Gerüchte um Zukunft von Papst Franziskus und Kardinal Woelki - Rücktritte, nur wann?

Papst Franziskus ist 85 Jahre alt geworden und sitzt seit kurzem im Rollstuhl. Es ist ziemlich sicher, dass der einst dynamische Argentinier dem Beispiel seines Vorgängers Benedikt XVI. folgen wird und zurück tritt. Nur ob das bald, etwa am 27. August, passiert oder irgendwann später, das ist die offene Frage. Etwas anders liegen die Dinge bei Kardinal Rainer Maria Woelki.  

Abschiedsgeste? Gerüchte um einen bevorstehenden Amtsverzicht Papstes machen die Runde. Bevor das geschieht, entscheidet Franziskus womöglich noch über einen anderen Rücktritt: den des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Papst Franziskus und Kardinal Rainer Maria Woelki sind die beiden bekanntesten Katholiken Deutschlands. Dies allerdings aus ziemlich unterschiedlichen Gründen. Verblüffenderweise stellt sich nun bei beiden die Frage, wiederum aus ganz verschiedenen Lagen heraus, wie lange sie noch im Amt seien werden. Das große Gerücht macht die Runde: Tritt der Papst zurück? Und das kleine: Wann geht Woelki endlich? 

Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung sind sie so etwas wie Pole des Katholischen. Grob gesagt, eilt dem aus Argentinien stammenden Kirchenoberhaupt der Ruf voraus, die Kirche verändern zu wollen, während der Kölner Erzbischof als konservativer Hardliner beschrieben wird, der völlig falsch mit dem großen Missbrauchs-Skandal der Kirche umgegangen sei. Es sind Rollen und Klischees, die ihren Wahrheitskern haben und zugleich reichlich ausgeschmückt werden.  

Zurücktreten kann der Papst nur alleine

In dieser Frage der Rücktritte allerdings hat der Papst alleine die Zügel in der Hand. Das Oberhaupt von über 1,3 Milliarden Katholikinnen und Katholiken hat zwar wenig weltliche Macht, aber alle Macht über seine Kardinäle, die auch als seine „päpstliche Familie“ bezeichnet werden. Und in der ältesten Wahlmonarchie der Welt gibt es keine Abwahl. Mehr noch: ein Papstrücktritt ist sogar nur dann gültig, wenn er ohne Druck von außen zustande gekommen ist.

Das Gerücht über einen bevorstehenden Amtsverzicht des Papstes wird inzwischen von kundigen Beobachtern und auch kirchlichen Würdenträgern als Unsinn oder „Fake News“ abgetan. Aber ganz so einfach ist es nicht. Vielmehr sind sich die meisten Kenner eben auch sehr einig darin, dass der Papst zurücktreten wird – nur um den Zeitpunkt wird gestritten. „Die letzte Phase des Pontifikats hat begonnen“, sagt ein kundiger Insider. „Wir wissen nur nicht, ob diese Phase noch Tage, Monate oder Jahre dauert.“ Wobei von einigen Jahren kaum einer innerhalb der Mauern des Vatikans mehr ausgehen mag. 

Agiler Papst sitzt nun im Rollstuhl

Und das ist die harte Seite des Gerüchts: Franziskus ist in diesem Jahr 85 Jahre alt geworden, in dem Alter ist auch Papst Benedikt vom Stuhl Petri hinabgestiegen, wie es in vatikanischer Metaphorik heißt. Franziskus ist gesundheitlich sichtlich geschwächt, ihn plagt ein schmerzhaftes Knieleiden, welches harmloser klingt als es ist. Es zwingt ihn in den Rollstuhl, eine Tatsache, die dem eigentlich leutseligen und agilen Pontifex zu schaffen macht. Franziskus hat eine wichtige Reise nach Afrika abgesagt und die Feierlichkeiten zum bevorstehenden Fronleichnamsfest storniert. Das ist alles nichts völlig Ungewöhnliches, für sich genommen sicher noch nicht mal ein klares Indiz für einen Rücktritt. Allein in der konkreten Gesamtschau der Facetten ergibt sich das deutliche Bild einer ausklingenden Regentschaft.  

Initialzündung im Herd der Gerüchteküche war eine Ankündigung des päpstlichen Presseamtes, die isoliert betrachtet wieder harmlos klingt, in die man aber viel hineindeuten kann. Für den 27. August ruft der Papst alle seine (wahlberechtigten) etwa 116 Kardinäle zusammen. Als Termin dieses sogenannten Konsistoriums ist der 29. Juni üblich, der des Hochfests Peter und Paul. Warum also der August, wenn es in Rom höllisch heiß und normalerweise der ganze Vatikan verreist ist? Bei dem Konsistorium wird er 21 neue Kardinäle „kreieren“, wie es so schön in Vatikan-Deutsch heißt. Die neu ernannten „Senatoren“ des Heiligen Vaters kommen ins Amt, 16 von ihnen sind unter 80 Jahre alt, das bedeutet beim nächsten Konklave, also der nächsten Papstwahl, wahlberechtigt.

