GDL kündigt Wellenstreiks an - Burn-Out an der Bahnsteigkante

Zugfahren ist schön: dasitzen, rausglotzen, Podcast hören. Blöd nur, dass das System Deutsche Bahn kaputt und zu teuer ist und der Reisende abhängig von den Launen des GDL-Chefs Weselsky. Dann lieber ein entspannter Inlandsflug.

Eisenbahnfriedhof in Bolivien / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Es sind Geschichten, die nur das Leben schreibt. Möglicherweise auch nur das Leben in einer Bananenrepublik wie der unseren. Geschichten über die Deutsche Bahn, von denen fast jeder Mensch da draußen mindestens eine zu erzählen hat – meist aber zehn oder mehr – und die exemplarisch stehen wie wenig anderes für eine einst große Republik, die sich derzeit konsequent selbst verzwergt. 

Weil man lieber Ideologie macht statt Realismus. Weil man gleichzeitig sehr gut darin ist, Kurzsichtige und Stümper zu installieren, wo es eigentlich Weitsicht bräuchte und Fachkenntnis. Und weil der Drang, der Nachwelt etwas von Wert und Substanz zu hinterlassen, zurücksteht hinter dem Drang, die eigenen Pfründe zu sichern.  

Die Deutsche Bahn ist der konzerngewordene Schmelztiegel dieser um sich greifenden Unfähigkeit, Probleme zu lösen, während man sich gleichzeitig trotzdem wahnsinnig großartig findet. Weil man zum Beispiel Diversity propagiert; mit Regenbogenmuster an den Zügen und einer Social-Media-Abteilung, die – das hat die Bundesbahn mit der Bundespolitik gemeinsam – offenbar auch gerne Leute einstellt ohne Schulabschluss oder solche, die trotzdem nichts können, davon aber besonders viel. Die dann Herumpöbeln im Netz, wenn sich einer zu Recht beschwert auf X über dieses dysfunktionale Paralleluniversum namens Deutsche Bahn. Über diese Jauchegrube der Mobilitätswende. 

Nimm dir Essen mit, wir fahren Zug

Dieses dysfunktionale Paralleluniversum hat Protagonisten hervorgebracht wie einen gewissen Claus Weselsky. Der GDL-Chef kann heute par ordre de mufti eine Millionenkundschaft als Geiseln seiner Hybris nehmen, wenn er, wie nun angekündigt, mal eben Wellenstreiks vom Zaun bricht; was eine ziemliche Frechheit ist. Also solche, die nicht angekündigt werden, sondern nahezu plötzlich geschehen. Die treffen dann nicht nur all die Wochenendreisenden, die seit geraumer Zeit den Zug verstopfen, weil sie jetzt auch ein Deutschlandticket haben. Sondern eben auch Menschen auf dem Weg zur Arbeit zum Beispiel – und eben allgemein Menschen, die auf die Angebote der Bahn, zu der auch die S-Bahnen gehören, angewiesen sind. 

Burn-Out an der Bahnsteigkante, so nennt sich die Gefahr für alle Bahnreisenden im Jahre des Herrn 2024, weil die nächsten Tage niemand weiß, der auf den Zug angewiesen ist, ob dieser auch kommt, oder ob er, wenn er denn kommt, nicht doch irgendwo in der Peripherie stehen bleibt. Die Vernunft lässt bei Bahnreisen, auch ohne Wellenstreiks, gleichwohl unisono wissen: Nimm dir Essen mit, wir fahren Zug. Vielleicht auch so ein Filterdings, mit dem man aus Tümpel- und Pfützenwasser brauchbares Trinkwasser machen kann. Denn zum Erfrieren in Wagen 4, falls die Klimaanlage mal wieder durchdreht, ist es Anfang März leider noch zu früh im Jahr. 

Eine würdelose Angelegenheit

Ich könnte Ihnen jede Menge Geschichten erzählen über meine Erfahrungen mit der Deutschen Bahn (Schreiben Sie uns gerne ihre). Eine habe ich für Cicero mal aufgeschrieben, über das Erlebnisbuchen, weil ich mit meinem Mountainbike im Gepäck nach Genua wollte. Das geht nicht so gut mit dem Flugzeug, einen Führerschein habe ich nie gemacht. Das Buchen war komplizierter als die Fahrt. Die Fahrt war sogar ziemlich gut, weil der Weg eben auch das Ziel ist bei solchen Aktionen – und dank den hervorragenden Leistungen der Österreicher und der Italiener. Fahrtdauer damals: rund 12 Stunden ab München, inklusive drei Mal umsteigen; das erste Mal in Verona. Pünktlich auf die Minute kam ich in Genua an. Aber der ÖBB und Trenitalia sind eben nicht die Deutsche Bahn. Gut für den ÖBB und Trenitalia, wenn Sie mich fragen. Und einen Weselsky haben beide nicht.
  

