: Deutschland emittiert etwa zwei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Wir werden den Klimawandel allein also nicht aufhalten.“ Solch ein Satz könnte gut auch von einem Unionspolitiker stammen, oder gar von einem der AfD. Dazu passend nennt er die „dystopische Untergangserzählung“ der Letzten Generation „unberechtigt“. Ja, sogar ein grundsätzliches Scheitern grüner Politik hält er für möglich, „es kann auch in den Graben gehen mit der Transformation“.

 

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Verrät Kretschmann etwa das zentrale Dogma der Grünen in der Ampel-Koalition? Nämlich dass des absoluten Vorrangs für den kürzesten Weg ins ersehnte „Zeitalter der Klimaneutralität“. Offenbar haben es manche Grüne dann doch nicht ganz so eilig, vor allem solche, die für die Praktiker in der Wirtschaft und die Hauptleidtragenden in den Privathaushalten eher ein offenes Ohr haben als vielleicht ein Bundesminister im Berliner Regierungsviertel oder sein im Thinktank sozialisierter Staatssekretär.

Habeck steht als realitäts- und menschenferner Hitzkopf da

Klar, auch der Waschlappen-statt-Duschen-Kretschmann ist noch präsent. Er verkündet, „wir“ würden künftig mehr Geld für Energie, Lebensmittel und Sicherheit ausgeben und sollten halt mal „auf einen Flug nach Bali“ verzichten. Das bedeute doch keinen „Verlust des Wohlergehens“, da auch in Europa „Natur und Kultur“ seien – was man beim Anblick aktueller deutscher Landschaften voller Windräder und Solarpanele durchaus relativieren kann.

Fücks und Kretschmann, deren Stimmen in der grünen Partei Gewicht haben, schwächen die ohnehin durch den Agora-Skandal und den Sturz Graichens angeschlagene Position des bisherigen Alpha-Grünen Habeck im Kabinett und in der Öffentlichkeit. Habeck steht als nicht nur marktfeindlicher, sondern auch realitäts- und menschenferner Hitzkopf da. Kretschmann dagegen inszeniert sich als Praktiker und nah bei den Experten („Ich gehe gern auf Messen, an Hochschulen, zu Unternehmen“). Auch dem Interviewer der Zeit fällt auf, dass Kretschmann mit seiner Schwärmerei für die „Innovationskraft einer Gesellschaft“ und „eine technologieoffene Politik durch und durch“ näher bei der FDP zu stehen scheint als bei seinem grünen Parteifreund.

Die Zeitgeschichte lehrt übrigens, dass Parteipolitiker ein unfreiwilliges Karriereende meist nicht dem Widerspruch aus anderen Parteien verdanken, sondern den Gegnern in der eigenen. Die Frage, ob es dabei eher um persönliche Antipathien und Ambitionen oder sachpolitische Einsichten geht, ist zweitrangig. Wenn Habeck vor seiner Partei als Wählerschreck dasteht, der das grüne Projekt Klimagerechtigkeit zum Menetekel der allgemeinen Verarmung gemacht hat, läuft beides ohnehin auf dasselbe hinaus.

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