Drittes Triell zwischen Scholz, Baerbock und Laschet - Schlecht inszeniertes Jugendtheater

Das dritte Triell zwischen den Kanzlerkandidaten von SPD, Grünen und Union spielte sich sogar noch unter dem Niveau der beiden vorangegangenen Aufeinandertreffen ab. Was nicht an den Teilnehmern lag, sondern am Sender ProSieben. Immerhin ist jetzt klar, dass Baerbock und Scholz eindeutige Präferenzen für eine rot-rot-grüne Koalition haben.

Das Elend nimmt seinen Lauf: die bekannten Kandidaten im dritten Triell / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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ProSieben hätte nicht den Ruf, grenzdebiles Fernsehen zu produzieren, wenn man das dort nicht auch immer wieder programmatisch hinterlegen würde. Insofern muss man dem Sender gratulieren: Nämlich erstens dazu, überhaupt in die engere Wahl als Ausrichter für ein Kanzlerkandidaten-Triell gekommen zu sein. Und zweitens zur Tatsache, nach zwei enttäuschenden Vorrunden dieses insgesamt ohnehin total enttäuschenden Formats die beileibe niedrigen Erwartungen nochmals konsequent unterlaufen zu können. Dazu muss man nicht nur aufgrund augenscheinlicher Inkompetenz in der Lage sein – ProSieben schafft es sogar, seine totale Überfordertheit auch noch entsprechend in Szene zu setzen: mit Einspielfilmchen wie aus dem Genre Reality-TV, allerdings garniert mit gendergerechtem Glottisschlag und stets besorgt-anteilnehmendem Minenspiel der beiden Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch.

Die inhaltlichen Defizite von Triell eins und Triell zwei sind zwar in den vergangenen drei Wochen hinlänglich benannt worden (komplette innerdeutsche Nabelschau ohne internationale Bezüge, selbst das Thema Migration blieb tabu). Was aber noch lange nicht bedeutet, dass man bei ProSieben den ganzen alten Debattenstiefel nicht einfach noch einmal exakt genau so zusammenschustern könnte. Es ist derart erbärmlich in diesem insgesamt noch erbärmlicheren Wahlkampf, dass man sich wünscht, die Ergebnisse der übernächsten Bundestagswahl mögen bitte in der Trommel der Lottozahlen ausgelost werden. Hauptsache, nicht noch einmal irgendwelche Aufeinandertreffen von Kanzlerkandidaten (Querstrich: -innen) zu politischen Themen vor deutschen Fernsehkameras.

Zur Schau gestellte Blödheit

Um es kurz zu machen: Ich habe mir die Sendung nur deshalb angeschaut, um Ihnen selbiges zu ersparen. Womöglich haben Sie schon an den einleitenden Worten gemerkt, dass Sie nichts verpasst haben. Es sei denn, Sie stehen auf Wiederholungen. Aber anders als bei Filmen wie „The Big Lebowsky“ oder als bei Western-Klassikern, wo man auch im siebten Durchgang immer noch neue Details entdecken kann, werden die Trielle von Mal zu Mal nur noch langweiliger und banaler. Was eigentlich kaum möglich zu sein scheint. Doch im Deutschland des Jahres 2021 ist eben auch das schier Undenkbare praktikabel – nicht zuletzt die Lust von Fernsehmoderatoren (Querstrich: -innen), seine (Querstrich: ihre) Blödheit offen zur Schau zu stellen. Da bleibt als spannende Frage des Abends einzig: Wie lange wird Manfred Güllner vom objektivsten aller Meinungsforschungsinstitute (namentlich Forsa) wohl diesmal brauchen, um Olaf Scholz zum Gewinner des Abends auszurufen? So hat halt alles immer seinen Preis.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, wollen natürlich wissen, worum es ging. Zuerst um Folgendes: Mindestlohn, soziale Gerechtigkeit, Armut und Hartz IV. Der Sender muss schließlich nah bei seiner Stammkundschaft bleiben. Baerbock und Scholz sind sehr betroffen, die Grünen-Chefin natürlich auch wieder ein bisschen aus eigenem Erleben. Laschet sagt: Am besten ist es, die Menschen in Arbeit zu bringen (was für ProSieben eher keine gute Lösung sein dürfte, denn wer soll dann deren Nachmittagsprogramm anschauen?). 

