Problem der CDU - Die Abneigung vieler bürgerlicher Wähler gegenüber Schwarz-Grün

Viele bürgerliche Wähler neigen dazu, ihren Protest gegen die abgehobene Politik der Ampel-Koalition durch eine Hinwendung zur AfD auszudrücken. Nur: Wer die AfD wählt, stärkt letztlich die Grünen. Das ist vor allem ein Problem für die CDU.

Die Medien haben die drei Landtagswahlen 2024 zum Test für Friedrich Merz gemacht / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Folgt man den Politikern von SPD und Grünen sowie den meisten Kommentatoren, dann hat die CDU ein ganz großes Problem – die AfD. Das hat mit Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz zur Rechtsaußenpartei zu tun, die man – zurückhaltend formuliert – als missverständlich bezeichnen kann. Aber auch die „Merkelianer“ in der CDU sowie der CSU-Vorsitzende Markus Söder haben den Gegnern der CDU, die die „Brandmauer“ vom Einsturz bedroht sahen, reichlich Stoff geboten.

So hat das AfD-Problem der CDU das sogenannte Sommerloch gut gefüllt. Was man vor allem auf Seiten der SPD mit Genugtuung registriert haben dürfte. Die Kanzlerpartei bei 17 Prozent und auf Platz drei hinter CDU/CSU und AfD – das hat es noch nie gegeben. Aber das ist kaum ein Thema.

SPD hat noch größeres AfD-Problem

Natürlich leidet die CDU/CSU darunter, dass sie schon in der Ära Merkel Wähler an die AfD verloren hat. Das war die Zeit, als man im Konrad-Adenauer-Haus zu überheblich war, die neue Konkurrenz von rechts ernst zu nehmen – und entsprechend zu bekämpfen. Gleichwohl sind die Umfragewerte der SPD parallel zum Anstieg der AfD-Zahlen gesunken. Aktuell liegt die Union (nur noch) 3 bis 4 Punkte über ihrem Bundestagswahlergebnis von 2021, die SPD aber fast 9 Punkte unter ihren 25,7 Prozent von damals.

Dass die SPD ein noch größeres AfD-Problem hat als die CDU, zeigt der Blick in die neuen Länder. Wo die AfD besonders stark ist, sind die Sozialdemokraten den jeweils aktuellsten Umfragen zufolge schwach. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern liegt die SPD mit 21 zu 28 und 27 zu 29 Prozent hinter der AfD. In den anderen drei ostdeutschen Ländern wird die SPD von der Höcke-Partei geradezu deklassiert: in Thüringen mit 32 zu 10 Prozent, in Sachsen-Anhalt mit 29 zu 9 und in Sachsen mit 28 zu 12.

 

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In der politisch-medialen Blase wird dagegen in erster Linie von der schwierigen Herausforderung gesprochen, vor der die CDU bei drei Landtagswahlen im September 2024 stehe: in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Dabei könnte die SPD in Brandenburg ihre Rolle als führende Kraft verlieren, in Thüringen und Sachsen nicht über ein knapp zweistelliges Ergebnis hinauskommen. Wer da nur der CDU ein AfD-Problem attestiert, scheint unter selektiver Wahrnehmung zu leiden.

Weil die AfD in den neuen Ländern zurzeit sehr stark erscheint, haben viele Medien die drei Landtagswahlen im kommenden Jahr zum Test für Friedrich Merz gemacht. Wenn die CDU dort schlecht abschneide, scheide der CDU-Vorsitzende als Kanzlerkandidat aus. Aus Landtagswahlen in drei Ländern mit insgesamt 9 von 83 Millionen Einwohnern auf das Bundestagswahlergebnis von 2025 schließen zu wollen, setzt freilich geradezu überirdische Prognosefähigkeiten voraus.

In der Union angestellte Überlegungen, den Kanzlerkandidaten erst nach diesen Landtagswahlen zu nominieren, um ihn nicht mit möglichen Verlusten zu belasten, verfangen nicht. Das zeigt das Beispiel von Olaf Scholz. Der wurde bereits im August 2020 von den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als SPD-Kanzlerkandidat für 2021 ausgerufen. Bei den bis zur Bundestagswahl folgenden drei Landtagswahlen erzielte die SPD keineswegs berauschende Ergebnisse: in Sachsen-Anhalt 8,4 (10,6), in Baden-Württemberg mit 11,0 (12,7) und in Rheinland-Pfalz 35,7 (36,2) Prozent. Kanzler wurde Scholz dennoch.

Eigentliche Herausforderung der CDU sind die Grünen

Ja, die CDU hat ein AfD-Problem. Denn sie profitiert nur bedingt von der wachsenden Unzufriedenheit mit den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP. Viele, die mit der Regierung unzufrieden sind, tendieren stärker zur AfD als zur CDU/CSU. Da leidet die Union sichtlich unter den 16 Jahren der Kanzlerschaft Angela Merkels. Die ungeregelte und ungebremste Zuwanderung setzte schon nach 2015 ein. Die Infrastruktur zerbröselt nicht erst seit 2021. Und bei der Digitalisierung ließ sich nicht schnell nachhohlen, was die CDU/CSU in vielen Jahren – mit der SPD als Koalitionspartner – versäumt hat. 

Die AfD ist indes nicht das größte Problem der CDU. Ihre eigentliche Herausforderung sind die Grünen. Wer mit der chaotischen Energiepolitik unzufrieden ist, wen die mangelnde Kontrolle bei der Zuwanderung stört und wer einen Wirtschaftsminister vermisst, der etwas von Wirtschaft versteht, der will eine Regierung ohne Grüne. Nur: Wer die CDU stärkt, wird wahrscheinlich Schwarz-Grün bekommen. Genau deshalb neigen viele bürgerliche Wähler dazu, ihren Protest durch eine Hinwendung zur AfD auszudrücken – nicht aus ideologischen Gründen, sondern eher aus ganz praktischen. Dasselbe gilt übrigens auch für zur AfD abwandernde SPD-Wähler. 

Wer die AfD wählt, stärkt letztlich die Grünen

Diese Protestwähler übersehen freilich eines: Wer die AfD wählt, um es den Grünen „so richtig zu zeigen“, stärkt letztlich die Grünen. Da die AfD zurecht als „Schmuddelkind“ im Parlamentsbetrieb angesehen wird, will und wird niemand mit ihr koalieren. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen zum Regieren auch weiterhin gebraucht werden – in welcher Farben-Kombination auch immer.

Das eigentliche Problem der CDU sind also nicht unbelehrbare Höcke-Fans, die für eine pluralistische, offene Demokratie ohnehin verloren sind. Das eigentliche Problem stellen die Wähler dar, die die Grünen abwählen wollen, sie aber durch ihren eigenen Rechtsschwenk noch stärken. Sich damit zu beschäftigen, wäre für die Spitzenpolitiker der Union eine lohnendere Aufgabe als darüber nachzudenken, wie man sich auf Kosten der eigenen Partei-„Freunde“ profilieren kann. 

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