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(picture alliance) Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Equal pay day - Fair ist anders

Akademikerin und Mutter? Die wohl schlechteste Kombination – wenn es um die Bezahlung geht. Dies markiert auch der„Equal Pay Day“: Eine Frau müsste bis zum morgigen 23. März arbeiten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen. Die Gewerkschaften rufen zum Protest auf

Sie ist Akademikerin, Mitte vierzig, hatte jahrelang gute Arbeit geleistet. Dafür sollte sie jetzt auch belohnt werden – die Gehaltserhöhung war ihr fest versprochen worden. Doch dann wurde die Frau schwanger, mit dem dritten Kind. Kurz darauf teilte ihr die Geschäftsleitung mit, dass aus der Gehaltserhöhung nun leider doch nichts werde.

Dieser Fall, der sich vor einigen Jahren so ereignete, zeigt: Das Problem ist nicht die Frau an sich. Das Problem ist ihr Kind. Die Berufswelt sei da schlicht „kinderfeindlich“, meint Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).

Die Statistiken zeigen: Kurz nach ihrem Berufseinstieg können junge Männer und Frauen noch mit ähnlichen Gehältern rechnen. Ab dem 30. Lebensjahr öffnet sich dann die Schere: Da verdienen Frauen rund 14 Prozent weniger als Männer; Arbeitnehmerinnen über 60 erhalten nur noch knapp ein Drittel der Männergehälter.

Wenn man sich den durchschnittlichen Stundenverdienst ansieht, geraten Frauen in eine Sackgasse: ein Leben lang erhalten sie nur zwischen 15 und 16 Euro – während der Lohn der männlichen Kollegen auf bis zu 23 Euro pro Stunde klettert.

„Wir können nicht in einem Land leben, in dem sich der Heiratsmarkt für Frauen mehr lohnt als der Arbeitsmarkt“, so Allmendinger. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert daher ein Gesetz: „Unternehmen und Verwaltungen sollen verpflichtet werden, ihre Entgeltpraxis systematisch zu überprüfen und geschlechtergerecht zu gestalten – unter Kontrolle einer unabhängigen Institution“, erklärt DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Auch müsse es ein Teilzeit- und Befristungsgesetz geben, um Frauen die Rückkehr in den Vollzeitberuf zu erleichtern.

Dafür wollen die Gewerkschaften am morgigen „Equal Pay Day“ protestieren. Der 23. März markiert den Tag, bis zu welchem Frauen über den Jahreswechsel hinaus weiterarbeiten müssten, um rechnerisch auf das durchschnittliche Jahresgehalt eines Mannes zu kommen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält davon nichts: „Eine gesetzliche Regelung geht komplett am Problem vorbei“, sagt BDA-Arbeitsmarktexpertin Jana Schimke. „Die Unternehmen verwenden große Anstrengungen darauf, Frauen stärker in den Beruf zu integrieren. Doch einer Tätigkeit in Vollzeit stehen oftmals Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen. Deshalb brauchen wir keine neuen Gesetze, sondern vor allem eine bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur.“

Doch es sind nicht nur die Betreuungseinrichtungen, die Frauen den Karriereweg nach oben erschweren. Es sind häufig auch die betrieblichen Strukturen.

Erstens: Viele Frauen, die nach einer Babypause in Teilzeit arbeiten, möchten gern wieder in eine Vollzeitstelle zurück – dürfen aber nicht. „Besser wäre es, keine Teilzeitstellen anzubieten, sondern die Vollzeittätigkeit etwas zu verringern“, fordert Allmendinger. Frauen in Führungspositionen arbeiteten vor zwei Jahren rund 46 Stunden pro Woche, Männer 48.

Zweitens: In einfachen Jobs sind Männer und Frauen häufig gleich schlecht gestellt – als Geringverdiener. Die Lohnschere öffnet sich eher in höher qualifizierten Berufen. Da gibt es Boni und leistungsbezogene Vergütung, „ein völlig intransparentes System“, wie Allmendinger moniert. Denn statistisch erfasst werde lediglich die Grundvergütung. Zulagen dagegen würden häufiger nach „männlichen“ Kriterien verteilt – Stärke, Durchsetzungskraft und temporärer Präsenz. Heißt: Wer länger bleibt, steigt schneller auf. Das macht es für Menschen, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, schwerer.

