Die grüne CSU - Sonnenblume statt Lederhose: Kann Söders Greenwash gut gehen?

Früher hat die CSU mit dem Slogan „Laptop und Lederhose“ für sich geworben. Seit Söder heißt die Losung „Smartphone und Sonnenblume“. Ob die Wähler die Linkskehre zu den Grünen mitmachen, ist indes fraglich. Gerade den Konservativen agiert der bayerische Ministerpräsident zu radikal und populistisch.

Bayern-Chef Markus Söder mit austauschbarem Hintergrund / dpa
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Die Chance, dass erstmals ein CSU-Politiker Kanzler wird, war noch nie so groß wie heute. Zumal nicht wenige in der großen Schwester CDU mit den drei eigenen Bewerbern (Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen) hadern, die sich um den Parteivorsitz rangeln und damit das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur hätten. Markus Söder überflügelt sie allesamt und schließt bei der Popularität dicht auf zu Angela Merkel. Schon das ist für einen CSU-Politiker eine beachtliche Leistung.

Denn so sehr der Rest der Republik den Freistaat als Urlaubsziel und ökonomisches Kraftwerk schätzt, so ungern mochte man aus München regiert werden. Das mussten Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002) bitter erfahren. Söder hat diese Abwehrhaltung gebrochen. Und zwar indem er mit Strauß gebrochen hat. Mehr noch: Der gebürtige Nürnberger, der also ein Franke und daher kein krachlederner Bayer ist, bringt es fertig, den Übervater der CSU in den Himmel zu loben – um gleichzeitig dessen Überzeugungen in den Boden zu rammen. Das ist politische Maskerade in Vollendung.

Nur Mainstream macht Mehrheit

Söder beherrscht die Kostümierung nach Bedarf nicht nur an Fasching. Er hat von Merkel gelernt, dass man mit liberalem Reformgeist und kernigem Konservatismus keine Wahlen gewinnt: Nur Mainstream macht Mehrheit. Kantigkeit wird abgewählt. Mit Merkel hat Deutschland allerdings auch allen reformerischen Mut verloren, den nun auch Söder nicht mehr einfordert. Söder umarmt Bäume und schützt Bienen.

Auf ihrer Winterklausur überbietet die CSU die Grünen mit der Forderung nach einer noch radikaleren CO₂-Begrenzung um 60 Prozent. Bayern soll zudem Solarland werden. Diese Planwirtschaft freut die von München aus verwalteten Fondsgesellschaften, die mit dieser hoch subventionierte Energieform für ihre Anleger fette Renditen erwirtschaften. Aber als Partei der freien Marktwirtschaft versteht sich die Söder-CSU ohnehin kaum mehr, wie die Forderung nach einer Frauenquote für DAX-Konzerne zeigt. 

Macht vor Prinzipien

Prinzipien werden der Machtperspektive untergeordnet. Ein Söder hat keine Skrupel, sich bei Merkel für den Konfrontationskurs zu entschuldigen, als Horst Seehofer deren Flüchtlingskurs von 2015 als „Herrschaft des Unrechts“ brachial angriff. Er nennt den damaligen Kurs seines Vorgängers, der heute sein Gnadenbrot als Innenminister verdingen darf, „die dunkle Seite der Macht“. Zur Strafe muss Seehofer bei Bedarf den Seenotretter geben, um die Seele der christlich bewegten Unionisten zu streicheln.

Gerd Müller, der von der CSU entsandte Entwicklungshilfeminister, ist von einem grünen Weltenretter ohnehin kaum zu unterscheiden. EU-Statthalter Manfred Weber verteidigt den Brüsseler Zentralismus. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrinth huldigt in der Corona-Zeit der Schuldenpolitik, die ein Finanzminister Söder noch des Sozialismus gescholten hat. Selbst die linke Kunst- und Kulturszene wird in der Corona-Krise üppig mit Soforthilfen bedacht. Also auch hier: Keine Rücksicht auf die konservative Tugend der Sparsamkeit. Mehr Kehrtwende geht nimmer.

Söder und der Liberalismus

Zurück bleiben die Konservativen, die in der CSU lange ein respektabler Leuchtturm im weiten Feld des ökosozialen Meeres sehen durften. Die Strauß-Doktrin, wonach es rechts der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe und man also diesen Flügel abdecken müsse, verkehrt Söder in die gegenteilige Maxime: Was von einer nach links gerückten CSU rechts übrig bleibt, wird des Rechtsextremismus´ bezichtigt.

Vor diesem Vorwurf ist selbst die FDP nicht gefeit, wenn sie sich erlaubt, Zweifel an den drastischen Einschränkungen in der Corona-Krise zu äußern. Denn ein Söder regiert nicht nur gerne autoritär durch, als Hardcore-Pandemie-Bekämpfer gebärdet er sich auch antiliberal und mag im Grunde keine offene und freie Gesellschaft. Hier ist er sich übrigens mit den Grünen einig, die der Liberalität auch nur so lange huldigen, wie es ihren Links-Ökologismus nicht behindert.

„CDU und SPD kann ich nicht mehr wählen.“

Ausgerechnet ein CSU-Vorsitzender schiebt mit seiner von Merkel übernommenen Zeitgeist-Strategie das politische Koordinatensystem weiter nach links. Zurück bleiben jene, die sich bei einer Mitgliederbefragung 2007 dem „konservativen“ (26 Prozent) und „marktwirtschaftsorientierten“ (32 Prozent) Milieu zurechneten. Eine Werte-Union, die innerhalb der CDU eine Art CSU-Filiale auf Bundesebene sein wollte, wird nicht nur auf Parteitagen an den rechten Rand gedrängt.

Der in Potsdam lehrende Militärhistoriker Sönke Neitzel verdeutlicht diese Entfremdung am Beispiel der Bundeswehr. „Gerade in den Kampfeinheiten sagen mir Soldaten: CDU, die einmal die klassische Partei der Offiziere war, und SPD, die seit den 70er Jahren für die Unteroffiziere stand, kann ich nicht mehr wählen.“ Was dann? Für nicht wenige sei die AfD eine Alternative, die nicht von ungefähr in allen 16 Landesparlamenten vertreten ist und im Bundestag die größte Oppositionspartei stellt.

Wenn der Wind wieder nach rechts weht

Noch geht die Strategie von Söder und Merkel auf, die Konkurrenz von Rechts zu Feinden der Demokratie zu erklären. Das fällt auch deshalb leicht, weil die AfD mit jeder Häutung brauner und weithin als zerstrittener Haufen obskurer Sonderlinge erscheint. Für aufrechte Konservative ist eine solche Gruppierung allenfalls als Protestbekundung wählbar. Nun fühlen sie sich auch noch von der Söder-CSU verraten – und sind damit parteipolitische Waisen.

Niemand weiß, wohin diese Heimatlosen tendieren, wenn sozialen Spannungen wieder zunehmen, sobald die (finanzielle) Narkotisierung durch die Aber-Milliarden an Corona-Hilfen nachlässt. Nur soviel ist gewiss: Dreht der Zeitgeist zurück nach rechts, wird sich Söder auch hier an die Spitze der Bewegung stellen. In Sachen Wendigkeit bleibt sich der politische Verkleidungskünstler treu. So viel Verlässlichkeit ist dann schon wieder konservativ.

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