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Mal abgesehen davon, kenne ich genügend Leute meiner Alterskohorte, die grundsätzlich nicht (mehr) mit dem Zug fahren. Jedenfalls nicht längere Strecken. Die setzen sich dann trotz Staugefahr lieber in den Fernbus oder ins Auto. Und weil ich nächste Woche ins Allgäu muss, habe ich mir heute früh direkt einen Flixbus gebucht, hin und zurück. Damit ich mir keine Sorgen machen muss, dass der nächste Wellenstreik auch mich trifft. So eine Busfahrt ist zwar nicht elegant. Aber ich mache mich damit unabhängig von irgendwelchen Rumpelstilzchen von irgendeiner Gewerkschaft. Denn verloren am Hauptbahnhof herumzustehen, ist würdelos. Ähnlich würdelos, wie Senf-Päckchen im Wirtshaus zu klauen, oder als Bundestagsabgeordnete Tanz-Videos für TikTok aufzunehmen. 

Wissen Sie, ich bin nicht wütend auf Herrn Weselsky. Ich bin auch nicht wütend auf die Deutsche Bahn. Und schon gar nicht bin ich wütend auf das Bordpersonal der Deutschen Bahn. Das sind nämlich die ärmsten Schweine, weil die von Angesicht zu Angesicht tagtäglich ausbaden und aushalten müssen, was andere verbocken respektive verbockt haben. Mich machen aber Leute wütend, die in bester New-Age-Manier an die Macht der Vorstellungskraft glauben und daran, mit selbiger das Universum beeinflussen zu können. Diejenigen etwa, die von der großen deutschen Mobilitätswende schwafeln. Und ernsthaft glauben, dass man die große deutsche Mobilitätswende auf einem kaputten System wie der Deutschen Bahn aufbauen könnte, obwohl jeder weiß, dass Jauchegruben kein stabiler Baugrund sind. 

Und keiner hat ein Messer dabei

Schon gehört? Die Deutsche Bahn will ihr Streckennetz ab jetzt bis zum Jahr 2030 zum „Hochleistungsnetz“ ausbauen. Wer’s glaubt, wird selig. Ich meine, schauen Sie sich mal das Milliarden-Desaster namens zweite Stammstrecke in München an oder wie „planmäßig“ das Projekt Stuttgart 21 voranschreitet. Bevor wir in Deutschland ein „Hochleistungsnetz“ haben, hat China längst fünf neue Millionenstädte hochgezogen oder Robert Habeck schon fast das deutsche Insolvenzrecht auswendig gelernt. Was also tun mit diesem Tollhaus namens deutsche Bundesbahn? Am besten weitläufig umfahren oder umfliegen, wenn Sie mich fragen. Das spart Zeit und Nerven – und bisweilen auch Geld. 

Neulich musste ich nach Berlin. Drei Wochen vorher wollte ich den ICE buchen, um dann festzustellen, dass der ICE hin und zurück teurer war als ein Inlandsflug hin und zurück mit der Lufthansa. Im Gegensatz zur Deutschen Bahn startet und landet selbige meistens pünktlich. Die Zeitungen und Zeitschriften gibt es am Gate gratis. Im Flieger ist der Sitzplatz sicher. Eine Flasche Wasser ist inklusive. Keiner hat einen Döner dabei, der den ganzen Flieger vollstinkt. Die Wagenreihung lässt sich auch nicht ändern. Und dank der Sicherheitskontrollen am Flughafen kann man besten Gewissens davon ausgehen, dass man zwischen München und Berlin nicht abgestochen wird von einem „psychisch kranken Einzeltäter“. Erwähnte Inlandsreise mit der Lufthansa, hin und zurück, hat erwartungsgemäß reibungslos funktioniert. Stressig war der Rückflug trotzdem – weil mein Zug zum Flughafen doppelt so lange unterwegs war als geplant. 
  

Zana Ramadani im Gespräch mit Ben Krischke
Cicero Podcast Gesellschaft: „Mit der Opferkarte kann man sich sehr gut vermarkten“
  

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