Wirklich ungewöhnlich ist die Ankündigung des Vatikans, dass der Papst am Tag darauf, wenn noch alle Kardinäle in Rom weilen, einen Ausflug machen will. Mit dem Hubschrauber plant Franziskus in die nicht weit entfernte Abruzzen-Stadt L'Aquila zu fliegen. Was soll das? Und warum kündigt er das an? Nun kommt viel Symbolik ins Spiel und die Deutung von Zeichenhandlungen, eine ganz große Spezialität der katholischen Kirche. Der Papst will dort an einer traditionsreichen Wallfahrt teilnehmen, die jährlich Ende August stattfindende Pilgerfahrt geht auf Papst Coelestin V. zurück. Und nun wird es spannend: Dieser Coelestin war im Jahr 1294 der erste Papst, der freiwillig zurücktrat. Und Benedikt XVI. hat rund 700 Jahre später nach dem schweren Erdbeben das Grab von Coelestin V. besucht. Damals legte er dort kurzzeitig sein besonderes Pallium ab, eine Insignie des Papstamtes. Dort, 2009, in L'Aquila, soll sich Benedikt zum Rücktritt entschlossen haben. Und dorthin kehrt nun Franziskus zurück – um was zu tun? Seinen Rücktritt zu erklären? Nach seinem Rücktritt zu beten? Gewiss ist, dass der Papst wusste, dass es mit dieser Ankündigung zu Gerüchten kommen würde. Er sagt immer wieder, er mag keine Gerüchte, aber er hat sie gewiss selbst befeuert.  

Medizinische Probleme könnten Amtsverzicht auslösen

Franziskus sendet gerne zweideutige Signale, man könnte das glatt für eine christliche Tugend halten, denn nie ist etwa nur schwarz oder weiß. Oder man kann diesen Zug als fatal abtun, immerhin weiß die Bibel: „Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein ein Nein.“ In der Kirche hingegen wird dieses abwägende Denken bisweilen als „jesuitisch“ beschrieben, benannt nach dem Orden der Jesuiten, dem der Papst angehört. Berühmt sind die Jesuiten für ihre geistlichen Übungen, die „ignatianischen Exerzitien“. Ihr Kern ist die „Unterscheidung der Geister“, eine Art existenzieller Entscheidungsprozess. Ein Vertrauter des Papstes sagt, dieses „Examen“ würde der Papst täglich vollziehen und sich die Frage stellen, ob er zur Ausübung des Amtes noch in der Lage sei. 

Eigentlich hat der Papst noch viel vor. Franziskus hat gerade erst eine Reform der Kurie vorgelegt, also eine Neuordnung des Verwaltungsapparates des Vatikans. Im kommenden Jahr im Herbst soll eine Synode stattfinden, also eine Versammlung der Bischöfe der Weltkirche, die über Krise und Reform der Kirche diskutieren soll – ein Herzensanliegen des Argentiniers. In diesem Sinne ist der Papst nicht amtsmüde, so der Insider. Aber es könnte sein, dass die medizinische Lage ihn dennoch zum Rücktritt zwingt. Das Problem ist, dass das Knie operiert werden müsste, es aber, wie es heißt, schon bei einer zurückliegenden OP Schwierigkeiten mit der Narkose gab. 

Die Sorge, dass ein amtierender Papst in ein Koma fällt, wäre eine Horrorvorstellung, nicht nur praktisch, sondern sogar theologisch, weil es dann schwierig ist, eine Nachfolgeregelung zu finden. So hat auch der Stellvertreter Gottes ganz irdische Probleme. Die Sedisvakanz nennt man die Zeit, in der es keinen Papst gibt – also nach dem Tod oder Rücktritt des alten und vor der Wahl des neuen. Für den Fall des Komas wird es schwierig. Das will Franziskus vermeiden. Wenn also die jetzt begonnen konventionellen Therapien nicht helfen, und es eines chirurgischen Eingriffs bedarf, könnte das der Grund für den Rücktritt sein.      

Haben wir bald einen Papst und zwei Ex-Päpste?

Ein Papstrücktritt ist noch immer ein Weltereignis. Als der deutsche Papst Benedikt XVI. Am 28. Februar 2013 seinen Amtsverzicht erklärte, war dies in der rund 2.000-jährigen Geschichte der Kirche erst das zweite Mal passiert. Und beim ersten Mal lagen die Dinge ganz anders. Der erwähnte Coelestin gab das Amt nur nach sechs Monaten, nicht nach sieben Jahren, wie bei Benedikt, auf. Wenn also Papst Franziskus nun sein Amt zur Verfügung stellen würde, wäre er erst der dritte Papst überhaupt. Und es wäre eine Sensation, denn dann gäbe es auch zwei Ex-Päpste. 

Dagegen hat die Causa Woelki aus vatikanischer Perspektive doch eine deutlich kleinere Dimension. Bischöfe beruft und entlässt der Papst immer wieder. In einem neuen Interview mit der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit“ sagte Franziskus: „Ich glaube aber nicht, dass Köln die einzige Diözese in der Welt ist, in der es Konflikte gibt.“ Er behandle alle gleich. Bemerkenswert ist aber, wie der Papst den Kölner Kardinal sozusagen in der Schwebe hält. Dieser will gerne im Amt bleiben, hat aber seinen Rücktritt angeboten, so ist das übliche Verfahren.

Unüblich ist, dass der Papst nicht entscheidet, weder in die eine Richtung noch in die andere. „Ich habe ihn an seinem Platz gelassen, um zu sehen, was passieren würde, aber ich habe sein Rücktrittsgesuch in der Hand“, so formuliert es der Papst. Viele Gruppen würden Druck ausüben, so Franziskus, dieser Druck mache eine Entscheidung unmöglich. Er wolle nicht, dass sich entweder die Progressiven oder die Konservativen als Sieger fühlen können, beschreibt ein Kenner die Motive von Franziskus. Doch auf Dauer funktioniert so eine abwartende Haltung schlicht nicht. Das gilt auch für das Knie, für den Papst und die Kirche überhaupt. Deswegen wird was passieren. Irgendwann oder ganz bald, aber ganz sicher. 

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