Deutschlandweite Bauernproteste - Die letzte Generation aus der Landwirtschaft

Die massiven Proteste deutscher Landwirte gegen die Ampel-Regierung versetzen besonders die Grünen in helle Empörung. Vizekanzler Robert Habeck warnt schon vor vermeintlichen Verfassungsfeinden. Aber der Aufruhr ist die Konsequenz aus politischer Respektlosigkeit.

Protestierende Bauern am Brandenburger Tor / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Jetzt also die Landwirte. Hier in Berlin konnte ich die anrückenden Traktoren gestern Abend schon von meiner Wohnung aus hören – sie liegt nicht weit von der Straße des 17. Juni entfernt, die bereits häufiger Auffahrgelände für protestierende Bauern war.

Heute dann das große Defilee mit schwerem Gerät; blockierte Autobahnauffahrten und Staus allerorten. Und offenbar, anders als bei den Aktionen der „Letzten Generation“, eine gewisse Solidarisierung nicht unerheblicher Teile der Bevölkerung – zumindest wird den Landwirten von zahlreichen Menschen, auch von Städtern, Verständnis für ihren Frust entgegengebracht. Denn es geht nicht nur um Agrardiesel oder um eine Mautpflicht für Lastwagen. Sondern letztlich um einen Begriff, mit dem der amtierende Bundeskanzler seinen letzten Wahlkampf bestritten hat: Respekt.

Ein versuchter Trick und die Folgen

Die Agrardiesel-Geschichte war ja bekanntlich eine Ad-Hoc-Aktion der Bundesregierung (genauer gesagt: des Triumvirats von Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner), nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Haushaltsurteil die Ampel in schwerste Bedrängnis gebracht hatte. Am Anfang stand also ein vom Kanzler höchstpersönlich ersonnener Buchungstrick (Umwidmung von Kreditermächtigungen), der von Karlsruhe als solcher enttarnt und als verfassungswidrig gebrandmarkt wurde. 

Wenn aber solche Tricksereien nicht nur auffliegen, sondern im Nachgang zu finanziellen Belastungen für eine Berufsgruppe führen, die harte Arbeit verrichtet und wirtschaftlich dennoch nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht, ist Frustration die unvermeidliche Folge. Zumal gleichzeitig Sozialtransfers ausgeweitet wurden – und das auch noch vor dem Hintergrund massiven Arbeitskräftemangels.
 

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Dass hier die Verhältnisse verrutscht sind, ist einigermaßen offensichtlich. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt etwa, der seinen Wahlkreis im ländlichen Niedersachsen hat, brachte seine Unterstützung der Proteste mit folgenden Worten auf den Punkt: Die Landwirte „kämpfen in diesen Tagen für die Interessen aller fleißigen Bürgerinnen und Bürger, die täglich zur Arbeit fahren und Steuern zahlen“. 

Das mag man populistisch nennen, es entspricht aber der Wahrnehmung vieler Menschen in diesem Land, denen nicht einleuchten will, warum die Bundesrepublik sich zwar 315 Millionen Euro für Busse und Radwege in Peru oder 600.000 Euro zur „Stärkung von Vielfalt und Toleranz“ in Indonesien leistet, gleichzeitig aber zulasten der eigenen Bevölkerung spart. 

Nicht, dass die Haushaltsmisere durch drastisches Zurückfahren teils bizarrer Entwicklungshilfeprojekte gelöst werden könnte. Aber Ausgaben wie die oben erwähnten haben eben auch einen symbolischen Wert: Jedes Regenbogenprojekt in entfernten Weltregionen erscheint wichtiger als das Wohl jener Menschen, „die schon länger hier leben“ (wie Angela Merkel sich auszudrücken pflegte).

Dilettantismus, Arroganz und Bevormundung

Das kann nicht gutgehen, und jetzt geht es eben auch nicht mehr gut. Die Regierung hat es zugelassen und befördert, dass sich bei nicht unerheblichen Teilen der Wählerschaft der Eindruck verfestigt, die Politik des selbsternannten Fortschrittsbündnisses richte sich konsequent gegen die Interessen der Deutschen (mit Ausnahme natürlich einer bestimmten Klientel, die aber gewiss nicht in ländlichen Räumen beheimatet ist): vom geplanten Durchexerzieren des Heizungsgesetzes bis zu einem kontrafaktischen Selbstbestimmungsgesetz hat sich die Ampel tatsächlich sehr vieles einfallen lassen, um Leute vor den Kopf zu stoßen und ihnen beim geringsten Zeichen von Widerwillen die Unterstellung einer rechten Gesinnung um die Ohren zu hauen. 

Es ist diese Mischung aus Dilettantismus, Arroganz und Bevormundung, mit der man nicht nur Bauern auf die Straßen treibt, sondern auch Wähler in die Arme der AfD. Und dann leistet sich die dysfunktionale rot-grün-gelbe Koalition auch noch den Luxus, jegliches Aufmucken der Menschen in den Ruch der Demokratiefeindlichkeit zu bringen. 

So wie es jetzt Vizekanzler Robert Habeck tut: im Zuge einer pastoralen Ansprache, mit der er zunächst scheinbar ganz sachlich die aktuellen Sparzwänge erläutert, indem er die Klage der Unionsparteien gegen den verfassungswidrigen Ampel-Haushalt als einzige Ursache benennt. Um wenig später die Bauernproteste mehr oder weniger pauschal in den Ruch der Demokratiefeindlichkeit zu bringen. Oder wie sonst soll man es verstehen, wenn der Bundeswirtschaftsminister mit Blick auf empörte Landwirte dazu aufruft, sich Verfassungsfeinden und Putin-Handlangern entgegenzustellen?

Schmähgedicht auf die Grünen geht viral 

Dass ausgerechnet ein Politiker der Grünen sich angesichts bäuerlicher Traktorkolonnen zum vermeintlichen Verteidiger des Rechtsstaats berufen fühlt, diese Ironie hat übrigens die ehemalige Anti-AKW-Aktivistin Anna Veronika Wendland nicht nur erkannt, sondern in ein am Wochenende viral gegangenes Gedicht gegossen. Darin heißt es:

Bullen jagen, Castor schottern / bis die Großkonzerne schlottern
Scheiße werfen / Reifen plätten / Kämpfend den Planeten retten.
Faule Eier auf Minister / ellenlanges Strafregister
Tagessätze & Arreste / Richter, Roben, Klagen, Knäste.
Wer war immer mit dabei? / Das Personal der Grünpartei.
Nun sind 30 Jahre um / man sitzt im Ministerium.

Origineller als mit diesem Stegreif-Couplet lässt sich die bündnisgrüne Doppelmoral wohl kaum auf den Punkt bringen.

In seiner Video-Ansprache vergießt Robert Habeck übrigens auch noch Krokodilstränen ob seiner Feststellung, die „Hoffnung auf eine bessere Zukunft“ sei der „Angst vor einer schlechteren“ gewichen. Dass seine eigene Regierung etwas damit zu tun haben könnte, dieser Gedanke kommt ihm natürlich nicht. Ihre Majestät lässt grüßen.
 

Anna Veronika Wendland im Gespräch mit Daniel Gräber
Cicero Podcast Wirtschaft: „Bei der Energiestrategie ist Stimmungspolitik Gift“
  

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