Nächster Punkt: Klima und Umwelt, von Zervakis und Brauchitsch allen Ernstes mit den Worten anmoderiert, dies seien eindeutig die Wahlkampfthemen mit der höchsten Priorität für die deutschen Wähler. Das gilt zwar allenfalls für die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Gebührenfernsehens, jedoch ganz gewiss nicht für das Stammpublikum von ProSieben. Was am Ende aber auch wieder komplett egal ist, weil sämtliche Argumente dazu von sämtlichen Kanzlerkandidaten (Querstrich: -innen) längst und immer wieder und bis zur Ermüdung ausgetauscht worden sind. Selbiges trifft zu bei den Themenkomplexen Corona und Pflege. Für Laschet, Baerbock und Scholz gilt hier gleichermaßen: total sensibel auftreten, Problembewusstsein zur Schau stellen, zum Impfen aufrufen. Dass Annalena Baerbock ihre Forderung nach einer Impfpflicht für Lehrer und Kita-Personal (so geschehen im Triell vor einer Woche) nicht wiederholen würde, lag nahe.

Baerbock will Gefährder überwachen

Einziger halbwegs neuer Aspekt bei Triell drei von ProSieben: Das Thema innere Sicherheit, aus Aktualität vor dem Hintergrund des vereitelten islamistischen Anschlags auf eine Synagoge in Hagen. Laschet ging immerhin soweit, Abschiebungen nicht nur für ausländische Straftäter, sondern auch für zugewanderte Gefährder zu fordern. Für Annalena Baerbock hingegen („nicht alles in einen Topf werfen“) besteht die diesbezügliche Problemlösung darin, potentielle Gefährder von der Polizei überwachen zu lassen, auch wenn das, wie sie freimütig eingestand, „sehr, sehr viel Geld kostet“. Aber Geld ist ja in der Bundesrepublik bekanntlich keine Mangelware, insbesondere dann nicht, wenn es um die Kollateralschäden gescheiterter Migration geht. Olaf Scholz blieben Einlassungen zur inneren Sicherheit übrigens erspart.

Der absolut unbefriedigende Abend endete mit einer Sequenz, in der die Kandidaten (Querstrich: -innen) einander eine Frage stellen durften, was Baerbock an Scholz in Sachen Geldwäsche tat, Scholz an Laschet in Sachen Kohlenstoffdioxid-Bepreisung. Und Laschet wiederum wollte von Baerbock wissen, was sie von Scholz bei dessen Befragung zum Cum-Ex-Skandal erwarte („Transparenz“). Das ganze folgte der Machart schlecht inszenierten Jugendtheaters. Aber womöglich ist es ja auch einfach das Markenzeichen von Prekariats-Sendern wie ProSieben. Ist ja, wie gesagt, auch völlig egal.

Ganz zum Schluss dann doch noch ein kleiner Erkenntnisgewinn, als es um mögliche Koalitionen ging: Sowohl Baerbock wie auch Olaf Scholz wünschen CDU und CSU explizit eine künftige Rolle in der Opposition. Da wächst klar ersichtlich zusammen, was zusammen gehört und auch zusammen will. Schade, dass die Linkspartei keine eigene Kanzlerkandidatin aufgestellt hat. Sonst hätten sich Rot-Rot-Grün nämlich am Sonntagabend schon vor laufenden Kameras in den Armen liegen können. Anstatt dafür wie beim letzten Triell auf eine in Studionähe gelegene Currywurstbude ausweichen zu müssen.

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