Seite 2: Wenn sich Berufe „verweiblichen“, sinkt dort das Gehaltsniveau

BDA-Expertin Schimke bestreitet jedoch, dass Unternehmen Leistungszulagen „willkürlich“ verteilen: „Zulagen sind häufig Bestandteil der tariflichen Vergütung und werden beispielsweise für Schicht- und Wochenendarbeit gezahlt. Die wird oftmals durch Männer geleistet.“

Tatsächlich sind es nach wie vor die Frauen, die den Haushalt stemmen. Das zeigen Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): Während Männer in Führungspositionen zu Hause nur 18 Prozent der Familienarbeit übernehmen, erledigen weibliche Führungskräfte rund 58 Prozent der häuslichen Aufgaben. Wer ein Kind hat, kommt jedoch gar nicht erst an diese Führungspositionen heran: Im Jahr 2009 waren nämlich über die Hälfte der weiblichen Führungskräfte ledig, aber nur ein Drittel der männlichen.

Drittens: Für „weibliche“ Jobs gibt es kaum Universitätsabschlüsse. So dauert die Erzieherausbildung bis zu fünf Jahre; ein Hochschulfach ist es nur in wenigen Bundesländern. Für typische Männerberufe gibt es dagegen immer auch Studiengänge. So kann ein Förster – der für die Waldpflege deutlich besser entlohnt wird als die Frau für Kinderpflege – sich problemlos zum Forstwirt fortbilden.

Was zum vierten und letzten Befund führt: Wenn sich Berufe „verweiblichen“, sinkt dort das Gehaltsniveau. „Das kann man beispielsweise im Wissenschaftsbereich beobachten“, erklärt Allmendinger. Seitdem immer mehr Frauen in die Forschung drängten, seien die Beschäftigungsverhältnisse immer prekärer und geringbezahlter geworden.

Die Schweizer „Weltwoche“ hat diesen Prozess bereits vor fünf Jahren für die Mediziner-Branche beschrieben: Dort gibt es mittlerweile mehr Ärztinnen als Ärzte. Die Folge: Prestigeverlust, noch schlechtere Löhne, Personalmangel. Eine Genderforscherin beschrieb es so: Aus dem Herrn Doktor, einer unbestrittenen, geradezu glorifizierten Autorität, werde ein gewöhnlicher Dienstleister beziehungsweise eine Dienstleisterin, die einen Job wie jeden anderen mache.

Was sind uns Berufe wert? Wie soll Verantwortung bezahlt werden? Es sind Fragen, denen sich die Berufswelt erst noch stellen muss.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 20. März 2019 - 15:17

Gewerkschafterin, im Sinne von Mitglied, früher einmal ans Herz legte, ich solle nicht glauben, dass Frauen oder um mit der Zeit zu gehen, Männer keine Teilzeitjobs wollten, sie war verheiratet, hatte Kinder, vertraue ich doch Frau Prof. Allmendinger und Frau Sehrbrock.
Alleine der Name Letzterer... und dann ihre CDU-Mitgliedschaft.
Hoffentlich macht das Schule für Gewerkschaften.
Es sind nicht in erster Linie Kampfverbände, sondern Interessenvertretungen.
Da Menschen hauptsächlich immer noch zusammenleben, ungeachtet davon wer mit wem, muss man schlicht mehrgleisig fahren.
Alleinerziehenden Teilzeitstellen mit Rückkehr in Vollzeitjobs garantieren! und ansonsten Vollzeitjobs ausreichend anbieten.
Was überwacht werden sollte, denn Unternehmen fahren billiger mit Leuten, die nur eine Teilzeitstelle haben, aber letzt doch weit darüberhinaus arbeiten oder damit zutun haben?
Hin- und Rückfahrt zum Arbeitsplatz bei 4 Stunden oder 8 sind gleich, Klamottenwäsche/verschleiss auch usw.