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Erbschaftssteuer - Über Geld spricht man nicht

In den kommenden Jahren wird so viel vererbt wie noch nie zuvor. Das Erbe gilt inzwischen als ein Teil der Altersvorsorge. Dennoch gibt es gute Gründe, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. In Kooperation mit dem Tagesspiegel

Autoreninfo

Fabian Leber ist Redakteur im Ressort Meinung des Tagesspiegels. Er kommentiert vor allem aktuelle Entwicklungen der Bundespolitik. Sein Schwerpunkt liegt bei wirtschafts- bzw. sozialpolitische Fragestellungen und der Euro-Politik.

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In Thomas Manns „Buddenbrooks“ ruft die entsetzte Schwester Tony ihren beiden streitenden Brüdern zu: „Aber Tom, aber Christian! Und Mutter liegt nebenan!“ Die Familienpatriarchin ist gerade gestorben, da fallen ihre Kinder übereinander her. Eine Horrorvorstellung für viele Eltern. Meist ist Geld der Auslöser, wenn Familienbeziehungen nach einem Todesfall in die Brüche gehen. Immerhin bei jedem fünften Erbe sei das so, schreibt die Postbank in einer Studie.

Über Geld wird in Deutschland nicht gerne gesprochen
 

Eher selten werden Erbfälle schon vor dem Tod so geregelt, dass sich hinterher niemand beschweren kann.

Ohnehin wird in Deutschland über Geld nicht gerne gesprochen. Eine Ursache sind aber auch die immer größer werdenden Vermögen, die von der Nachkriegsgeneration weitergegeben werden. Wo es nichts zu vererben gibt, da kann sich auch niemand übergangen fühlen.

In Deutschland jedoch wird zwischen 2014 und 2020 nach Schätzungen etwa ein Drittel der Privatvermögen den Besitzer wechseln. Jedes Jahr sollen demnach rund 200 Milliarden Euro vererbt werden – die Zahlen allerdings schwanken stark, denn nur die wenigsten Erbschaften unterliegen der Erbschaftsteuer.

Dabei wechselt das Erbe gerade seinen Charakter. Galten ein paar 10.000 Mark vom Sparbuch der kinderlosen Großtante früher noch als willkommenes Zubrot, so wird mit dem Erbe heute verstärkt kalkuliert. Die Erbschaft komplettiert die Altersvorsorge. Besonders im Fokus steht dabei Wohneigentum. Während viele Menschen ihr Erspartes auch im hohen Alter lieber selbst ausgeben wollen, wird das Familienheim nur ungern verkauft – und fällt damit in den Schoß der nachrückenden Generation, auch wenn die womöglich schon ganz woanders wohnt. Gerade Immobilien sind es aber auch, die oft zu Streitigkeiten führen, weil ihr Wert sich nicht sinnvoll teilen lässt.

Wäre es da nicht besser, etwas Druck vom Vorgang des Erbens zu nehmen? Ab dem heutigen Dienstag wird vor dem Bundesverfassungsgericht über einige Ausnahmeregelungen bei der Erbschaftsteuer verhandelt. Tatsächlich zahlen nur Erben mit einem sehr hohen Vermögen heute Erbschaftsteuer – trotzdem sind die Deutschen mehrheitlich dafür, die Steuer ganz abzuschaffen.

Warren Buffet enterbt seine Kinder - damit die etwas leisten müssen
 

Die sonst für ihr mangelndes Gerechtigkeitsgefühl gescholtenen Amerikaner geben sich da gelassener. Nicht nur greift die Erbschaftsteuer in den USA stärker als in Deutschland. Das Problem des Erbens war auch schon von Staatsgründer Thomas Jefferson erkannt worden, der gesagt hat, jeder müsse sich „an der Startlinie neu aufstellen“. Ausgerechnet der liberale Vordenker John Stuart Mill verlangte schon vor 200 Jahren: „Ich würde eine stark belastende Steuer auf jede Erbschaft legen, die den moderaten Betrag übersteigt, der ausreicht, um persönliche Anstrengung zu unterstützen, aber nicht überflüssig zu machen.“

In Europa hingegen hängt man stärker am Erbe, speziell am materiellen. Ein Unternehmer wie Warren Buffett hätte es hier schon allein aus rechtlichen Gründen schwer, seine Kinder zu enterben – so wie er es vor einigen Jahren tat. Die Anteile an seiner Investmentfirma sollen nach seinem Tod an Wohltätigkeitsorganisationen gehen. Seine Kinder sollten nicht an seinem Vermögen ersticken, sondern selbst lernen, wie man Geld verdient, sagt Buffett.

In Deutschland verläuft die Entwicklung genau andersherum: Hier kaufen inzwischen viele Menschen in ihren 30ern oder 40ern Wohnungen oder Häuser mit dem Geld ihrer Eltern. Das mag zunächst sinnvoll erscheinen, weil beide davon profitieren: Junge Familien können im eigenen Häuschen wohnen, während die Eltern nicht auf Sparkonten ausweichen müssen, die nichts abwerfen. Doch keiner weiß, wie lange das gut gehen kann.

Leben von der Substanz – das bedeutet nicht nur, dass ein eigener Anreiz zur Leistung fehlt. Das Gefühl, durch eigene Arbeit Bleibendes zu erschaffen, kommt so gar nicht erst auf. Ganz abgesehen davon, dass neue Abhängigkeiten geschaffen werden, die mit der Abnabelung vom Elternhaus eigentlich als überwunden galten. Kommt die Mutter als Miteigentümerin zu Besuch, dann muss der geschenkte Teppich aus dem Keller geholt werden, der sonst als zu hässlich empfunden wird.

So gesehen sind die hohen Summen, die in Zukunft vererbt werden, Chance und Belastung zugleich. Verstärkt wird jedenfalls die sonst so oft beklagte Kluft zwischen Armen und Reichen. Denn manchmal geht es doch um mehr als Omas kleines Häuschen.

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